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»War das wirklich nötig?«, flüsterte Enak ihr zu. »Du solltest ruhen und gesund werden.«

»Wir schlagen eine Schlacht«, zischte sie wütend zurück. »Bist du blind? Siehst du nicht, was um uns herum geschieht? Die Drachen und die Daimonen sind gekommen, um uns alle zu vernichten. Ich habe das schon einmal gesehen, im ewigen Eis des Nordens. Wer sich hinlegt, der wird sterben. Asugar brennt! Mörder bestürmen die Tunnel. Wir haben kein Schwert in der Hand, aber wir kämpfen um das Leben eines jeden, der hier heruntergebracht wird. Ausruhen werden wir erst, wenn die letzte Wunde versorgt ist.« Während sie sprach, war sie immer lauter geworden, damit jeder in der Höhle ihre letzten Worte deutlich verstehen konnte.

Leiser, sodass nur Enak sie hören konnte, fügte sie hinzu: »Es war nötig, den Drusnier vorzuführen. Jeder, der es gesehen hat, weiß nun, dass es klüger ist, meinen Anweisungen zu folgen, auch wenn ich nur ein Weib bin. Ich werde ab sofort den Befehl hier unten übernehmen. Wir müssen besser werden, wenn wir mehr Leben retten wollen. Wir brauchen zwei Tische für jeden von uns. Und Tücher und Wasser und Träger und mehr saubere Lager …« Keuchend hielt sie inne und kämpfte gegen den Schmerz an.

»Ich sehe, wie du dich am Tisch festhältst«, flüsterte Enak. »Du kannst nicht …«

»Du holst mir jetzt einen Becher voll Wasser und gibst zwei Tropfen Laudanum hinein. Das ist genug, um meinen Schmerz etwas zu dämpfen, und zu wenig, um mich benommen zu machen. So wird es gehen.«

Enak widersprach nicht, aber sie konnte in seinen Augen lesen, was er davon hielt. Shaya senkte den Blick. Sie wusste, dass sie sich zu viel zumutete und dass sie dafür würde bezahlen müssen. Doch einen Tag lang würde sie durchhalten. Ein Tag, an dem sie noch viele Leben retten konnte.

»Saubere Arbeit, Enak!« Sie musterte den frisch vernähten Armstumpf des Amputierten. »Ich habe den gesplitterten Knochen gesehen. Das wäre nicht mehr zusammengewachsen. Du hast das einzig Richtige getan.«

Statt zu antworten, presste der junge Heiler die Lippen zusammen. Er war kein Kämpfer, dachte sie. Aber hier unten genügte es, wenn sie kämpfte.

Sie winkte zwei Männern, die abgesehen von ihren rußgeschwärzten Gesichtern nicht sonderlich mitgenommen wirkten. »Hebt den hier vom Tisch und sucht einen Platz für ihn!«

Die beiden gehorchten ohne Widerworte.

»Das Laudanum, Enak!« Shayas Finger krallten sich um die Tischkante. Kalter Schweiß rann ihren Rücken hinab und brannte in den Wunden. »Jetzt!« Sie schob das Schwert des Drusniers mit dem Fuß unter den Tisch, wo es nicht im Weg war.

Das Klirren des Metalls ließ Enak zusammenzucken, und er gehorchte.

Müde

Kreischend schrammte Metall über Metall. Arcumenna wurde zurückgerissen. Einer der kurzen, dicken Pfeile, die die Daimonen verschossen, hatte seinen Helm geschrammt. Immer noch klang das kreischende Geräusch in seinen Ohren. Es übertönte den Lärm der Schlacht. Die niederen Daimonen waren schon drei Mal gegen den Wall aus Speeren angestürmt. Ihre Äxte hatten die Schäfte etlicher Speere zersplittert; der Beschuss durch die verfluchten Kreuzbögen der Daimonen setzte ihnen übel zu, aber sie hielten stand! Endlich!

Der Tunnel, den sie verteidigten, war nur drei Schritt breit. Hier war die Flut der Feinde zum Stehen gekommen. Arcumenna kniete, wie alle Männer rings um ihn herum. Er duckte sich hinter einen Rundschild, auf dem er einen Speer aufstützte. Der Rand des Schilds wies ein ausgefranstes Loch auf. Der Pfeil der Daimonen hatte die Bronze einfach durchschlagen. Zumindest hatte der Schild den Schuss abgefälscht. Ansonsten hätte ihn der Bolzen wohl mitten in die Stirn getroffen.

Blut umspülte Arcumennas Knie. Etliche seiner Männer hatten weniger Glück gehabt. Eine neue Salve Pfeile surrte über den Kopf des Feldherrn hinweg. Einige der kleinen Daimonen hatten fünf oder sechs Pfeile in ihren langen Hemden aus Eisenringen stecken und kämpften immer noch weiter. Es waren exzellente Rüstungen, die sie trugen. Besser als die Bronze- und Leinenpanzer seiner Männer.

