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Leises Raunen setzte ein. Sie waren noch nie gefragt worden, das wusste Quetzalli. Unsterbliche trafen ihre Entscheidungen einsam. Sie beteiligten höchstens ihre engsten Berater. Ganz sicher aber nicht die einfachen Krieger.

»Ich höre!«, rief sie fordernd.

Yuri redete auf einige der Männer an seiner Seite ein. Lag da Panik in seinem Blick?

Niemand erhob das Wort. Die Entscheidung war gefallen. »Nun denn, Yuri. Tritt aus den Reihen der Männer und nimm den Platz ein, der dir gebührt!« Sie wies auf den leeren Sitzplatz an der Ehrentafel.

Yuri erhob sich. Er schaffte es, ganz wunderbar verlegen zu wirken. Verdammter Heuchler! Sie würde einen Weg finden, ihm diesen erschlichenen Ehrenplatz wieder abzunehmen, schwor sich Quetzalli.

Als Yuri seinen Platz an der Ehrentafel erreichte, setzte er sich nicht. Er sah zu Quetzalli hinauf, und sie hatte das Gefühl, eine Herausforderung in seinem Blick zu sehen. Nur drei oder vier Herzschläge verharrte der Heiler so, maß sie mit kalten, berechnenden Augen, dann wandte er sich zu den Kriegern um. »Dies ist eine der größten Stunden meines Lebens. Mir fehlen die Worte, zu sagen, wie stolz und dankbar ich bin. Also möchte ich meiner Dankbarkeit auf andere Art Ausdruck verleihen.« Er klatschte in die Hände. Eine Geste, die in eklatantem Gegensatz zu seinen bescheidenen Worten stand. »Mascha!«

Eine der Dienerinnen bei den Bratenspießen sah erschrocken auf. Sie war eine ein wenig pummelige Rothaarige, die den Platz von Anisja eingenommen hatte. Quetzalli war sich sicher, dass dieses schlichte Bauernmädchen nicht Volodis Aufmerksamkeit erwecken würde.

»Geh in meine Kammer, Mascha, und hole die Dinge, die ich dort auf den Tisch gelegt habe. Ich möchte sie unserer Herrin schenken.«

Die Dienerin verließ eilig und mit hochrotem Kopf die Halle. Alle Augen lagen auf ihr.

Quetzalli ertappte sich dabei, dass die Finger ihrer rechten Hand auf die Armlehne des Hochsitzes trommelten. Was führte Yuri im Schilde? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass von ihm eine freundliche Geste zu erwarten war. Oder täuschte sie sich in ihm? Würde er ihr die Gnade, die sie ihm erwiesen hatte, mit Loyalität vergelten?

Er sah wieder zu ihr auf. Der Heiler lächelte, doch waren seine Lippen dabei zu einem schmalen Strich zusammengepresst.

Mascha kehrte erstaunlich schnell zurück. Sie trug ein schweres Fell auf beiden Armen. Dazwischen lugte weißes Leinen hervor.

»Sehr gut, Mädchen«, lobte Yuri. »Komm zu mir!«

Leises Murmeln begleitete Mascha auf ihrem Weg zu den Ehrenplätzen. Dem Mädchen stand der blanke Schweiß auf der Stirn. So im Mittelpunkt zu stehen war offensichtlich die reinste Folter für sie. Quetzalli war sich sicher, auch das war Teil von Yuris Plan. Er mochte ein Heiler sein, aber ein Menschenfreund war er ganz gewiss nicht.

Was immer Yuri auch ausgeheckt hatte, er hatte die volle Aufmerksamkeit aller im Saal.

Als Mascha den Heiler erreichte, bedeutete er ihr, vor den Hochsitz zu treten. »Gestattet, Herrin, dass ich Euch diese Geschenke als Zeichen meiner unverbrüchlichen Dankbarkeit zu Füßen lege.« Er versetzte der Dienerin, die wie gelähmt vor Entsetzen war, einen Knuff mit dem Ellenbogen. Offenbar fürchtete sich das Mädchen, ihr auch nur nahe zu kommen.

Schließlich nahm Yuri Mascha die Gaben von den Armen und legte sie vor dem Hochsitz nieder. Dann zog er das Leinen aus dem Fellstapel. Es war ein weißes Kleid, bestickt mit goldenen Ähren und bunten Blüten. »Dies ist ein Gewand, wie es die edelsten Damen unseres Reiches zu großen Festen tragen«, erklärte er. Dann strich er mit der Hand über das schwarze Fell. »Und dies, meine Gebieterin, ist das Fell eines riesigen Schwarzbären, tief aus den Wäldern meiner Heimat. Es ist allein Herrschern vorbehalten, solche Umhänge zu tragen. Legt Eure barbarischen Kleider ab und diese Gewänder an, Herrin. Öffnet Euer Herz für uns. Setzt ein Zeichen und werdet eine von uns!«

Quetzalli verschlug die Dreistigkeit des Heilers schier die Sprache. Wie konnte er es wagen, hier vor den versammelten Getreuen Volodis zu fordern, dass sie diese bäurischen Kleider anlegte. Sie war eine Zapote! In diesen Kleidern würde sie lächerlich aussehen!

