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Er achtete nicht mehr auf die Worte, die über seine Lippen kamen. Es waren ja ohnehin nicht seine. Er träumte von seinen Skulpturengalerien. Von den unvergleichlichen Arbeiten, die der elfische Bildhauer Salhayn erschaffen hatte. Und er träumte von der langen Haarnadel Alokis, die ihm schon bald, wenn er sich in sein Zelt zurückzog, die Schwermut nehmen würde. Sie würde aus ihm abfließen, so wie der Eiter aus einem Furunkel abfloss, den man aufstach.

Feuer mit Feuer

»Wir haben einen Durchbruch zur nächstgelegenen Zisterne«, erklärte der graubärtige Steinmetz. »Barrieren aus Geröll und mit Sand gefüllten Säcken werden das Wasser hierherleiten, sobald wir den Pfropf aus Segeltuch und Teer aus dem Mauerwerk ziehen.«

»Gut!« Arcumenna gab dem Steinmetz einen Klaps auf den staubbedeckten Arm. »Sehr gute Arbeit. Bis der Tag zu Ende ist, werden durch dein Werk mehr Daimonen sterben als durch die Schwerter meiner besten Krieger. Dein Name wird auf immer mit der Geschichte von Asugar verbunden sein.«

Der Alte lächelte verlegen. »Ich hab nur ein Loch in eine Wand geschlagen …«

»Manchmal ist nicht mehr nötig, um zu siegen.«

»Herr!« Horatius trat an seine Seite. »Sie macht Ärger, Herr.«

Arcumenna klopfte dem Steinmetz noch ein weiteres Mal auf den Arm, dann folgte er dem Hauptmann die Treppen hinab. Sie gingen genau den Weg, den schon bald das Wasser nehmen würde. Er hatte mit Shayas Protest gerechnet. Aber der Weg zum Sieg führte durch die Halle der Kranken.

Noch bevor sie das Spital erreichten, rochen sie es. Es stank nach Schweiß, verbrannten Körpern und dem Eiter entzündeter Wunden. Der Weihrauch, der in Räucherschalen abgebrannt wurde, vermochte diese Ausdünstungen des Elends nicht zu überdecken.

Begleitet wurde dieser Odem des nahen Todes von einer Kakophonie aus Schreien, lautem Wehklagen, halb ersticktem Weinen, gezischten Flüchen und sinnlosem Gelalle. Arcumenna war es schleierhaft, wie Shaya es ertragen konnte, an solch einem Ort zu arbeiten.

Die Schrecken des Schlachtfeldes waren ihm nicht fremd. Er blieb stets inmitten seiner Männer, ganz gleich, wie dicht das Getümmel der Krieger war. Doch selten blieb man länger als einen Tag auf einem Schlachtfeld. Shaya hingegen hatte das Spital, das tägliche Elend, als ihre Heimat gewählt. Die Heilerin hatte ein hartes Gesicht, aber sie war durchaus nicht unansehnlich. Er verstand nicht, warum sie nicht den Weg beschritten hatte, den die Natur Frauen vorherbestimmte. Warum hatte sie keinen Mann? Keine Kinder? Und dann waren da die Narben an ihrem Körper. Spuren von Kämpfen. Und die Leichtigkeit, mit der sie sich durchsetzte und anderen ihren Willen aufzwang. Wenn all dies hier vorüber war, würde er sie zu einem fürstlichen Mahl einladen und ihren Geheimnissen nachspüren.

»So ernst ist es dir also«, empfing ihn Shaya inmitten des Spitals. Ein alter Mann in besudelter Tunika schüttete gerade einen Eimer Wasser über den blutverklebten Tisch, neben dem die Heilerin stand. »Hier sind Männer, die so schwer verletzt sind, dass sie es vielleicht nicht überleben werden, wenn man sie die Treppen hinaufträgt.«

»Das ist tragisch, doch ich nehme es in Kauf.«

»Würdest du so reden, wenn dein Sohn hier liegen würde?«

Arcumenna überging, dass sie die Etikette ignorierte. Nicht aber Horatius, der verärgert die Brauen zusammenzog. »Ich habe hier keinen Sohn. Was also zählt eine Antwort auf diese Frage? Wenn du wissen willst, ob es mir leichtfällt, das Leben der Männer zu gefährden, die mir treu gedient haben, so kann ich nur mit Nein antworten. Und genau deshalb habe ich keine andere Wahl. Unsere Verteidiger oben in den Tunneln werden den Angriffen nicht mehr lange standhalten. Uns geht das Essen aus. Die Daimonen werden uns besiegen. Entweder überrennen sie uns oder sie hungern uns aus. In spätestens drei Tagen sind wir alle ihrer Gnade ausgeliefert, wenn ich jetzt nicht handele. Ich sehe nur einen einzigen Weg, die drohende Niederlage abzuwenden. Und dazu brauche ich diese Höhle. Ich werde das Spital also räumen lassen.«

