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»Was ist damit?«, fragte Bast.

Mrs Walsh druckste einen Moment herum. »Sagen wir es so: Es ist vielleicht nicht die vornehmste Gegend. Zumindest keine, in der ich die Räumlichkeiten eines Gewürzhändlers erwarten würde.«

»Wir handeln nicht nur mit Gewürzen«, gab Bast zurück, vielleicht eine Winzigkeit schärfer, als sie es eigentlich gewollt hatte.

Mrs Walsh lächelte weiter, aber Bast spürte trotzdem, dass sie bereits bedauerte, sich überhaupt so weit vorgewagt zu haben. »Schließlich geht es mich auch nichts an«, sagte sie. Bast sah, wie sie innerlich mit sich kämpfte, zu einem Entschluss kam und ihr dann so fest es in die Augen blickte, wie sie es nur konnte. »Darf ich Ihnen trotzdem einen Rat geben, mein Kind?«

»Sicher«, antwortete Bast.

»Wie gesagt, es geht mich nichts an, und Sie müssen auch nicht auf mich hören, aber wenn Sie es trotzdem wollen, dann nehmen Sie den guten Rat einer alten Frau an und fangen erst morgen mit der Suche nach Ihrer Freundin an.«

»Warum?«

»Weil diese Straße in einem Viertel liegt, in dem sich eine anständige Frau nicht nach Dunkelwerden zeigen sollte«, antwortete Mrs Walsh. Wie bei ihrer Begrüßung trat bei dem Wort »anständig« ein verkniffener Zug in ihr Gesicht, und die Falten um ihre Mundwinkel wirkten härter.

Bast erschrak innerlich, wenn auch aus einem anderen Grund, als Mrs Walsh dies annehmen mochte. Konnte es sein, dass Isis ...?

Nein, das war unmöglich.

»Wer sagt Ihnen denn, dass ich eine anständige Frau bin?«, fragte sie lächelnd.

»Meine Augen, mein Kind«, sagte Mrs Walsh mit einem neuerlichen, diesmal sehr gutmütigen Lächeln. »Und die Erfahrung eines langen Lebens.« Sie hob abwehrend die Hand, als Bast etwas sagen wollte. »Aber Sie sind nun einmal auch eine Frau von einem ... exotischen Äußeren, und das könnte nur zu leicht dazu führen, dass gewisse Männer ...« Jetzt spiegelte sich deutliche Verlegenheit auf ihrem Gesicht. Sie wusste ganz offensichtlich nicht, wie sie fortfahren sollte, ohne dabei Worte zu benutzen, die sich für eine anständige Frau nicht geziemten.

»... falsche Rückschlüsse ziehen?«, half Bast lächelnd aus.

»Ja«, sagte Mrs Walsh ernst. »Zumindest in dieser Gegend, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Bast verstand nur zu gut. Und sie erschrak erneut und noch mehr. Isis war schon immer die Klügere und Überlegenere von ihnen beiden gewesen, zugleich aber auch die, die sich in gewissen Situationen nicht so gut in der Gewalt hatte, wie es manchmal angezeigt gewesen wäre. Sie zerbrach sich den Kopf über eine entsprechende Antwort, die sowohl Mrs Walsh als auch sie selbst beruhigt hätte, doch ihre Wirtin nahm ihr die Mühe ab, indem sie eine angedeutete, aber eindeutig wegwerfende Handbewegung machte, mit der sie das Thema offensichtlich für abgeschlossen erklärte.

»Verzeihen Sie einer neugierigen alten Frau, wenn sie eine Frage stellt?«, fragte sie.

»Ich weiß nicht, wen Sie mit ›alt‹ meinen«, antwortete Bast lächelnd, »aber bitte.«

Mrs Walsh überging die Bemerkung. »Woher kommen Sie, meine Liebe? Ich meine: Jacob hat zuletzt Kairo angelaufen, wenn ich richtig informiert bin, aber Sie sehen nicht aus wie eine ...«

»... Ägypterin?« Bast lächelte unerschütterlich weiter. »Weil ich schwarz bin.« Bast lachte, aber Mrs Walsh nickte nur und schüttelte gleich darauf den Kopf.

»Ja. Nein ... ich meine: Ja, Sie ... sind schwarz, aber Sie sehen irgendwie nicht so aus wie ...« Sie brach ab - nun doch sichtlich verlegen - und wusste für den Moment nicht mehr, wohin mit ihrem Blick.

»... wie eine Negerin?«, half Bast aus. »Breite Nüstern, dicke Lippen und einen goldenen Ring durch die Nase?« Sie schüttelte mit einem leisen Lachen den Kopf. »Stimmt. Ich bin Nubierin.«

»Aha«, sagte Mrs Walsh. Es klang genau wie »nie gehört«.

»Unsere Vorfahren haben nilaufwärts gelebt, aber das ist schon lange her. Zur Zeit der Pharaonen. Seither gehören wir offiziell zu den Ägyptern.«

»Aha«, sagte Mrs Walsh noch einmal.

