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Hunger litten sie im großen Lager nicht, aber das Essen war alles andere als gut. Fast jeden Tag bekamen sie weiches, pappiges Brot und irgendwelches Gemüse, das stets schmeckte, als wäre es bereits drei Mal aufgewärmt worden, um dann wieder zu erkalten. Irgendwann mussten Brot und Gemüse einmal frisch gewesen sein. Und der Zwerg hatte selbst gesehen, dass unten im Tal Tausende Brote in riesigen Öfen gebacken wurden. Legten die Bäcker ihre Brote danach für zwei Tage in feuchte Vorratskammern, damit sie jeglichen Geschmack verloren? Er konnte nicht begreifen, warum das Brot für weniger als eine Meile Luftlinie so lange brauchte, dass es fast ungenießbar war, wenn es seine Männer erreichte. Zum Zelt des Goldenen, das wesentlich weiter von den Öfen entfernt lag, kam es schließlich auch frisch.

Ein leiser Rülpser entfuhr ihm, und schlagartig wurde sich Hornbori wieder bewusst, wo er war. »’tschuldigung …«, murmelte er errötend.

»Es freut mich, dass es dir schmeckt.«

Die Worte klangen so herzlich, als wären sie schon seit Langem die besten Freunde.

»Sicherlich hast du schon Gerüchte gehört, dass es neue Feldzüge geben wird«, erklärte ihm der alte Drache.

Hornbori nickte. »Meine Männer sind kampfbereit … Jedenfalls die, die mir noch verblieben sind. Die Trolle und Kobolde, die mir unterstellt waren, dienen nun anderswo.«

»Gräme dich nicht, diese unzuverlässigen Gesellen verloren zu haben. Ich weiß, dass du nach wahrer Größe strebst. Dabei würden sie dir nur im Wege stehen. Ich habe anderes mit dir im Sinn. Du sollst fortan der Heermeister der Zwerge sein.«

Heermeister auf Befehl des Goldenen! Hornboris Herz machte einen Satz. Das war ein großer Schritt auf dem Weg zum Königsthron einer der großen Zwergenbingen. »Die Krieger welcher Stadt soll ich für Euch in die Schlacht führen, mein strahlender Gebieter.«

Der Drache tat einen tiefen Seufzer und wiegte den Kopf. »Ach, Hornbori …«

Die unüberhörbare Enttäuschung war wie ein Dolchstoß in seine Brust. Hornbori verstand nicht, was er falsch gemacht hatte. Lag es an der Anrede, die er gewählt hatte?

»Ihr Zwerge müsst euren fatalen Hang zum Kleingeist überwinden. Dieser Makel hindert euer Volk daran, zu wahrer Größe aufzusteigen. Natürlich bist du nicht der Heermeister einer Stadt. Du bist der Heermeister aller Zwerge, die auf Nangog kämpfen werden. Sie alle unterstehen von nun an deinem Befehl.«

Hornbori musste sich an der Festtafel festhalten. »Aller Zwerge …«

»So ist es. Es sind bereits schriftliche Befehle an alle Zwergenhauptleute in diesem Tal auf dem Weg. Bald werden Nachrichten an die Zwergenkönige und Ältestenräte folgen. Du hast deine Entschlossenheit bewiesen, Hornbori. Entschlossenheit ist es, die Kriegern die Größe gibt, jeden Widerstand zu überwinden. Diese Eigenschaft, geknüpft an gebündelte Macht, wird dich zu weiteren Ruhmestaten beflügeln. Ich vertraue auf dich, Hornbori.«

Der Goldene klatschte laut in die Hände, und der Vorhang hinter dem Buffet teilte sich. Ein Elf mit langem, weißem Haar trat ein. Sein Gesicht war fein geschnitten und wirkte doch härter als das Antlitz der meisten Elfen, denen Hornbori bislang begegnet war. Er war lediglich mit einer Hose und einer speckigen Lederschürze gekleidet. Vor der Brust hielt er eine zweiflügelige Axt.

»Gobhayn!«, entfuhr es Hornbori. Der legendäre Schmied hatte für ihn die mit Panzerplatten verstärkten Schlitten entworfen, die es ihm erlaubt hatten, den Rückzug der Menschen aufzuhalten, bis die Mistkerle unerwartete Verstärkung erhalten hatten.

»Es hat mich gefreut zu hören, dass meine Schlitten zu großem Nutzen eingesetzt werden konnten. Ich hoffe, du wirst auch diese Waffe hier berühmt machen. Ein Zwerg, der ein Held wie aus alten Liedern ist, sollte auch die Waffe eines Helden besitzen.« Feierlich überreichte er ihm die Axt. »Ich hoffe, der Schaft hat die richtige Länge für dich, ansonsten kann ich ihn leicht durch einen anderen ersetzen.«

Hornbori strich über das Axtblatt. Ein Bild war in eine Hälfte der Klinge eingraviert. Es zeigte einen Zwergenkrieger, der ein Drachenbanner hochreckte und dabei auf einem großen Schlitten stand.