Und dennoch zeigte auch ihr andauernder Beschuss Wirkung. Die kleinen Daimonen zogen sich zurück. Das letzte dieser kleinen Ungeheuer hob zum Abschied drohend seine Axt. Er war besonders unansehnlich. Im Gegensatz zu den anderen trug er keinen Bart. Sein Kinn und seine Wangen waren mit hässlichen roten Narben bedeckt. Er schrie ihnen etwas entgegen, wovon Arcumenna kein Wort verstand. Dann verschwand auch er hinter einer Kehre des Tunnels.

Die Daimonen hatten keinen einzigen Toten zurückgelassen, aber die Blutspuren am Boden legten Zeugnis davon ab, dass auch sie gelitten hatten.

Erleichtert und unendlich müde ließ Arcumenna sein Haupt auf den Schildrand sinken.

»Sieg«, knurrte Horatius neben ihm selbstzufrieden.

Arcumenna war da weit weniger optimistisch, beeilte sich aber, die Fehleinschätzung seines Hauptmanns zu bekräftigen. »Sieg!«, rief er mit lauter Stimme, und die erschöpften Männer rings herum griffen seinen Triumphruf auf. »Sieg!«, schallte es aus rauen Kehlen. »Sieg!«

Arcumenna erhob sich von den Knien, weitete die Arme und brachte sie zum Schweigen. »Wir haben die Daimonen aufgehalten, die unsere Stadt niedergebrannt haben. Ihre Drachen sind geflohen, der Himmel über der Stadt gehört wieder uns. Die Ruinen gehören uns. Und nun werden wir uns Tunnel für Tunnel zurückholen!«

Er sah in die müden, rußgeschwärzten Gesichter der Überlebenden. Nicht einmal ein Drittel der Männer waren Krieger. Die übrigen waren Bäcker, Schauerleute, Ruderer und Zuhälter. Gesindel und ehrbare Bürger. Seite an Seite hatten sie die Daimonen mit langen Speeren auf Abstand gehalten. Hatten auf Knien gekämpft, damit die Bogenschützen über ihre Köpfe hinweg freies Schussfeld hatten.

Arcumenna war außer sich vor Zorn über die Daimonen, die sie ihm geschickt hatten. Kleine, missgestaltete Männer mit langen Bärten. Er hatte Geschichten von Frauen gehört, deren Schönheit die Seele verbrannte, wenn ein Mann sie betrachtete. Das traf auf diese Daimonen hier wahrlich nicht zu. Eigentlich sollte er den Devanthar dankbar sein, dass er nur gegen diese niederen Kreaturen hatte kämpfen müssen. Diese Weiber, so hieß es, seien unüberwindlich, sie tauchten ihre verfluchten Schwerter sogar in das Blut der Unsterblichen. Doch statt sich zu freuen, war er verärgert.

»Horatius, du hältst die Stellung, falls sie zurückkehren.«

Der einäugige Hauptmann nickte ergeben.

»Sieh zu, dass die Männer ein wenig ausruhen. Morgen werden wir dieses verfluchte Pack weiter zurücktreiben, bis wir die letzten von ihnen schließlich im Hafen ersäufen.«

Der grimmige Krieger lächelte breit. »So wird es sein, Herr.«

Zufrieden las Arcumenna die Zuversicht in den Gesichtern der Männer, die seine Worte gehört hatten. Sie würden es weitererzählen, würden den Willen der Überlebenden stählen und ihren Hoffnungen neue Nahrung geben. Die Daimonen waren zu besiegen!

»Herr, auch Ihr solltet ein wenig schlafen«, raunte ihm Horatius zu. »Ihr seid unsere schärfste Waffe. Schont Euch!«

Der Hauptmann hatte recht. Er musste mit seinen Kräften haushalten. Arcumenna wandte sich an die Überlebenden. Seine Stimme zitterte vor Erschöpfung, als er sprach: »Ich werde Pläne schmieden für den Untergang dieser kurzbeinigen Brut. Und ich werde dafür sorgen, dass euch Wasser gebracht wird und Brot.«

Die Männer nickten dankbar. Die meisten von ihnen hatten seit Stunden nichts mehr getrunken, und hier, in den Tunneln dicht unter der Stadt, war es heiß wie in einem Backofen. Immer noch brannte die Stadt, und der Fels, auf dem sie stand, hatte die Hitze der Feuersbrünste in sich aufgenommen.

Arcumenna sah ein letztes Mal in Richtung Horatius und bahnte sich dann einen Weg durch die Krieger. Kaum, dass der Tunnel eine Kehre machte, lehnte er sich erschöpft an eine Wand. Seine Beine würden ihm bald den Dienst verweigern. Seine Knie waren trotz der Beinschienen aufgescheuert, und die Kniegelenke schmerzten, als hätten ihm die Daimonen Nägel hineingeschlagen. Er hatte seit zwei Tagen und anderthalb Nächten nicht mehr geschlafen. Sein Alter machte ihm zu schaffen. Auf den Feldzügen seiner Jugend hatte er solche Entbehrungen einfach weggesteckt.