»Jedenfalls haben Sie recht«, fuhr Bast fort. »Nubier sehen nicht aus wie Schwarzafrikaner, sondern eher wie Europäer. Nur dass sie schwarz sind. Was sie übrigens auch von den meisten zentralafrikanischen Völkern unterscheidet.«

»Wieso?«

»Sehen Sie mich an, und Sie wissen die Antwort«, sagte sie. »Die meisten Schwarzen sind nicht schwarz, sondern dunkelbraun.«

»Sie sind schwarz«, beharrte Mrs Walsh. Inzwischen war nicht mehr zu übersehen, wie unangenehm ihr das Thema geworden war. Wahrscheinlich bedauerte sie längst, es überhaupt angesprochen zu haben.

»Ich bin ja auch eine Nubierin«, antwortete Bast lächelnd. Sie nippte an ihrem Tee. Er war brühheiß und schmeckte köstlich. Mrs Walsh hatte irgendein Gewürz hineingegeben, das sie nicht genau erkannte, dem Getränk aber einen ganz wunderbaren Beigeschmack verlieh. »Ich kenne mich in dieser Hinsicht nicht so aus, wie ich es vielleicht sollte, muss ich gestehen. Aber es ist so, dass mein Volk zwar schwarze Haut, aber eindeutig europäische Wurzeln zu haben scheint. Sie sind nicht die Erste, die mit ... sagen wir, Verwunderung darauf reagiert.«

Mrs Walsh nickte ein bisschen nervös und suchte sichtlich nach irgendetwas, womit sie unverfänglich auf ein anderes Thema überleiten konnte. In diesem Moment erklang hinter ihr das leise Tappen weicher Pfoten, gefolgt von einem fast kläglichen Maunzen. Mrs Walsh runzelte die Stirn und beugte sich in ihrem Sessel zur Seite, um an ihr vorbeisehen zu können, und Bast drehte sich halb herum und blickte in die entsprechende Richtung, obwohl es nicht nötig gewesen wäre.

Mrs Walsh hatte die Tür zur Küche nicht ganz geschlossen, als sie hereingekommen war, und eine schlanke, pechschwarze Katze war durch den schmalen Spalt hereingeschlüpft und auf halber Strecke zum Kamin stehen geblieben. Es war ein sehr schönes Tier, klein, aber von kräftigem Wuchs und mit einem prachtvollen, dichten Fell, dessen matter Glanz seine Gesundheit und Kraft verriet. Seine bernsteingelben Augen blickten sehr aufmerksam in Basts Richtung. Es maunzte noch einmal in vollkommen anderer Tonlage, bevor es mit wiegenden Schritten und steil erhobenem Schwanz langsam näher kam.

»Cleopatra, was tust du hier?«, wunderte sich Mrs Walsh. »Du weißt doch, dass du im Salon nichts zu suchen hast.«

»Cleopatra?«, wiederholte Bast.

»Ich fand den Namen passend, als ich sie damals aufgenommen habe«, antwortete Mrs Walsh. »Das heißt: Eigentlich habe ich sie gar nicht aufgenommen. Sie ist eine kleine Streunerin, wissen Sie? Eines Tages stand sie einfach vor der Tür und hat so laut gemaunzt, bis ich sie hereingelassen habe, und seither scheint sie einen Narren an mir gefressen zu haben.« Sie lächelte flüchtig. »Oder vielleicht auch nur an meinen Küchenabfällen.«

»Ich verstehe«, sagte Bast. »Sie glauben, Kleopatra wäre eine Streunerin gewesen?« Gleichzeitig beugte sie sich leicht in ihrem Sessel vor und streckte die Hand aus. Die schwarze Katze hielt für einen Moment inne, sah sie wieder auf diese sonderbare Art aus ihren großen, leuchtend gelben Augen an und kam dann mit gesenktem Kopf und laut schnurrend näher. Ein Ausdruck von Erstaunen erschien auf Mrs Walshs Gesicht.

»Nein«, sagte sie, ohne die näher kommende Katze dabei aus den Augen zu lassen. Sie wirkte ehrlich verblüfft. »Aber heißt es nicht, dass Katzen im alten Ägypten heilige Tiere gewesen sind?«

»Das ist wahr«, antwortete Bast, während sie leicht die Finger rieb, um das Tier weiter anzulocken. Aber Kleopatra hat Katzen gehasst. Sie hatte schon Erstickungsanfälle bekommen, wenn sich ihr ein solches Tier auch nur auf zwanzig Schritte Entfernung genähert hatte. Sie hielt die Hand jetzt still, um der Katze Gelegenheit zu geben, vorsichtig an ihren Fingern zu schnuppern, was diese auch etliche Momente lang ausgiebig tat. Dann maunzte sie hörbar, ließ sich auf den Rücken fallen und wälzte sich genießerisch auf Basts Mantel, den sie neben sich auf den Boden gelegt hatte, während sie selbst ihr behutsam Bauch und Hals kraulte.