»Es ist noch Platz für drei weitere Heldentaten von dir, Hornbori«, sagte Gobhayn. »Bring sie mir zurück, wenn es an der Zeit ist, wieder an ihr zu arbeiten.«

»Das wird der Anfang einer großen Legende in deinem Volk werden, Hornbori. Bist du dir dessen bewusst?« Der Goldene stand unmittelbar vor ihm und sah zu ihm herab. »Gobhayn war so freundlich, mir zu erlauben, auch ein wenig an der Axt zu arbeiten. Ich habe Magie hineingewoben. Sie ist von der Beschaffenheit jener Zauber, mit denen auch die Waffen der Drachenelfen belegt sind. Und ich habe der Axt einen Namen gegeben. Schädelspalter. Ich denke, er macht sich gut in einer Heldensaga.«

Hornbori war überwältigt. Er wusste nicht, was er sagen sollte. All seine Träume waren in dieser Stunde wahr geworden. Er war der Heermeister der Zwerge und führte eine verwunschene Axt, die vom Goldenen selbst geschmiedet war. Er würde es schaffen, er würde König werden! Vielleicht würde er sogar König aller Zwerge werden? Das hatte es bisher noch nie gegeben.

»Und nun zu deiner Aufgabe.«

Hornbori sah zuversichtlich in die geschlitzten Pupillen des Drachen. Doch als der Goldene ihm sagte, was er von ihm verlangte, zerstoben all seine Träume. Das war unmöglich!

Der Menschenfeind

Galar betrachtete fasziniert das Modell der Stadt, die sie angreifen sollten. Eine wunderbare Arbeit. Es war gewiss von Elfen geschaffen. Auf das Gerede der anderen hörte er kaum. Seine Finger glitten über das Modell. Über die Terrassen, die ins obere Viertel des steilen Felsens geschlagen waren, um die Paläste der Hochmütigen zu tragen. Er legte den Kopf flach auf den Tisch, um in die riesige Grotte zu blicken, die sich zum Meer hin öffnete. Selbst das Innere war ausgearbeitet. Er sah Schiffssilhouetten und Ladekräne. Gerne hätte er den Meister kennengelernt, der dies erschaffen hatte. Wahrscheinlich hatte er Magie genutzt. Galar überlegte, ob er ihn dafür verachten sollte. Aber letztlich zählte nur das Werk und nicht, wie es erschaffen worden war.

Plötzlich wurde er sich der Stille bewusst. Sie alle standen um ihn herum und starrten ihn an, wie er da kniete, den Kopf auf die Tischplatte gelegt hatte und die Grotte betrachtete. Er kannte fast keinen der anwesenden Zwerge, aber er hatte von fast allen schon einmal gehört. Es waren berühmte Krieger oder Kapitäne, die ihre Aale an Orte gelenkt hatten, wo vor ihnen noch niemand gewesen war. Jeder Einzelne von ihnen war verdienter als Hornbori, dieser elende Schisser, und sie alle mussten damit leben, dass er sie anführen würde.

»Wenn wir siegen, wird die Geschichte dieser Schlacht bis ans Ende aller Zeiten überdauern«, erklärte Hornbori schließlich mit einem giftigen Seitenblick zu Galar.

»Diese Stadt ist uneinnehmbar!«, widersprach Ulur.

Galar sah den Graubart an. Er war der Einzige, der hier mit nacktem Oberkörper stand. Er galt als verrückt, denn sein ganzer Leib war voller Tätowierungen. Die Bilder zeigten ferne Küsten Albenmarks, Routen durch unterirdische Flüsse, mit unzähligen nautischen Zeichen versehen, die nur Ulur zu deuten wusste. Er hatte schon vor Jahren einen großen Aal bauen lassen. Wirklich groß! Wahrscheinlich, damit das Tauchboot ihn tragen konnte. Ulur war fett wie ein gestrandeter Wal und seine Haut so weiß wie das Fell einer neugeborenen Robbe. Er war, was Hornbori erst noch werden wollte. Eine Legende. Sein Wort hatte Gewicht. Er war der erste Zwerg, der mit Aalen hinaus in die weiten Ozeane gefahren war.

»Keine Stadt ist uneinnehmbar. Ich habe schon einige Ideen …«, begann Hornbori erneut.

»Dann erzähl uns doch mal davon, Heermeister, statt nur hohle Phrasen zu dreschen.« Ulur ging neben Galar in die Knie und blickte ebenfalls in die Grotte am Fuß des Felsens, der sich aus dem Meer erhob. »Es ist eine Sache, sich heldenhaft mit einer Handvoll Krieger zu schlagen, und eine ganz andere, eine Stadt zu belagern.«