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Saham öffnete die anderen Fenster, während Shaya die Terrasse abschritt. Sie wäre breit genug, um die Schlaflager der Kranken nach hier draußen zu bringen. Sie trat zur Brüstung und sah den Felsen hinauf. Es gab noch weitere Terrassen, die versetzt zu jener lagen, auf der sie nun stand. Es war ein wunderbarer Ort. Vielleicht vermochte die Aussicht über dieses freundliche, warme Meer die Seelen zu heilen, die der grausame Frost des Nordens verletzt hatte.

Sie würde Eisenringe in den Fels schlagen lassen und ein paar starke Rundhölzer aufstellen. Es war möglich, hier ein Sonnensegel zu spannen. Da war sie sich ganz sicher.

Als sie zurück in den Krankensaal trat, schleppte Enak einen großen Korb mit Früchten herein und sah sie lobheischend an.

»Gut gemacht.« Sie musste ihn für sich gewinnen. Sie brauchte Verbündete im Palast. »Vor uns liegt eine Schlacht. Wirst du an meiner Seite stehen?«

Der Junge sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Eine Schlacht?«

»Wir ziehen in den Kampf gegen Krankheit und Tod. Es ist ein Kampf, der uns alles abverlangen wird. Hattu wird mich für die Dinge hassen, die ich tun werde. Vielleicht auch einige der Männer hier … Aber all das zählt nicht. Wir werden dem Tod seine sichere Beute entreißen.« Sie senkte die Stimme. »Auch wenn er am Ende immer siegt.«

»Du willst …« Enak sah sie erschrocken an.

»Ja, ich werde amputieren. Du wirst mir einen Satz scharfer Messer bringen. Es muss hier im Palast so etwas geben. Dazu Aderpressen, heißes Pech und eine Knochensäge.«

»Du kannst doch nicht …«

»Ich habe das Herz einer Kriegerin, Enak. Das Einzige, was ich in meinem Leben nicht kann, ist aufzuhören zu kämpfen.«

Der Duft der anderen

Volodi sah müde in die Flammen des Feuers. Wenn er sich nicht betrank, fand er einfach keinen Schlaf mehr. Sobald er die Augen schloss, erwachten in ihm die Bilder, die Wind vor regenschwerem Horizont mit ihm geteilt hatte. Er bekam sie einfach nicht mehr aus dem Kopf. Dieses Ungeheuer lebte in ihm, da war er sich ganz sicher. Und wenn er schlief, dann streckte es die Arme nach ihm aus.

»Du denkst an sie, nicht wahr?«

Er wandte sich zu Quetzalli um. Sie saß auf dem Bett und gab Wanya die Brust. Sie tat das in letzter Zeit wieder öfter, dabei hatte der Kleine eigentlich schon angefangen, Brei zu essen. Bald würde er ihm ein schönes, weich gekochtes Stückchen Fleisch in den Mund schieben, wenn sie nicht hinsah. Quetzalli hatte einige sehr seltsame Vorstellungen über die Ernährung von Kindern. Jungs brauchten Fleisch! Sonst wurden sie zu Weichlingen.

»Bin ich dir nicht einmal mehr einer Antwort würdig?«

»Äh, was …«

Er hatte ihr nicht richtig zugehört. Das tat er viel zu oft in den letzten Tagen. Dieses verfluchte Ungeheuer. Er war ihm nie begegnet, und doch warf es einen Schatten auf sein Leben.

»Tu nicht so! Denkst du, ich weiß nicht, dass du die blonde Schlampe fickst? Und jetzt träumst du von ihr. Ich bin nur noch Luft für dich …«

Volodi fühlte sich völlig überrumpelt. »Das ist nicht wahr. Ich …«

»Red dich nicht raus!« Quetzalli erhob sich vom Bett, kam ein paar Schritt auf ihn zu und wandte sich dann abrupt wieder ab. »Glaubst du, ich sehe nicht, wie du sie anstarrst?«

»Es ist nicht so …«

»Wenn ich nicht dabei bin, holst du sie dir auf den Schoß und betatschst sie. Und das vor unseren Gästen! Was habe ich dir getan, dass du mich so sehr demütigst?«

»Ich …« Er stand auf. »Ich war betrunken. Es tut mir leid.«

Sie legte Wanya in sein kleines Bett und deckte ihn zu. Dabei zuckte ihr Rücken auf und nieder. Volodi hörte keinen Schluchzer. Sie wäre viel zu stolz, um vor seinen Augen zu weinen. Sie hatte ihm einmal gesagt, wenn es ihm je einfallen würde, sie zu betrügen, dann würde sie ihm im Schlaf die Kehle durchschneiden. Ein schreiendes, aufgewühltes Weib – das war nicht sie.

Er trat von hinten an sie heran und wollte sie in die Arme schließen, doch sie entwand sich ihm, kaum dass er sie berührte.

