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Er sah zwei weitere Rückenfinnen in seine Richtung schnellen. Und voraus, aus der Richtung, aus der die Aale kamen, hielt eine dritte Finne auf ihn zu. Er war entdeckt!

Nodon schwamm dem dritten Räuber entgegen. Einen einzelnen mochte er vielleicht besiegen. Vielleicht auch zwei. Doch da war etwas – ein anderer Zauber, der von der Kraft des magischen Netzes zehrte. Ein Zauber, der die Haie der Küste rief, um ihn zu richten.

Von der Magie der Elfen

Schon wieder dieses grauenvolle Geräusch. Hornbori presste sich die Faust zwischen die Zähne und biss zu. Er konnte es nicht mehr ertragen! Das Kreischen sich verziehenden Metalls. Nie hätte er gedacht, dass Wasser Laute so weit tragen würde. Es hatte wieder eines der Boote geschnappt! Wie nah war es schon?

Verzweifelt trat Hornbori in die Kurbelwelle. Er war am Ende seiner Kräfte, so wie alle anderen auch. Zwei seiner Männer waren schon ausgefallen, als sie vor Erschöpfung abgerutscht und mit den Beinen in die Kurbelwelle geraten waren, die sich durch den gesamten Rumpf zog. Nun lagen sie mit zerquetschten Beinen in den Frachtnetzen unter der Decke und wimmerten leise. Die anderen hatten kaum etwas für sie tun können. Die Mannschaft durfte nicht aufhören, die Schiffsschraube anzutreiben. Durfte nicht anhalten!

»Es kann nicht mehr weit sein.« Hornboris Stimme war kraftlos. Sie vermochte kaum das schleifende Quietschen der Kurbelwelle zu übertönen. Keiner seiner Gefährten hatte auch nur die Kraft, den Kopf zu heben.

Das Quietschen des Metalls hallte in Hornboris Ohren nach, begleitet vom dumpfen Geräusch schwerer Schritte. Er ging sehr langsam, ihr Verfolger. Wenn er einen Fuß auf den Meeresboden setzte, gab es ein Geräusch, das mehr im Bauch zu spüren war, als dass man es wirklich hörte.

Anfangs hatten sie über die Schwerfälligkeit des Ungeheuers gespottet. Sie waren ihm in ihren Aalen davongefahren. Waren glücklich gewesen, dem selbstmörderischen Angriff lebend entkommen zu sein. Es war am frühen Abend des Kampftages gewesen, als sie die Schritte zum ersten Mal gehört hatten. Sie waren überrascht gewesen. Alle hatten geglaubt, dass die Bestie die Verfolgung längst aufgegeben hatte.

Hornbori hatte die Boote zusammengerufen. Unter langsamer Fahrt waren die Aale in dichter Formation zusammengekommen. Der Heermeister hatte sich auf dem Rumpf der Wilden Sau stehend mit Ulur und allen anderen Kapitänen beraten. Einige waren dafür gewesen auszuschwärmen. Wenn ihre achtundzwanzig verbliebenen Aale alle in unterschiedliche Richtungen fuhren, dann könnte dieses riesige Ungeheuer nur noch einen einzigen erwischen. Hornbori hatte der Vorschlag nicht gefallen. Er war sich sicher zu wissen, welchem Aal das Vieh folgen würde. Seinem! Zum Glück hatte Ulur die anderen überzeugt, sich nicht zu trennen.

Wohin sollten die Tauchboote auch fahren? Sie alle kannten dieses Meer nicht, waren von den Drachen ausgesetzt worden – ohne Kenntnis von Schlupflöchern oder Wasser- und Nahrungsquellen. Ohne Karten! Zudem wäre eine einzelne Aalbesatzung selbst für Menschenkinder kein unüberwindlicher Gegner. Nur gemeinsam würden sie nach Albenmark zurückkehren können. Und selbst wenn sie Albensterne finden sollten, würden sie dieser verfluchten Welt nicht entkommen. Keiner von ihnen vermochte Zauber zu weben und ihnen einen Weg ins Goldene Netz zu öffnen …. Sie mussten zusammenbleiben oder würden jeder für sich allein untergehen in dieser fremden Welt.

Wieder hatte das Ungeheuer einen Schritt gemacht. Wieder spürte Hornbori den dumpfen Druck im Bauch. Er war sich sicher, dass es jetzt den meisten seiner Gefährten leidtat, dass sie sich nicht getrennt hatten. Lieber verhungern oder verdursten, als noch einmal dieser Kreatur ins Angesicht sehen.

Er trat das linke Bein hinunter. Das rechte wurde von der Kurbelwelle angehoben. Dann wieder das rechte Bein hinuntertreten, in endlosem zermürbenden Gleichklang. Sie hatten sich gründlich verschätzt. Sie durften keine Pause machen, wenn sie den Abstand zum Ungeheuer halten wollten. Die Bestie hingegen schien unermüdlich zu sein.

