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Der Heermeister hob abwehrend die Hände. »Da sind die unergründlichen Herrscher der Himmel falsch unterrichtet worden. Die Stadt Asugar wurde dem Erdboden gleichgemacht. Wir beherrschen ihre Ruinen und ihren Hafen. Es gibt nur ein paar Höhlen, in denen die Menschenkinder noch Widerstand leisten. Es ist eine Sache von höchstens zwei Tagen, sie auch dort zu besiegen.«

Solaiyn spürte einen stechenden Kopfschmerz. So kündete sich an, wenn der Goldene ihn nutzte, um durch seine Augen zu sehen und durch seine Ohren zu hören. Eine unangenehme Schwäche überkam ihn. Seine Beine zitterten leicht.

Der Elf klatschte in die Hände. »Bringt mir meinen Stuhl!« Dann wandte er sich wieder Hornbori zu. »Gibt es eine Karte von diesen Höhlen?«

Der Zwerg nickte beflissen. »Selbstverständlich, Feldherr. Natürlich konnten wir nur jene Tunnel und Höhlen verzeichnen, in denen wir bereits gekämpft haben …«

Ein prächtiger Lehnstuhl wurde vom Katamaran getragen. Erleichtert nahm Solaiyn darauf Platz. Er konnte die Abneigung der Zwerge fast spüren. Ein bartloser Kerl mit vernarbtem Kinn wagte es sogar auszuspucken. Verdammte, undisziplinierte Bande!

»Bringt den Plan!« Solaiyn fiel das Sprechen bereits schwerer. Der Goldene übernahm ihn immer mehr. Gleich wäre er nur noch Zuschauer bei dem, was geschah. Der Drache würde durch ihn zu den Zwergen sprechen. Und was er zu sagen hatte, würde ganz gewiss nicht dafür sorgen, dass die Zwerge ihn, ihren elfischen Feldherrn, ins Herz schlossen. Solaiyn lächelte zynisch. Auch wenn er in gewissem Sinne nur stummer Gast bei diesem Schauspiel war, blieb ihm wenigstens die Genugtuung, dass er im Gegensatz zu den Zwergen und allen anderen wusste, was geschah.

Hornbori wirkte einen Augenblick lang unschlüssig, fasste sich aber schnell wieder. Er flüsterte einem Krieger aus seinem Gefolge etwas zu, und der Mann entfernte sich, zeigte aber keinerlei Eile.

Solaiyn fühlte sich inzwischen so erschöpft, dass es ihn all seine Kraft kostete, aufrecht in dem Lehnstuhl sitzen zu bleiben. Eisiges Schweigen breitete sich zwischen ihm und der Zwergengesandtschaft aus. Nicht einmal Hornbori versuchte, etwas gegen die unterkühlte Atmosphäre zu unternehmen.

Solaiyn sah seinen Männern zu, wie sie Truhe um Truhe aus dem Katamaran trugen und ein Stück entfernt am Ende der Mole sein Zelt aufschlugen. Es war größer und schöner als jenes, das ihn auf seinem Feldzug in die Eiswüste begleitet hatte. Von tiefem Moosgrün und mit goldenen Stickereien. Eine Farbe, die er stundenlang betrachten konnte und die ihn an die Wälder Arkadiens erinnerte. Auch wurden mehrere kleine Bronzeskulpturen über den Landungssteg getragen. Keine wirklich erstklassigen Arbeiten, und nur eine, ein sehr dynamisch gestalteter Speerwerfer, war höher als einen Schritt. Sie mussten ihm ein ärmlicher Ersatz für die Flure voller Skulpturen in seinem Palast sein, in denen er so gerne lustwandelte.

Er richtete sich mühsam auf, als die Zwerge etwas herantrugen, das wie die Bretterwand eines Schuppens aussah. Deutlich spürte Solaiyn das Befremden des Goldenen, der durch seine Augen sah. Ja, eine leise, sengende Wut begann sich in seine Glieder zu ergießen. Ein Gefühl, als hätte er tief in seinem Innersten Feuer gefangen.

»Was soll das?«, herrschte er die Zwerge an, ohne dass es seine Worte gewesen wären.

Hornbori rollte eine Karte aus und befestigte sie mit zwei Dornen an der Schuppenwand. »Die Menschenkinder haben ein überraschend kluges Tunnelsystem ersonnen, das es schwierig macht, gänzlich in seinen Besitz zu kommen. Hier liegt der Hafen, in dem wir uns nun befinden.« Der Zwerg machte eine kreisende Bewegung um eine riesige Höhle am unteren Ende der Karte. »Verschiedene Treppen und in sanften Spiralen ansteigende Tunnel führen von hier nach oben. Quergänge verbinden diese Aufstiege mit Zisternen, Lagerräumen und ärmlichen Löchern, in denen die Menschenkinder wie Ratten hausen.«

Solaiyn spürte die Anspannung des Goldenen.

