- es war ein Anblick wie aus einem Albtraum.
Unglücklicherweise waren die Medien - wie üblich - vor der Feuerwehr am Ort des Geschehens eingetroffen. Sie hatten ausgiebig Videoaufnahmen gemacht, bevor die Feuerwehrleute die Kirche räumen konnten. Als sie den Toten endlich heruntergeschnitten und zu Boden gelegt hatten, gab es keinen Zweifel mehr an seiner Identität.
»Kardinal Guidera«, flüsterte einer von ihnen. »Aus Barcelona.«
Der Tote war nackt. Die untere Hälfte seines Körpers war rotschwarz, und Blut troff aus aufgeplatztem Gewebe an den Oberschenkeln. Die Schienbeine lagen offen. Einer der Feuerwehrleute übergab sich. Ein anderer ging nach draußen, um Luft zu schöpfen.
Das wirklich Grässliche war das Brandmal auf der Brust des toten Kardinals. Der Einsatzleiter der pompieri umrundete den Toten in stummem Entsetzen. Lavoro del diavolo, dachte er bei sich. Das Werk des Teufels. Zum ersten Mal seit seiner Kindheit
bekreuzigte er sich.
»Un altro corpo!«, rief einer der Feuerwehrleute. Sie hatten einen weiteren Leichnam gefunden.
Der zweite Tote war ein Mann, den der Einsatzleiter sofort erkannte. Der strenge Kommandant der päpstlichen Schweizergarde war bei den römischen Beamten und Offiziellen nicht gerade beliebt. Der Einsatzleiter rief beim Vatikan an, doch sämtliche Leitungen waren belegt. Er wusste, dass es keine Rolle spielte - die Schweizergardisten würden in wenigen Minuten durch das Fernsehen vom Tod ihres Kommandanten erfahren.
Noch während der Einsatzleiter versuchte, die Schäden abzuschätzen und zu rekonstruieren, was sich möglicherweise ereignet hatte, bemerkte er eine Nische, die von Einschusslöchern förmlich übersät war. Ein Sarkophag war -anscheinend im Verlauf eines Kampfes - von seinen Stützen gekippt und lag kopfüber auf dem Boden. Es war ein einziges Chaos. Sollen sich die Polizei und der Apostolische Stuhl darum kümmern, dachte der Einsatzleiter und wollte sich abwenden.
Mitten in der Bewegung stockte er. Aus dem Sarkophag war ein Geräusch erklungen - ein Geräusch, das kein Feuerwehrmann gerne hörte.
»Bomba!«, brüllte er seinen Leuten zu. »Tuttifuori!«
Als das Bombenkommando den Sarkophag einige Zeit später umdrehte, entdeckte es die Ursache für das elektronische Piepsen. Sie starrten auf den reglosen Mann mit der Mickey-Mouse-Uhr.
»Medico!«, rief schließlich einer von ihnen. »Holt einen Notarzt!«
Kapitel 99.
Gibt es bereits eine Nachricht von Olivetti?«, fragte der Camerlengo müde, als Hauptmann Rocher ihn von der Sixtinischen Kapelle zurück ins Amtszimmer des Papstes begleitete.
»Nein, Monsignore. Ich befürchte das Schlimmste.«
Sie kamen vor der hohen Tür an. »Hauptmann, heute Abend kann ich hier nichts mehr tun.« Die Stimme des Camerlengos klang bedrückt. »Ich fürchte, ich habe bereits viel zu viel getan. Ich werde nun in dieses Zimmer gehen und beten. Ich wünsche nicht gestört zu werden. Alles andere liegt in Gottes Hand.«
»Jawohl, Monsignore.«
»Es ist schon spät, Hauptmann. Finden Sie diesen Behälter.«
»Unsere Suche dauert an, Monsignore.« Rocher zögerte. »Die Waffe ist allem Anschein nach zu gut verborgen.«
Der Camerlengo zuckte zusammen, als wäre dieser Gedanke unerträglich. »Ja. Ich möchte, dass Sie um genau dreiundzwanzig Uhr fünfzehn mit der Evakuierung der Kardinale beginnen, falls diese Kirche bis dahin noch immer in Gefahr ist. Ich lege die Sicherheit der Kardinale in Ihre Hände, Hauptmann. Führen Sie diese Männer mit Würde aus der Kapelle. Führen Sie sie hinaus auf den Petersplatz, und kssen Sie sie dort mit der ganzen Welt vereint stehen. Ich möchte nicht, dass das letzte Bild dieser Kirche verängstigte alte Männer sind, die verstohlen aus einer Hintertür schleichen.«
»Jawohl, Monsignore. Wie steht es mit Ihnen? Soll ich Sie ebenfalls zu dieser Zeit holen?«
»Das wird nicht nötig sein.«
»Monsignore?«
»Ich werde gehen, sobald mich der göttliche Geist dazu anleitet.«
Rocher fragte sich, ob der Camerlengo vorhatte, mit dem sinkenden Schiff unterzugehen.
