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Ich sagte:»Mit den Fotokopien allein könnte man Oliver Quigley und Caspar Harvey, die Trader, die Tag und Nacht nach dem Material suchen, zur Raserei bringen. Die Originale sind die gesammelten Werke des verblichenen Traders George Loricroft. Es handelt sich um Bestellungen, die er vorwiegend auf deutschen Rennbahnen von Kunden entgegengenommen hat, mit denen er zu diesem Zweck dort verabredet war. Wäre er nicht gestorben, hätte er die Bestellungen der Reihe nach Personen zugeleitet, die sie entweder selbst ausführen oder zur Ausführung an Dritte weitergeben konnten. Ich nehme an, der Inhalt dieser Hefter ändert sich ständig — manchmal wird die Ware knapp sein, aber hier haben wir immerhin vierzehn Bestellungen. «Ich hielt kurz inne.»Belladonna Harvey«, sagte ich,»weiß nicht, was da gespielt wird. Auch mein Arbeitskollege Kris Ironside nicht. Wenn Sie Einfluß haben auf diejenigen, deren Sache es ist, den Trader-Ring zu zerschlagen, sorgen Sie nach Möglichkeit bitte dafür, daß die beiden keine Schwierigkeiten bekommen.«

Meine» Kontakte «sagten, sie würden es versuchen, aber ich nahm an, selbst wenn es ihnen gelang, hatte ich ein für allemal zwei Freunde verloren.

Ich betrachtete John Rupert und Geist mit Respekt und wachsender Zuneigung. Nur wenige Menschen opferten ihre Zeit wie sie, indem sie unbemerkt ein Doppelleben führten. Als hegte er ähnliche Gefühle auch für mich, sagte Geist auf einmal, er hoffe, wir kämen eines Tages wirklich dazu, das Unwetterbuch zu schreiben.

«Das solltet ihr auch, bei dem Riesenvorschuß«, meinte John Rupert ironisch.

Aus einem plötzlichen Drang heraus brach Geist alle Regeln der Geheimhaltung.»Perry«, sagte er, sein Gesicht voll persönlicher Sympathie und beruflicher Indiskretion,»machen Sie sich keine Gedanken. Ihre Freunde werden sehr wahrscheinlich nicht belangt. Auch Harvey und Quigley nicht, es sei denn, sie machen eine Dummheit. Unser Dienstvorgesetzter hat beschlossen, die beiden zwecks Neuanfang zu lassen, wo sie sind. Eigentlich geht es uns bei der Trading Company um das, was Sie uns hier geliefert haben, die schriftlichen Aufstellungen des Materials, für das sie Anbieter oder Kunden haben. Bekommen wir eine solche Liste in die Hand — Ihre hier ist reines Gold —, dann leiten wir die einzelnen Bestellungen, die Bestandteile des Pakets an unsere Kollegen in Deutschland weiter oder wo die Sache nun läuft, und die schlagen zu, lassen den Laden hochgehen oder tun, was immer sie für richtig halten. Wir, John Rupert und ich und einige andere, sehen es als unsere Aufgabe an, Trader (oder wie sie sich dieser Tage gerade nennen) zu identifizieren und ihnen, wenn sie identifiziert sind, ihre Bestellungen oder Kopien davon abzuluchsen, nach Möglichkeit, ohne daß sie es merken. Sehr oft lassen wir die Mittler unbehelligt, damit wir uns noch einmal an sie halten können. Die deutschen Briefe, die Sie da entdeckt haben, werden ihre Schreiber, die Anbieter und Kaufinteressenten, vor Gericht bringen oder aus dem Geschäft werfen, zum Teil auch gewaltsam, und das angebotene Material kommt unter Verschluß. Belege zu sammeln wie die, die Sie uns hier überlassen haben, das ist unser Job. So vereiteln wir Waffengewalt schon im Stadium der Planung. Man kann keine Atombombe bauen, wenn man nicht an die heiße Ware herankommt.«

Er schwieg, aber nicht aus Bedauern darüber, daß er geredet hatte, eher aus Befriedigung.

John Rupert, von dem ich eigentlich erwartet hätte, er würde eine solche Offenherzigkeit mißbilligen oder versuchen, sie mit dem Hinweis auf die Geheimhaltungspflicht zu unterbinden — sogar John Rupert nickte beifällig.

«Sie sehen also, daß wir mehr über Uran und das alles wissen, als wir zugeben«, gestand er.»Wir schützen uns durch vorgeschützte Unkenntnis. Wir wollten Sie schon am Freitag im Krankenhaus einweihen. Unser Dienstvorgesetzter wird nicht darüber erbaut sein, daß wir es getan haben.«

«Verschweigen Sie es ihm«, sagte ich.

Ich drückte ihnen nacheinander die Hand, warm und verbindlich.