Sie stieß einen langen Seufzer aus. Dann ließ sie den Kopf sinken. »Wir brauchen Tragen. Und ich will verstehen, warum es diese Höhle sein muss. Was ist an ihr so besonders?«

Er nahm sie zur Seite und ging ein paar Schritte mit ihr, bis sie vor einem der vergitterten Schächte im Boden standen. »Dies hier führt bis zur Decke der großen Hafenhöhle hinab. Unsere Höhle hier ist mehr als hundert Schritt lang. Sie zieht sich quer über den mittleren Teil des Hafens. Deshalb ist es hier so feucht, und deshalb haben wir den Raum auch nie als Lager genutzt.« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Wir werden kochendes Olivenöl durch die Schächte leiten und in Brand setzen.«

Er sah, wie sich ihre Augen weiteten. »Du …«

»Das ist erst der Anfang. Hast du jemals erlebt, wie jemand versucht hat, eine Pfanne mit brennendem Öl mit Wasser zu löschen? Wenn sich das Öl im Hafen ausgebreitet hat, werden wir Wasser durch die Schächte leiten. Die Daimonen sind mit Feuer über unsere Stadt gekommen. Wir werden ihnen Feuer mit Feuer vergelten. Nun sollen sie in Flammen sterben. Alle!«

Ein Zischen wie von Bratenfett

Hornbori stand auf der Leiter im Luk der Wilden Sau und blickte zu dem grünen Zelt auf der Hafenmole. Drei Stunden nur hatte es gedauert, alles zu verlieren. All seine Träume waren dahin. In Schande seines Kommandos enthoben! Und darüber hinaus verstand er seinen neuen Befehl nicht. Er sollte sich auf den Weg zu einer Inselgruppe knapp fünfzig Meilen entfernt machen und ein Meeresungeheuer erlegen. Dazu durfte er dreißig Aale aus der Flotte mitnehmen. Dreißig Aale! Was für eine Verschwendung. Mit den tückischen Pfeilen von Galar und Nyr würde ein einziger Aal ausreichen, um dieses Ungeheuer zur Strecke zu bringen! Aber sollte dieser arrogante Elf nur sehen, wie er ohne sie zurechtkam.

Hornbori hatte die besten Schiffe und Mannschaften ausgewählt. Vielleicht waren die halbe Zwergenstreitmacht und ein paar Drachenelfen ja genug, um sich durch die Linien der Verteidiger zu schlagen. Er hätte es auch geschafft!

Wütend schlug er mit der Faust auf den Fassungsring des Luks. Ein oder zwei Tage noch, dann wäre dieser verfluchte Fels sein gewesen! Die Menschenkinder hätten nicht mehr lange durchgehalten. Das spürte er. Er hatte hier die Drecksarbeit gemacht, und dieser verfluchte Elf Solaiyn würde den Ruhm ernten. Das war die Dankbarkeit der Drachen. Er wusste genau, warum ihm das hier geschah. Weil zwei der Sonnendrachen umgekommen waren. »Soll mir nur recht sein«, murmelte er. Sie hatten es sich verdient, und er würde auch in Zukunft dabei helfen, Drachen zu meucheln. Ohne diese Brut war Albenmark besser dran.

»Worauf warten wir?«, drang Ulurs Stimme von unten herauf.

Ja, worauf? Auf ein Wunder? Wieder sah Hornbori zu dem grünen Zelt, das wie eine riesige Laterne leuchtete. Er sah die Schatten der Elfen im Inneren. Würde Solaiyn herauskommen? Würde er ihn doch noch auffordern, gemeinsam die Menschenkinder niederzumachen? Natürlich nicht! Es wäre ein Wunder, wenn sich der Elfenfürst gegen die Befehle der Himmelsschlangen stellte. Aber Solaiyn war verrückt. Vielleicht …

»Wir verpassen die Ebbe«, drängte Ulur.

Überall rechts und links entlang der Mole hatten die ausgesuchten Aale bereits abgelegt. Wie ein Schwarm riesiger, kupferner Fische strebten sie dem Ausgang des Höhlenhafens entgegen. Dem beklemmend weiten Himmel dieser Welt. Fort aus dem Schutz, den ihnen die weite Höhle geboten hatte.

Etwas troff vor ihm auf den Rumpf des Aals und zischte wie Fett in einer Bratenpfanne.

Hornbori kniff die Augen zusammen, um im Halbdunkel zu erkennen, was es war. Es roch nach heißem Öl. Verwundert sah er zur Höhlendecke hinauf. Kochte dort oben jemand?

Jetzt zischte das Wasser links neben der Wilden Sau. Der Zwerg sah sich erstaunt um. Überall im Hafenbecken stiegen kleine Schwaden von Wasserdampf auf. Plötzlich schrie jemand wie am Spieß. Es waren die gellenden, sich überschlagenden Schreie eines Mannes in Todesqualen.