»Was meint ihr, Männer? Soll sie eine von uns sein? Werdet ihr sie willkommen heißen?«

Quetzalli traute ihren Ohren nicht. Sie erhob sich von ihrem Hochsitz und wollte etwas sagen, doch das leise Murmeln unter den Kriegern schwoll zu donnernden Rufen an.

»Ehrt uns, Herrin! Seid unsere Fürstin. Ehrt den Großen Bären und Drusna!«, riefen die Krieger durcheinander und stampften dazu mit den Füßen auf den Boden.

Yuri trat an ihre Seite. »Tut es!«, zischte er leise. »Oder ich werde fordern, dass Wanya jeden Abend zum Mahl neben Euch sitzen soll. Die Männer wollen ihren Prinzen sehen. Sie werden keine Ruhe mehr geben, wenn ich einmal damit anfange … Geht Euch umziehen! Dann erspare ich Euch dies.«

Ein Geschmack wie Galle lag in Quetzallis Mund. Dieser verfluchte Bastard hatte sie übertölpelt. Sollte die Gliederfäule ihn befallen! Sollten Maden in seinem schwärenden Fleisch nisten, sollte er in den Wahnsinn gleiten, während er zusah, wie sich das Gewürm an ihm mästete! Sie hob die Arme und gebot den Männern in der Halle zu schweigen.

»Krieger Drusnas!«, rief sie. »Es ehrt mich, dass ihr mich zu einer eures Volkes machen wollt. Voller Stolz sehe ich, wie ihr mir eure Herzen öffnet. Es ist das größte Geschenk, das ich je erhalten habe. Wenn ich nun gehe, wird die Zapote, die eine Fremde an eurem Hof war, für immer verschwinden. Die Frau, die in diese Halle zurückkehrt, wird eine von euch sein.« Sie versuchte, das Beste aus dem zu machen, was Yuri ihr angetan hatte.

»Heil dir, Königin!«, rief ein einzelner Krieger weit unten an der Tafel, und Hunderte Füße stampften auf den Boden, um seine Worte zu unterstreichen.

Sie winkte Mascha. »Trage die Kleider in mein Gemach.«

Dann folgte sie der Dienerin, innerlich zerfressen vor Zorn. Nie zuvor hatte sie sich so gedemütigt gefühlt. Nicht einmal als ihr Bruder ihr verkündet hatte, dass die Priester entschieden hatten, dass sie nur noch Fleisch für die Jaguarmänner wäre.

Das war eine gerechte Strafe für ihre Verfehlungen gewesen. Aber dies hier …

Als sie ihre Kammer erreichte, schickte sie Mascha umgehend hinaus. Keiner von diesen Bauerntrampeln sollte sie nackt sehen! Wütend zog Quetzalli ihr kostbares Gewand aus. Dann nahm sie das Kleid aus Leinen. Die Stickarbeiten waren nicht unterfüttert. Sie würden auf ihrer Haut kratzen. Sie wusste, dass selbst drusnische Näherinnen in der Lage waren, bessere Arbeit zu leisten. Ganz gewiss hatte Yuri nicht die Absicht, dass sie sich in diesem Kleid wohlfühlte. Er musste das hier schon lange geplant haben. Dieses Kleid war gewiss nicht innerhalb weniger Tage entstanden.

Quetzalli streifte es über den Kopf. Es saß erbärmlich schlecht! Die Ärmel waren zu lang, sodass sie halb über ihre Hände reichten. Die Schultern zu weit geschnitten. Sie hätte auch einen Sack tragen können!

Tränen der Wut standen ihr in den Augen. Es gab keinen Weg mehr aus der Falle, in die sie hineingetappt war. Sie musste in den Saal des Langhauses zurück. Und wenn sie nicht diese Gewänder trug, dann würde der unterschwellige Hass der Höflinge in offene Feindschaft gegen die fremde Herrscherin umschlagen. Also musste sie sich auf dieses böse Spiel einlassen.

Sie blieb neben Wanyas Wiege stehen. Ihr Sohn starrte sie aus blicklosen Augen an. Es war das erste Mal, dass sie ihn hasste. Er hatte sie erpressbar gemacht. Ohne ihn wäre sie nicht in dieser verzweifelten Lage.

Sie ballte die Hände zu Fäusten. So fest, dass sich ihre Fingernägel in die Handflächen gruben. Wie konnte sie so denken! Sie musste ihre Gefühle beherrschen. Sie war es, die ihn zu dem gemacht hatte, was er nun war! Ihre Angst! Hätte sie ihm die Hand nicht so fest auf Mund und Nase gepresst, als die Daimonen gekommen waren, alles wäre noch gut. Es war allein ihre Schuld. Eine Schuld, die sie niemals tilgen konnte. Ihr blieb nur noch, ihn zu beschützen. Und deshalb musste sie hinaus in die Festhalle, auch wenn sie sich dort der Lächerlichkeit preisgab.