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die Beine zu beiden Seiten in den Boden, griff nach unten und packte die Ketten, die um den Kardinal gewickelt waren. Dann zog er mit aller Kraft. Das Gesicht des alten Mannes tauchte auf. Seine Augen waren nach oben verdreht und quollen hervor kein gutes Zeichen. Er atmete nicht mehr, und Langdon fand keinen Puls.

Langdon wusste, dass er nicht genügend Kraft besaß, um den Kardinal mit seinen Fesseln über den Beckenrand zu wuchten, daher zog er ihn durch das Wasser zu einer flachen, geneigten Stelle unter der zentralen Marmorskulptur. Langdon zog ihn so weit aus dem Wasser, wie er konnte.

Dann machte er sich an die Arbeit. Er drückte die von Ketten umhüllte Brust des Kardinals zusammen, um das Wasser aus den Lungen zu pressen, und begann mit einer Mund zu MundBeatmung. Er zählte sorgfältig und widersetzte sich dem Instinkt, zu schnell und zu fest zu blasen. Drei Minuten lang versuchte Langdon, den alten Mann wieder zu beleben. Nach fünf Minuten wusste er, dass es vorbei war.

Ilpreferito. Der Mann, der zum Papst gewählt werden sollte, lag tot vor ihm.

Irgendwie strahlte Kardinal Baggia selbst jetzt noch, im Schatten und halb im Wasser liegend, eine stille Würde aus. Das Wasser schwappte leise über seine Brust, beinahe reuevoll. als suchte es um Vergebung, weil es für den Tod des Mannes verantwortlich war. als versuchte es, die verbrannte Haut der Wunde reinzuwaschen, die seinen Namen trug.

Sanft fuhr Langdon mit der Hand über das Gesicht des Toten und schloss seine Lider. Dabei spürte er zu seiner eigenen Überraschung, wie Tränen in ihm aufstiegen. Zum ersten Mal seit Jahren weinte er.

Kapitel 105.

Der Nebel erschöpfter Emotionen lichtete sich langsam, als Langdon von dem Toten weg und in tieferes Wasser watete. Völlig verausgabt rechnete er beinahe damit, das Bewusstsein zu verlieren. Dann aber stieg neue Entschlossenheit in ihm auf. Unaufhaltsam. Er spürte, wie seine Muskeln sich verhärteten. Sein Verstand verdrängte den Schmerz n seinem Herzen und ließ ihn an die einzige Aufgabe denken, die jetzt noch zählte.

Finde das Nest der Illuminati. Rette Vittoria.

Er wandte sich zur gewaltigen Skulptur Berninis um und schöpfte neue Hoffnung, während er nach dem letzten Wegweiser suchte, v)n dem er wusste, dass er irgendwo unter dieser Masse ineinander verschlungener Figuren verborgen sein musste. Dann sank seine Hoffnung erneut. Die Worte von Miltons Poem klangen mit einem Mal wie Spott in seinen Ohren.

Let angels guide you on your lofty qiest. Langdon funkelte die Skulptur an. Der Brunnen ist heidnisch! Nirgendwo war ein einziger Engel zu sehen!

Nachdem er seine fruchtlose Suche vervollständigt hatte, schweiften seine Blicke instinktiv an der mächtigen Steinsäule des Obelisken empor. Vier Wegweiser, dachte er, verteilt über ganz Rom in der Form eines riesigen Kreuzes!

Vielleicht enthielt die ägyptische Symbolologie einen versteckten Hinweis. Er untersuchte die Hieroglyphen, die den Obelisken bedeckten, und verwarf den Gedanken wieder. Die Hieroglyphen waren Jahrhunderte älter als Bernini und vor der Entdeckung des Steins von Rosette nicht zu entziffern gewesen. Aber vielleicht hatte Bernini ja ein zusätzliches Symbol in den Obelisken gehauen? Ein Symbol, das unter all den Hieroglyphen

unbemerkt bleiben würde?

Langdon umrundete den Brunnen einmal mehr und studierte alle vier Seiten des Obelisken. Er benötigte zwei Minuten. Als er mit der letzten Seite fertig war, resignierte er. Keine nachträglich hinzugefügten Hieroglyphen. Und ganz gewiss keine Engel.

Er schaute auf die Uhr. Punkt elf. Er konnte nicht sagen, ob die Zeit verflog oder kroch. Bilder von Vittoria und dem Assassinen verfolgten ihn, während er den Brunnen umrundete. Langdon war geschlagen und zu Tode erschöpft. Er warf den Kopf in den Nacken, um sein Leid in die Nacht hinauszuschreien.

Der Schrei blieb ihm im Hals stecken.