»Glaubst du, ich möchte die Hände auf mir spüren, mit denen du sie begrabscht hast? Hattest du wenigstens den Anstand, dich zu waschen, seit du das letzte Mal bei ihr gelegen hast, oder werde ich gleich im Bett ihren Hurenmief an dir riechen?«

»Ich schwöre dir, ich war nicht …«

»Hab wenigstens den Anstand, mir nicht auch noch ins Gesicht zu lügen, verdammter Bastard!«

Es geschah schneller, als er dachte. Eigentlich hatte er es gar nicht gewollt. Seine Hand schnellte vor. Klatschte ihr ins Gesicht. Der Schlag war so heftig, dass Quetzalli auf Wanyas Bettchen geschleudert wurde. Fassungslos starrte er auf seine Finger. Sie waren ganz rot und brannten von dem Schlag.

»Für mich die Prügel und für sie deine Küsse. Wird es jetzt so sein?«

Volodi erhob erneut die Hand. Diesmal beherrschte er sich. »Was ist in dich gefahren, Weib?«

»Dass ich nicht blind bin, du Hurenbock!«

»Ich werde dir beweisen …«

»Ich rieche ihren Geruch an deinen Kleidern. Was willst du mir noch beweisen? Steh wenigstens zu dem, was du tust, statt mich zu belügen. Glaubst du, ich kenne das nicht? Ich habe als Kind gesehen, wie mein Vater meine Mutter betrogen hat. Aber er hatte Anstand dabei. Er hat nie eine Frau angerührt, wenn es irgendjemand sehen konnte. Meine Mutter hat nie ihr Gesicht verloren. Sie musste nie erdulden, dass die Dienerinnen tuschelten und kicherten, wenn sie vorüberging. Mein Vater hat ihr ganz ehrlich gesagt, dass er ins Bett einer anderen stieg. Ich weiß, Männer brauchen das manchmal. Man kann es mit Anstand tun – oder so wie du!«

»Ich habe nicht …«

Quetzalli spie vor ihm auf den Boden. »Lügner!«

Er ballte die Faust. Er musste gehen. Volodi wusste, er würde Quetzalli wieder schlagen, und das wollte er nicht! Aber sie würde ihn so lange reizen, bis es geschah. Er verstand auch nicht, was sie so aufregte. Sie sagte, es würde sie nicht stören, wenn er mit einer anderen ins Bett ging, aber so wie sie sich aufführte … »Ich werde mir deine irren Reden nicht länger anhören. Geh ins Bett, Weib. Und halte dein Schandmaul!«

»Du kannst mir meine Ehre nehmen, aber den Mund, den kannst du mir nicht verbieten!«

»Ich werde mir das nicht länger anhören!« Er trat zur Tür, riss sie auf und stürmte hinaus auf den Flur, der zum großen Saal des Langhauses führte.

Quetzalli kreischte hinter ihm etwas, das er nicht richtig verstand. Was war nur in sie gefahren? Ja, er hätte Anisja nicht zu sich auf den Schoß ziehen dürfen. Er konnte sich das selbst nicht erklären. Es war ein Fehler gewesen.

Die große Halle lag verlassen. Er fand einen Krug mit warmem Honigbier und setzte sich an die ersterbende Glut der Feuergrube. Der Rauch, der zum Giebel aufstieg, brannte so sehr in seinen Augen, dass sie sich mit Tränen füllten. Was war los mit Quetzalli? Er liebte sie. Und was war los mit ihm? Andere Frauen hatten ihn nie interessiert, bis Anisja gekommen war. Sie hatte etwas an sich … Er konnte es nicht richtig beschreiben. Wenn sie in seiner Nähe war, dachte er nicht mehr an das Ungeheuer. Und er fühlte sich mehr wie ein Mann … Dabei war sie eigentlich zu üppig für seinen Geschmack.

Er hob den Krug an die Lippen und trank. Der Met war zu klebrig. Er hatte das Gefühl, als wollte er ihm nicht richtig die Kehle hinabrinnen.

»Soll ich Euch nicht einen frischen Krug vom Braumeister holen, Herr aller Wälder?«

Bei den Göttern! Was machte sie hier? Es war mitten in der Nacht! Warum war sie nicht im Quartier der Dienerinnen.

»Herr?«

Dieser Duft! Volodi schloss die Augen und gab sich ihm ganz und gar hin. Allein sie zu riechen beflügelte seine Fantasie. Er wollte sie berühren. Er wollte sie mit allen seinen Sinnen spüren.

»Soll ich gehen, Herr?«

»Nein«, stieß er hervor. Es war ein atemloses Keuchen, als wäre er gerade viele Meilen gelaufen.

Sie kniete vor ihm nieder. Er starrte auf ihren Ausschnitt. Die üppigen Brüste. Er sollte nicht … Aber warum eigentlich? Quetzalli strafte ihn für etwas, das er nicht getan hatte. Er hatte Ärger wegen einer Affäre, die er gar nicht hatte. Warum sollte er sich nicht ein wenig Spaß gönnen? Was konnte schlimmer werden?