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Vittoria antwortete nicht, während sie weiterrannten.

Das Szenario schien plötzlich mehr Sinn zu ergeben. »Ja!«, rief Langdon. »Kohler hat nicht mit der Reaktion des Camerlengos gerechnet! Der Camerlengo hat die vatikanische Tradition der Verschwiegenheit gebrochen und ist an die Öffentlichkeit gegangen. Er hat von der tödlichen Bedrohung gesprochen. Er hat die Antimaterie im Fernsehen gezeigt, um Himmels willen! Es war ein brillanter Schachzug, mit dem Kohler nicht gerechnet hat. Die Ironie an der ganzen Sache ist, dass der heimtückische Anschlag der Illuminati nach hinten losgegangen ist, weil er der Kirche eine neue, starke Führungspersönlichkeit beschert hat. Und jetzt kommt Kohler, um den Camerlengo zu töten!«

»Max ist ein verdammter Bastard«, erklärte Vittoria, »aber er ist ganz bestimmt kein Mörder! Und er hätte sich niemals an der Ermordung meines Vaters beteiligt!«

Langdon stellte sich Kohlers Antwort vor. Leonardo Vetra wurde von vielen Puristen in CERN als Gefahr betrachtet. Die Wissenschaft und Gott miteinander in Einklang zu bringen, gilt als die ultimative wissenschaftliche Blasphemie. »Vielleicht hat Kohler ja bereits vor Wochen vom Antimaterie-Projekt Ihres Vaters erfahren. Vielleicht gefielen ihm die religiösen Schlussfolgerungen nicht.«

»Und deswegen hat er meinen Vater umgebracht? Das ist lächerlich! Außerdem konnte Max überhaupt nichts von der Existenz des Projektes wissen!«

»Vielleicht hat Ihr Vater sein Schweigen gebrochen, während sie mit Ihrem Forschungsprojekt unterwegs waren. Vielleicht hat er Kohler eingeweiht und ihn um Rat gebeten. Sie haben doch selbst erzählt, Ihr Vater wäre über die moralischen Fragen besorgt gewesen, die aus der Erschaffung einer derart tödlichen Substanz entstehen.«

»Mein Vater soll Maximilian Kohler um moralischen Rat gefragt haben?«, stieß Vittoria hervor. »Das ist lächerlich!«

Der Tunnel beschrieb einen leichten Knick. Je schneller sie rannten, desto dunkler wurde Langdons Fackel. Allmählich sorgte er sich, dass sie erlosch.

»Außerdem«, fuhr Vittoria fort, »warum sollte er sich die Mühe machen, Sie anzurufen und um Hilfe zu bitten, w^nn er hinter der ganzen Verschwörung steckt?«

Über diese Frage hatte Langdon bereits nachgedacht. »Um seine Spur zu verwischen. Auf diese Weise konnte er sicherstellen, dass niemand ihm den Vorwurf der Untätigkeit in der Krise machen kann. Wahrscheinlich hat er nicht damit gerechnet, dass wir so weit kommen.«

Der Gedanke, dass Kohler ihn benutzt hatte, machte Langdon wütend. Erst sein Einschreiten hatte den Illuminati eine gewisse Glaubwürdigkeit verliehen. Die ganze Nacht über waren seine Arbeiten in den Medien zitiert worden, und so lächerlich es auch klingen mochte - die Anwesenheit eines Harvard-Professors in der Vatikanstadt erhob den Zwischenfall über den Status einer paranoiden Wahnvorstellung und überzeugte die Skeptiker auf der ganzen Welt, dass die Geheimbruderschaft der Illuminati nicht nur eine historische Tatsache war, sondern eine Macht, mit der man auch heute noch rechnen musste.

»Dieser BBC-Reporter«, sagte er, »dieser Günther Glick ist der festen Meinung, dass CERN das neue Zentrum der Illuminati ist.«

»Was?« Vittoria stolperte hinter ihm. Sie bewahrte mühsam ihr Gleichgewicht und rannte weiter. »Was hat er gesagt?«

»In einer Nachrichtensendung. Er hat CERN mit den Freimaurerlogen in Verbindung gebracht - eine unschuldige Organisation, die unwissend von Illuminati unterwandert wurde.«

»Mein Gott, das wird CERN vernichten!«

Langdon war sich da nicht so sicher. Gleichgültig, wie man es betrachtete, die Theorie klang plötzlich gar nicht mehr so weit hergeholt. CERN war der ultimative Hafen der Wissenschaft. Es war die Heimat von Forschern aus über einem Dutzend Nationen. CERN schien über endlose private Forschungsmittel zu verfügen. Und Maximilian Kohler war der Generaldirektor von CERN.

Kohler ist Janus.

