»Ist sich Ärger mit fleckige Leber«, murmelte der Drusnier. »Glaubst du, kann sich verstecken Schicksal von mich in sich Leber von Hahn?«
Artax verstand nicht, was er meinte.
»Sie sagt, hat sich gefunden Zukunft von mich, versteckt in sich Leber von Hahn?«
Der Unsterbliche wusste nicht, was er seinem Freund darauf erwidern sollte. Er hatte nicht einmal im Ansatz verstanden, was für ein Problem Volodi hatte.
»Seit sie hat sich gefunden Leber, liegt sich ein Schatten auf mich. Und ich selbst habe mich meine Ehre besudelt. Und jetzt ist sich Quetzalli nicht hier. Habe ich mich wohl nicht besser verdient.« Er gab den Befehl, die Leinen zu lösen. Einer der dünneren Tentakel des Wolkensammlers senkte sich zu Volodi herab, und der Drusnier griff danach. Er schloss die Augen und sah aus wie jemand, der angestrengt versuchte, geflüsterten Worten zu lauschen.
Das Schiff trieb ein paar Schritt vom Ankerturm fort, dann weitete der Wolkensammler seine Schwingen und flog gen Süden. Nur zwei Frauen standen auf dem Turm. Sie sahen aus wie Dienerinnen. Wild schwenkten sie mit den Armen. Quetzalli und Wanya waren nirgends zu sehen.
Artax hoffte, dass für Volodi alles wieder in Ordnung kommen würde. Vielleicht half eine Trennung ja … Dann dachte er, was für ein Narr er war. Er wusste es besser! Eine Trennung half nicht!
Fast vertrauenswürdig
Quetzalli sah zu, wie der Wolkensammler gegen den Wind drehte und mit kräftigen Flügelschlägen gen Süden strebte. Sie stand im Eingang des Langhauses. Schon mehr als eine Stunde. Sie hatte gesehen, wie Volodi auf dem Hof nach ihr Ausschau gehalten hatte, dann auf der Treppe des Ankerturms und schließlich vom Oberdeck des Wolkenschiffes. Es war das erste Mal, dass sie ihn nicht verabschiedet hatte, wenn er auf eine Reise ging.
Sie kämpfte gegen den Kloß, der ihr im Hals steckte. Gegen das Gefühl, dass ihr die Brust zu eng zum Atmen war. Sie wusste, er würde es auf Anisja schieben. Aber mit dieser Schlampe war sie durch. Dieses falsche Luder mit ihren schweren Titten und dem goldenen Haar würde nie wieder zwischen ihr und ihrem Mann stehen. Dafür hatte Hauptmann Oleg gesorgt.
Sie konnte wegen Wanya nicht hinaus. Sie hätte Volodi gemeinsam mit ihrem kleinen Sohn verabschieden müssen. Doch es ließ sich nicht mehr verheimlichen, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Sie durfte nicht zulassen, dass der ganze Hofstaat ihn sah. Dass es zu Gerede kam … Quetzalli war ratlos. Lange konnte sie dieses Geheimnis nicht mehr wahren. Was sollte sie tun? Der Wolkensammler strebte dem Horizont entgegen und verschwand im Blau des endlosen Himmels. Sie hätte Volodi verabschieden müssen. Sie wusste, dass ihm große Gefahr drohte, dass er vielleicht nicht wiederkommen würde. Am Morgen hatte sie noch einmal einen Hahn geopfert und die Götter nach einem Zeichen befragt. Die Leber dieses Tiers war voller Würmer gewesen. Deutlicher hätte die Antwort der Götter nicht ausfallen können. Volodi war in Gefahr, zu einem Fraß der Würmer zu werden. Dort, irgendwo im Süden würde er dem Tod begegnen.
Quetzalli wand sich ab und trat ins Langhaus. Niedergeschlagen hielt sie den Blick zu Boden gerichtet. Sie wollte mit niemandem sprechen. Sie nahm den kurzen Weg durch die große Halle und trat von dort in den Flur, der zu ihren Gemächern führte. Erst als sie ihre Kammer schon fast erreicht hatte, merkte sie, dass etwas nicht stimmte. Die Wachen, die vor der Tür stehen sollten, waren verschwunden. Und die Tür stand offen!
»Wanya!«, schrie sie auf, zog das Messer aus ihrem Gürtel und rannte los.
Neben der Wiege stand Yuri. Der Heiler hielt ihren Sohn auf dem Arm und wiegte ihn fürsorglich. Doch in seinen Augen lag keine Liebe. »Ihr habt dem Unsterblichen lange nachgeblickt, Herrin«, sagte er höhnisch. »Ich dachte, ich sehe derweil nach dem Kleinen. Ein hübscher Junge.« Er lächelte nachdenklich und legte ihn dann zurück in die Wiege.