Hornbori fuhr mit weit ausgreifenden Gesten über das Labyrinth, das mit Holzkohle auf die Karte skizziert worden war. »Was wir hier sehen, ist jedoch nur eine Hälfte des Höhlensystems.« Er schlug mit der flachen Hand auf die linke Seite des Plans, die auffällig leer war. »Hier gibt es weitere Höhlen. Sie stehen jedoch nicht in Verbindung mit dem Hafen, der unter ihnen liegt. Keiner der Aufgänge, die wir erstürmt haben, führt uns dorthin. Diesen Teil des Labyrinths erreicht man durch Abstiege, die in der brennenden Stadt liegen, und durch einige wenige Quertunnel, die sich nicht tief unter der Oberfläche des Felsens befinden. Diese Quertunnel verteidigen die Menschen mit erstaunlicher Verbissenheit. Nur wenige entschlossene Männer können dort eine ganze Armee aufhalten.«

»Eine Armee von Zwergen«, bemerkte der Goldene bissig.

Ärgerliches Grummeln erhob sich in den Reihen der Krieger und Hauptleute.

»Jede Armee, verehrter Solaiyn«, erklärte Hornbori höflich, aber bestimmt. »Wir müssen uns dort Schritt um Schritt unseren Weg erkämpfen.«

»Und die Schisser von Drachen sind uns keine Hilfe dabei«, empörte sich ein Zwerg mit lichtem, strähnigem Bart. »Sie sind davongeflogen, als sie verstanden haben, dass Siege mit Blut erkauft werden. Die Drachen haben das Kämpfen uns überlassen!«

Solaiyn fragte sich, ob diesem Narr bewusst war, auf welch dünnem Eis er sich bewegte. Er erinnerte sich an den Krieger. Der Zwerg war auf dem Feldzug in der Eiswüste dabei gewesen. Ein Schmied, der in seinem Volk einen widerwilligen Respekt genoss.

»Was hat die Drachen getötet?«, sprach der Goldene über Solaiyns Lippen.

Hornbori machte eine vage Geste. »Das wissen wir nicht.«

»Dann bergt ihre Leichen! Bringt sie in den Hafen und lasst sie nicht im Meer, den Haien zum Fraß!«

»Was ist unsere vordringliche Aufgabe hier, Herr Elf?«, fragte der Zwerg mit dem rot vernarbten Kinn. »Sollen wir diesen Fels erobern oder tote Drachen bestatten?«

»Hüte deine Zunge, Ginnar aus Ishaven!«, empörte sich der Goldene.

»Wir werden die Verteidiger niederringen und dann die toten Drachen bergen«, mischte Hornbori sich ein. »Es wird nur ein paar Stunden dauern, bis wir …«

»Es ist nicht mehr an dir, diese Entscheidung zu treffen, Heermeister«, sagte der Goldene ruhig. Solaiyn ließ hilflos über sich ergehen, wie die Macht des Goldenen ihn zwang, die Hand zu heben und mit den Fingern zu schnippen. »Nodon, überreiche dem Heermeister das Schreiben der Himmelsschlangen.«

Der Schwertmeister überreichte dem Zwerg einen mit goldenem Wachs gesiegelten Brief. »Dort wirst du schriftliche Bestätigung finden, dass du deines Kommandos enthoben bist. Ich übernehme hier nun den Befehl, um euch zum Sieg zu führen. Dir, Hornbori, haben die Himmelsschlangen eine andere Aufgabe übertragen, über die ich nicht unterrichtet wurde. Alle Anweisungen findest du in dem Schreiben. Du darfst dich nun zurückziehen und dich auf deinen Aufbruch vorbereiten.«

Hornbori sah aus, als wäre in ihm etwas zerbrochen. Er straffte sich, nahm das versiegelte Schreiben entgegen und zog sich durch die Reihen seiner Hauptleute zurück. Solaiyn fand die Art, wie der Zwerg verabschiedet wurde, ungebührlich. Die Himmelsschlangen sollten ihre Diener besser behandeln. Er mochte Hornbori nicht sonderlich, und doch hatte er Mitleid mit ihm. Dann wurde Solaiyn bewusst, dass niemand diese Demütigung den Himmelsschlangen anlasten würde. Niemand – außer der Schlangenfrau Aloki – wusste, dass er nicht er selbst war. Nur die Marionette des Goldenen. Alle würden davon sprechen, wie kaltherzig ihr elfischer Heerführer war.

Was scherte ihn das Geschwätz von Zwergen, dachte er, und doch umfing ihn tiefe Melancholie. Er wollte nicht hier sein. Er war kein Heerführer!

Ihm war nur zu bewusst, dass er allein deshalb ausgewählt worden war, weil er es überlebte, wenn der Goldene Besitz von ihm ergriff. Weil die Wunden heilten, die der flammende Verstand des Goldenen tief verborgen in sein Innerstes brannte.