»Falls Kohler nicht in die Geschichte verwickelt ist«, fuhr Langdon fort, »was hat er dann hier zu suchen?«

»Wahrscheinlich will er diesen Wahnsinn beenden. Er will helfen. Vielleicht ist er tatsächlich der Samariter der elften Stunde! Er könnte herausgefunden haben, wer von dem Antimaterie-Projekt meines Vaters wusste, und ist hergekommen, um diese Information weiterzugeben.«

»Der Mörder hat gesagt, er wäre gekommen, um den Camerlengo zu brandmarken.«

»Vertrauen Sie Ihrem Gefühl, Robert! Es wäre eine Selbstmordmission. Max würde niemals lebend von hier wegkommen!«

Langdon dachte über dieses Argument nach. Vielleicht ist das der Punkt, um den es geht.

Eine eiserne Tür versperrte ihnen den weiteren Weg. Doch als sie näher kamen, stellten sie fest, dass das alte Schloss offen war. Die Tür war nicht versperrt.

Langdon atmete erleichtert auf, als ihm bewusst wurde, dass der alte Tunnel tatsächlich noch benutzt wurde - genau wie er vermutet hatte. Erst in jüngster Zeit. Heute, zum Beispiel. Er zweifelte nicht mehr daran, dass die vier getöteten Kardinale am frühen Abend hier durchgeschleust worden waren.

Sie rannten weiter. Zur Linken hörte Langdon Lärm und Tumult. Dort lag der Petersplatz. Sie näherten sich dem Ausgang.

Sie erreichten eine weitere Tür, noch dicker als die erste. Auch sie war nicht versperrt. Der Lärm vom Petersplatz blieb hinter ihnen zurück. Langdon vermutete, dass sie die Außenmauer der Vatikanstadt passiert hatten. Er fragte sich, wo im Innern des Vatikans dieser Gang endete. In den Gärten? Oder vielleicht in der Basilika? Oder in der päpstlichen Residenz?

Abrupt endete der Tunnel.

Die massive Tür, die nun ihren Weg blockierte, war mit genietetem Eisen beschlagen. Im letzten Licht der verlöschenden Fackel sah Langdon, dass sie völlig glatt war -kein Griff, keine Klinke, keine Schlüssellöcher, keine Angeln. Kein Durchgang.

Panik stieg in ihm auf. Diese Art von Tür nannte man senza chiave - eine Tür, die nur in eine Richtung führte. Es war eine Sicherheitstür, und sie konnte nur von einer Seite geöffnet werden - von der anderen Seite. Langdons Hoffnung erlosch. genau wie die Fackel in seiner Hand.

Er schaute auf seine Uhr. Mickey leuchtete im Dunkeln.

Dreiundzwanzig Uhr neunundzwanzig.

Mit einem zornigen Aufschrei schwang Langdon den Fackelstumpf und hämmerte damit gegen die Tür.

Kapitel 113.

Irgendetwas stimmte nicht. Leutnant Chartrand stand vor dem päpstlichen Amtszimmer und spürte am nervösen Verhalten des Hellebardiers neben ihm, dass dieser die gleichen Befürchtungen hegte. Die private Unterredung, die beide bewachten, könnte den Vatikan vor der Zerstörung bewahren, hatte Hauptmann Rocher gesagt. Chartrand fragte sich, wieso seine Instinkte sich dennoch rührten. Und warum verhielt Rocher sich so eigenartig?

Irgendetwas stimmte nicht.

Der Hauptmann starrte unverwandt geradeaus; sein für gewöhnlich scharfer Blick wirkte geistesabwesend. Der Hauptmann war kaum wiederzuerkennen. Rocher war im Verlauf der letzten Stunde nicht er selbst gewesen. Seine Entscheidungen ergaben keinen Sinn.

Bei diesem Treffen sollte jemand dabei sein, dachte Chartrand. Er hatte gehört, wie Maximilian Kohler die Tür von innen zugesperrt hatte, nachdem er eingetreten war. Warum hat Rocher das zugelassen?

Das war bei weitem nicht die einzige Beobachtung, die Chartrand Sorgen bereitete. Die Kardinale! Die Kardinale waren noch immer in der Sixtinischen Kapelle eingesperrt. Vollkommen verrückt! Der Camerlengo hatte sie schon vor fünfzehn Minuten evakuiert sehen wollen. Rocher hatte sich über seine Entscheidung hinweggesetzt, ohne den Camerlengo zu informieren. Chartrand hatte seiner Besorgnis Ausdruck verliehen, mit dem Ergebnis, dass Rocher ihm fast den Kopf abgerissen hatte. Die Befehlskette wurde innerhalb der Schweizergarde niemals infrage gestellt, und Rocher war nun der kommandierende Offizier.