Quetzalli hob den Dolch. Sie würde ihm die Kehle aufschlitzen. Leider musste es schnell gehen. Eigentlich sehnte sie sich danach, ihm einen klaffenden Schnitt unter dem Rippenbogen zu setzen und nach seinem schlagenden Herzen zu greifen, es in ihrer Hand zusammenzupressen, bis es erschlaffte. Er hatte sich keinen leichten Tod verdient, dieser überhebliche Bastard.
»Euer Sohn erinnert mich an eine hübsche Blüte, Herrin. Er ist wirklich bezaubernd anzusehen, und er hat etwa so viel Verstand, nicht wahr?«
Sie machte einen Schritt auf ihn zu und hob drohend ihren Dolch.
»Ich habe Oleg heute Morgen ein Kästchen mit einem Brief auf Birkenrinde bringen lassen. Stellt Euch nur vor, Herrin, dieser Tunichtgut von einem Hauptmann kann lesen. Ich war sehr überrascht, als ich davon hörte.«
»Von dem Ungemach, überrascht zu werden, kann ich dich erlösen, Yuri. Endgültig.«
»Ich hatte befürchtet, dass unser Treffen eine solche Wendung nehmen könnte, Herrin. Deshalb steht in dem Brief, wie sehr ich fürchte, dass Ihr mich ermorden werdet, weil ich entdeckt habe, dass Ihr den Sohn des Unsterblichen vergiftet habt. Ich habe auch beschrieben, was er tun soll, um festzustellen, dass sich Wanya nicht wie ein normales Kind verhält.«
Quetzalli trat einen weiteren Schritt vor. Sie setzte dem Heiler die Spitze des Dolches auf die Kehle. »Worte werden dich nicht retten.«
»Er wird dieses Kästchen öffnen, wenn ich es nicht zur Abendstunde abhole, Herrin. Könnt Ihr Euch leisten, dass sich herausstellt, dass ich nicht gelogen habe? Was glaubt Ihr, werden sie mit Euch tun? Ihr wisst, wie viele Euch für eine Hexe halten. In meinem Volk verbrennt man Hexen und streut die Asche in einen Fluss. Glaubt Ihr, sie werden damit warten, bis Volodi zurück ist?«
Quetzalli ließ den Dolch sinken. Diese Art Krieg suchte er also. »Ich könnte die Wachen rufen und behaupten, dass du Wanya ein Leid angetan hast.«
Sein überhebliches Lächeln wurde noch breiter. »Das könntet Ihr, Herrin. Natürlich würde ich entschieden widersprechen. Ich würde ihnen sagen, dass Ihr einen bösen Zauber mit einem Hahn gewirkt habt und Ihr den Jungen Euren Ahnen geopfert habt, wie es in Eurem Volk mit jedem Erstgeborenen geschieht.«
»Unsinn!«, widersprach sie entschieden.
»Vielleicht. Aber hier im Palast leben einfache Menschen, was wissen sie schon über Eure Bräuche, Herrin.«
»Es sind meine Leibwachen. Ein Befehl von mir, und sie legen dir deinen Kopf vor die Füße.«
»Glaubt Ihr? Es sind die Leibwachen Volodis. Euch mag hier keiner. Ich hingegen kenne die meisten dieser Männer schon viele Jahre. Es ist kaum einer dabei, dem ich nicht schon eine Wunde vernäht oder einen Trank gegen Fieber gebraut habe. Mir gegenüber sind sie verpflichtet. Wollt Ihr wirklich auf die Probe stellen, wie sie Euch gegenüber empfinden?« Er wies mit leichter Geste zur Tür hin. »Wie Ihr seht, konnte ich die Wachen einfach fortschicken, weil sie meinem Wort vertrauen. Ruft sie nur. Finden wir heraus, wem von uns beiden sie glauben werden, wenn wir ihnen zwei verschiedene Geschichten darüber erzählen, was Wanya widerfahren ist.«
Quetzalli öffnete den Mund … Dann schloss sie ihn wieder. Es war zu ungewiss, wie ein solcher Streit ausgehen würde. Wenn in ihrem Volk Priestertöchter vermählt wurden, dann nahmen sie stets ein großes Gefolge mit an den Hof ihrer neuen Familie. Dienerinnen und Köche, einen Heiler, einige Leibwächter. Nie war ihr so klar wie in diesem Augenblick gewesen, warum es diese Tradition gab. Volodi liebte sie, daran hegte sie nicht den geringsten Zweifel. Aber er war der Einzige hier, der so für sie empfand. Jetzt, da er fort war, hatte sie hier keine Freunde. Keinen Verbündeten.
Sie war die Herrscherin von Drusna. Aber sie beherrschte hier niemanden. Selbst dieser intrigante alte Heiler besaß mehr Macht am Königshof als sie, wenn Volodi nicht zugegen war, um seine schützende Hand über sie zu halten. Sie hatte zu häufig nur auf Innereien geschaut, statt sich darum zu kümmern, Herzen zu erobern. Das war ein Fehler gewesen. »Was willst du?«, fragte sie frostig.
»Berufe mich auf einen Ehrenplatz an deiner Festtafel. So wird jeder bei Hof sehen, dass mein Ansehen wiederhergestellt ist.«