Vor ihm ragte der Obelisk in die Nacht. Er hatte das Objekt auf der Spitze bereits früher gesehen, hatte ihm jedoch keine Aufmerksamkeit gewidmet. Jetzt stutzte Langdon. Es war kein Engel. Tatsächlich hatte Langdon es nicht einmal als Teil von Berninis Arbeit wahrgenommen. Er hatte es für ein lebendiges Wesen gehalten, einen der unzähligen Müllvertilger der Stadt, der auf seinem luftigen Aussichtsturm kauerte.

Eine Taube.

Langdon starrte zu ihr hinauf. Die von unten beleuchtete, aufspritzende Gischt des Brunnens behinderte seine Sicht. Es war doch eine Taube, oder nicht? Der Kopf und der Schnabel waren jedenfalls deutlich vor dem nächtlichen Sternenhimmel zu erkennen. Eigenartig nur, dass sich der Vogel seit Langdons Ankunft nicht bewegt zu haben schien, nicht einmal dann, als unter ihm im Wasser der Kampf getobt hatte. Der Vogel saß noch in genau der gleichen Haltung da wie zu dem Zeitpunkt, als Langdon bei der Piazza Navona angekommen war. Hoch oben auf dem Obelisken, den Blick genau nach Westen gerichtet.

Langdon starrte reglos zur Taube hinauf, dann steckte er den

Arm in den Brunnen und packte eine Hand voll Münzen. Er warf sie nach oben. Sie klapperte gegen den Obelisken. Die Taube rührte sich nicht. Langdon versuchte es erneut. Diesmal traf eine der Münzen. Ein schwach metallisches Geräusch hallte über den Platz.

Die Taube war aus Bronze.

Langdon sprang erneut in den Brunnen, um zu der Skulptur zu waten und an dem Gebirge aus Marmor hinaufzuklettern. Er zog sich über riesige Arme und Köpfe höher und höher, bis fast zur Basis des Obelisken. Erst hier hatte er den Dunst und die Gischt des Brunnens hinter sich gelassen und sah den Vogel in aller Deutlichkeit.

Kein Zweifel - es war eine weiße Taube. Die täuschende dunkle Farbe war das Resultat römischen Smogs. Dann traf ihn die Erkenntnis mit voller Wucht. Er hatte schon früher am Tag ein paar weiße Tauben gesehen, beim Pantheon. Ein Paar Tauben besaß keine höhere Bedeutung. Diese Taube hier war allein.

Eine einzelne weiße Taube ist das ursprünglich heidnische Symbol für den Friedensgott oder Friedensengel.

Die Erkenntnis verlieh ihm so viel neue Kraft, dass er den restlichen Weg bis zum Obelisken beinahe flog. Bernini hatte das heidnische Symbol der Taube gewählt, weil er den Engel auf diese Weise in seinem heidnischen Brunnen verbergen konnte. Let angels guide you on your lofty quest. Die Taube ist der Engel! Einen besseren luftigen Horst für den letzten Illuminati-Wegweiser konnte es überhaupt nicht geben!

Der Vogel schaute genau nach Westen. Langdon versuchte, seinem Blick zu folgen, doch die Häuser versperrten die Sicht. Er kletterte höher. Ein Zitat des heiligen Gregorius von Nyssa kam ihm unerwartet ins Gedächtnis: Sobald die Seele erleuchtet wird... nimmt sie die wunderbare Gestalt einer weißen Taube an.

Langdon kletterte himmelwärts, der weißen Taube entgegen. Er erreichte den Sockel, aus dem sich der Obelisk erhob. Höher ging es nicht. Mit einem Blick in die Runde wusste er, dass es auch nicht nötig war. Ganz Rom breitete sich vor ihm aus. Die Aussicht war atemberaubend.

Zu seiner Linken erstrahlte der Petersdom im Licht von Scheinwerfern. Zur Rechten lag die rauchende Kuppel von Santa Maria della Vittoria. Genau vor ihm, in der Ferne, die Piazza del Popolo. Und hinter ihm der vierte und letzte Wegweiser. Ein gigantisches Kreuz aus Obelisken.

Zitternd legte Langdon den Kopf in den Nacken und starrte zur Taube hinauf. Dann drehte er sich in die Richtung, in die das Tier schaute, und senkte die Augen hinunter zum Horizont.

Im gleichen Augenblick wusste er Bescheid.

So offensichtlich. So klar. So unglaublich einfach.

Langdon starrte das Gebäude an und konnte nicht glauben, dass die geheime Kirche der Illuminati so viele Jahre unentdeckt geblieben sein sollte. Die ganze Stadt schien rechts und links zu versinken, während er auf die monströse Steinburg auf der anderen Seite des Flusses starrte. Das Gebäude war eines der berühmtesten von ganz Rom. Es stand am Ufer des Tiber, schräg gegenüber vom Vatikan. Die Geometrie war augenfällig