John Rupert sagte:»Was uns immer interessiert, sind brandheiße Briefe wie die in dem Hefter, der Sie damals zu uns geführt hat. Die vielen fremden Sprachen!«

«Diese Briefe sind unseres Wissens noch nicht wiederaufgetaucht«, sagte Geist.»Die müssen so heikel sein, daß sie jemand unter Verschluß hält. Würde mich nicht wundern, wenn die genau wieder da wären, wo sie gewesen sind.«

John Rupert konnte darüber nicht lachen. Ohne darauf einzugehen, sagte er:»Die Regierungen in Rußland, Deutschland und natürlich noch in vielen anderen Ländern haben mit dem internationalen Terrorismus zu kämpfen, und sie verurteilen den Staatsterrorismus. Die Informationen, die wir ihnen schicken, sind ihnen willkommen. Wir wissen nie genau, welche Sabotage, welche Erpressung wir damit verhindern, doch man weiß sich bei uns zu bedanken.«

«Aber«, wandte Geist ein,»erinnern Sie sich an den Mann in den Everglades, von dem wir Ihnen erzählt haben.«

«Der erschossen wurde, weil er zu viel gesehen hatte?«

«Genau«, sagte Geist.»Den kannten wir. Seien Sie also auf der Hut, Perry. Die Mittelsleute sind zwar nicht immer gefährlich, wie Sie wissen, aber die eigentlichen Bombenhändler, diejenigen, die das angereicherte Uran selbst anfordern, die sind es fast immer.«

Bevor ich irgend etwas versprechen konnte, holte mich netterweise der Mann vom Sonderservice ab, trug im Laufschritt meine Reisetasche vor mir her und sagte, außer mir seien bereits alle Passagiere an Bord des Flugzeugs.

Ich winkte John Rupert und meinem Ghostwriter kurz zu. Sie hatten meine Vermutungen voll und ganz bestätigt. Die Trader waren Mittelsleute, und Leute wie John Rupert und Geist hatten die Aufgabe, an die Mittelsleute heranzukommen. Ich tauchte in das brummende Motorengeräusch des beinah vollbesetzten Flugzeugs ein, sah die vielsagen-den Blicke, die Rippenstöße, die umgingen, und fragte mich, wieviel Millionen Jahre wohl die Halbwertzeit eines Mittelsleutejägers betrug.

Der Sonderservice hatte sich selbst übertroffen, indem er dafür sorgte, daß in Miami ein Mietwagen für mich bereitstand, und der hatte als zusätzliches unverhofftes Plus dann auch noch ein sprechendes Navigationssystem.»An der nächsten Kreuzung geht es links ab zum Federal Highway nach Sand Dollar Beach.«

Ich spielte an den Knöpfen des Radios und fand einen Sender, der mit dem kommenden Wetter befaßt war.

Unerhört schnell ratterte der Sprecher drauflos:»Ein Nachlassen und eine Richtungsänderung der Höhenwinde über der westlichen Karibik haben zu einer Stärkung des weiter östlich liegenden Tiefs geführt, das, wie wir soeben erfahren, jetzt offiziell als tropischer Sturm Sheila bezeichnet wird, mit Durchschnittswinden von über achtzig Stundenkilometern. Die Koordinaten von Sheila waren heute nachmittag um 16 Uhr östlicher Standardzeit 16 Grad Nord, 78 West; sie zieht mit etwa 15 Kilometern die Stunde in nordwestlicher Richtung. Nach diesem Überblick nun zum Regionalwetter.«

Es hörte sich an, als wollte der Sprecher den Wetterbericht möglichst rasch hinter sich bringen, um wieder zur Werbung zu gelangen, die als Einnahmequelle des Senders freilich wichtiger war als das Aufziehen irgendwelcher Sturmböen.

Nach den genannten Koordinaten lag Sheila gut 600 Kilometer südöstlich von Grand Cayman; da brauchten Michael und Amy Ford noch keine Sperrholzplatten zur Seewasserabwehr an ihr Riesenhaus zu nageln.

Ich schaltete zurück.

«Bleiben Sie auf dem Federal Highway bis zur nächsten Kreuzung, und biegen Sie an der ersten Ausfahrt dahinter links ab…«

Der Wagen brachte mich zur richtigen Straße, und mein Zahlengedächtnis brachte mich zu Robin Darcys feudalem Haus.

Inzwischen war es dunkel. Ich drückte auf die Klingel mit dem Gefühl, in einen Abgrund zu springen.

Nicht Robin kam an die mittelalterlich massive Haustür.

Es war Evelyn, die — schlank in bodenlangem Schwarz und mit langen farbigen und weißen Perlenketten geschmückt — offensichtlich jemand anders erwartet hatte. Ihr Begrüßungslächeln gefror zu einem scharfen Blick, mit dem sie mich vom Scheitel bis zur Sohle musterte, während sie sich widerwillig eingestand, daß sie wußte, wer ich war, und daß sie mich vor drei Wochen in ihrem Haus zu Gast gehabt hatte, so leid ihr das jetzt tat.»Perry Stuart«, sagte sie vorwurfsvoll,»weshalb sind Sie hier? Robin erwartet Sie doch sicher nicht.«