Der Camerlengo öffnete die Tür zum Amtszimmer und trat ein. »Offen gestanden.«, sagte er und wandte sich zu Rocher um, ». offen gestanden wäre da noch eine Sache, Hauptmann.«
»Monsignore?«
»Es scheint ein wenig kühl heute Nacht in diesem Raum. Ich friere.«
»Die elektrische Heizung ist aus, Monsignore. Ich werde Ihnen ein Feuer im Kamin machen.«
Der Camerlengo lächelte müde. »Danke sehr, Hauptmann. Ich danke Ihnen wirklich sehr.«
Rocher ließ den Camerlengo im Amtszimmer des Papstes allein, wo er vor einer kleinen Statue der heiligen Mutter Gottes im Schein des flackernden Kaminfeuers kniete und betete. Es war ein unheimlicher Anblick - ein schwarzer Schatten, der sich im unsteten Licht zu bewegen schien.
Rocher marschierte durch den Korridor. Ein Offizier erschien; er rannte Rocher entgegen. Selbst im Kerzenlicht erkannte Rocher den Leutnant. Chartrand, jung, unerfahren und eifrig.
»Hauptmann!«, rief Chartrand ihm zu und streckte ihm ein Mobiltelefon hin. »Ich glaube, die Ansprache des Camerlengos hat funktioniert! Wir haben einen Anrufer in der Leitung, der behauptet, er besäße Informationen, die uns weiterhelfen könnten. Er hat auf einer der Geheimnummern des Vatikans angerufen! Ich weiß nicht, wie er an die Nummer gekommen ist.«
Rocher erstarrte. »Was?«
»Er will nur mit dem kommandierenden Offizier der Garde sprechen.«
»Irgendwelche Neuigkeiten von Oberst Olivetti?«
»Nein, Herr Hauptmann.«
Rocher nahm das Telefon entgegen. »Hier Hauptmann Rocher. Ich bin der kommandierende Offizier.«
»Rocher«, sagte eine Stimme am anderen Ende. »Ich werde Ihnen erklären, wer ich bin. Und dann werde ich Ihnen sagen, was Sie als Nächstes tun.«
Als der Anrufer geendet und aufgelegt hatte, stand Richer wie erstarrt. Doch nun wusste er, von wem er Befehle entgegennahm.
In CERN versuchte Sylvie Baudeloque verzweifelt, sämtliche Lizenzanfragen zu bearbeiten, die auf Kohlers Anschluss hereinkamen. Als der private Apparat auf dem Schreibtisch des Generaldirektors läutete, zuckte sie erschrocken zusammen. Niemand hatte diese Nummer. Sie nahm ab.
»Ja?«
»Miss Baudeloque? Hier ist Kohler. Rufen Sie meinen Piloten an. Mein Jet muss in fünf Minuten startbereit sein.«
Kapitel 100.
Als Robert Langdon die Augen aufschlug, wusste er nicht, wo er sich befand oder wie lange er bewusstlos gewesen war. Er starrte hinauf zu einer barocken Freskenkuppel. Rauch hing in der Luft. Irgendetwas bedeckte seinen Mund - eine Sauerstoffmaske. Er zog sie vom Gesicht. Ein grässlicher Gestank stieg ihm in die Nase, wie von verbranntem Fleisch.
Langdon zuckte zusammen, als er den pochenden Schmerz in seinem Kopf bemerkte. Er versuchte sich aufzusetzen. Ein Mann in einem weißen Kittel kniete neben ihm.
»Riposati«, sagte der Mann und drückte Langdon sanft zurück. »Sono ilparamedico.«
Langdon ergab sich in sein Schicksal. In seinem Kopf drehte sich alles. Was ist passiert? Die flüchtige Erinnerung an Panik trieb durch seinen Verstand.
»Sorcio salvatore«, sagte der Arzt. »Maus, gerettet dich.«
Langdon verstand überhaupt nichts mehr. Die Maus hat mich gerettet?
Der Mann deutete auf die Mickey-Mouse-Uhr an Langdons Handgelenk. Langdon begriff allmählich. Er erinnerte sich, dass er den Alarm eingestellt hatte. Er starrte abwesend auf das bunte Zifferblatt und bemerkte die Uhrzeit. Zweiundzwanzig Uhr achtundzwanzig.