Zwei Tage und zwei Nächte traten sie nun schon die Kurbelwelle. Aber das Ziel war nun zum Greifen nah. Sie würden sich tief im Fels von Asugar verkriechen. Irgendwann würde das Ungeheuer es aufgeben. Irgendwann …

Ein fremdes Geräusch schreckte Hornbori aus seinen Gedanken, die sich wie die Kurbelwelle unermüdlich um die eigene Achse drehten. Etwas bewegte sich außen an der Hülle des Aals. Waren da Schritte auf den Kupferplatten?

Jemand hämmerte auf das Einstiegsluk.

Er tauschte einen Blick mit Ulur. Der Kapitän sah zur Leiter. »Du gehst«, sagte er matt.

Hornbori empfand es als Erlösung, die Füße von der Kurbelwelle nehmen zu können. Er griff in eines der Staunetze, um sich hochzuziehen. Seine Beine wollten ihn kaum tragen, so stark zitterten sie.

Langsam schleppte er sich an den anderen vorbei.

Wieder hämmerte jemand auf das Luk. Jetzt hörte er auch eine Stimme. Doch die Worte waren nicht zu verstehen. Immerhin hatte der Zwischenfall seine Kameraden aus ihrer Lethargie gerissen. Sie starrten ihn an. Stachelten ihn mit Blicken auf, endlich die Leiter hinaufzusteigen.

Der Heermeister griff nach den von feinem Rost überzogenen Sprossen. Immer noch fühlten sich seine Beine kraftlos an. In beiden Waden kündigten sich Krämpfe an. Er nutzte die Kraft seiner Arme, um sich die schmale Leiter hinaufzuziehen, dann entriegelte er das Luk und öffnete es vorsichtig einen Spalt weit. Frische Seeluft schlug ihm entgegen. Er atmete in tiefen, gierigen Zügen, als eine helle Hand nach dem kupfernen Lukendeckel griff und ihn weit aufriss. Über Hornbori stand ein nackter Elfenkrieger. »Der Hafen ist in der Hand der Feinde. Ihr müsst umkehren!«

Hornbori brauchte einen Augenblick, um den Inhalt der Worte zu erfassen. Zwei Tage lang hatte er an nichts anderes als die Sicherheit der Hafenhöhle gedacht, und nun sollte dieser Weg versperrt sein?

»Ihr müsst umkehren«, wiederholte der Elf noch einmal.

Der Heermeister fühlte sich, als würden im nächsten Moment seine Beine unter ihm nachgeben. Er schob die Ellenbogen über den Rand des Luks und stemmte sich durch die enge Öffnung nach draußen. Das helle Licht blendete ihn nach dem Zwielicht im Inneren des Aals.

Er kroch an Deck, kam wackelig auf die Beine und rutschte auf den nassen Kupferplatten aus.

Der Elf fing ihn auf. Er ging vor ihm in die Knie, sah ihn durchdringend an. Diese schwarzen Augen … Hornbori kannte sie. Das war der Leibwächter des Feldherrn Solaiyn.

»Könnt. Ihr. Mich. Verstehen?« Der Krieger sprach ganz langsam und betonte jede Silbe überdeutlich.

»Natürlich«, grummelte Hornbori. Jetzt erst bemerkte er die Finnen, die das Boot umkreisten. Sieben oder acht … Wie war der Elf all den Haien entkommen?

»Ihr könnt nicht in den Hafen!«

Hornbori wandte sich nach Osten. Am Horizont war das Ungeheuer zu sehen. Nur ein blassblauer Schatten, wie ein ferner Berg. Im Wasser hatten seine Schritte so nah geklungen. Der Zwerg sah nach vorne und stöhnte erleichtert auf. Der rettende Eingang zur Hafengrotte war nur zweihundert Schritt entfernt.

»Wir müssen in den Hafen. Dort werden wir vielleicht sterben. Hier draußen ganz gewiss.«

»Ihr versteht nicht …«, begann der Elf ärgerlich.

»Nein, du bist es, der nicht versteht!« Hornbori deutete zum Horizont. »Das ist kein Wolkenturm oder ein fernes Gebäude. Es ist ein Ungeheuer, groß wie die Klippe, auf der Asugar liegt. Es wird sich jeden von uns holen. Unsere einzige Hoffnung zu überleben sind die tiefsten Höhlen oberhalb der Hafengrotte.«

Der Drachenelf stand auf und blickte zum Horizont, und Hornbori konnte sehen, wie sich etwas im Gesicht des Kriegers verhärtete.

»Ihr habt es hierhergelockt …«, sagte er mit tonloser Stimme.

»Gelockt?«, stieß Hornbori schrill hervor. »Wir werden es nicht los!« Er stampfte mit dem Fuß auf und beugte sich dann über das Luk. »Noch hundertfünfzig Schritt, Männer. Durchhalten! Wir haben es fast geschafft. Allerdings erwarten uns im Hafen die Menschenkinder. Wir werden kämpfen müssen. Doch wir haben Verbündete. Hier oben steht der Drachenelf Solaiyns!« Er wandte sich an Nodon. »Wie viele von euch sind noch übrig? Wo seid ihr? Wir sollten gemeinsam angreifen.«