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Irgendwann während des Sturzes, während der Augenblicke der Verzweiflung und im ohrenbetäubenden Rauschen des Windes, fielen ihm Kohlers Worte wieder ein. Worte, die er früher an diesem Tag gesprochen hatte, vor dem Freifallschacht in CERN. Ein Quadratmeter Stoff bremst den freien Fall eines Körpers um fast zwanzig Prozent.

Zwanzig Prozent, so erkannte Langdon, waren nicht einmal annähernd genug, um einen Sturz wie diesen zu überleben. Dennoch umklammerte Langdon den einzigen Gegenstand aus dem Helikopter, den er vor seinem Sprung aus der Luke an sich gerissen hatte. Es war eine seltsame Vorstellung, doch für einen

flüchtigen Augenblick hatte sie ihm Hoffnung gegeben.

Die Persenning, mit der die große Windschutzscheibe abgedeckt wurde, hatte hinten im Hubschrauber gelegen. Es war ein konkaves, rechteckiges Stück Stoff, vielleicht vier Meter mal zwei, die gröbste Improvisation eines Fallschirms, die Langdon sich nur denken konnte. Die Persenning besaß keine Schnüre, kein Geschirr, nur Gummischlaufen an jeder Ecke, mit denen sie um die Wölbung der Windschutzscheibe herum gespannt werden konnte. Langdon hatte die Persenning gepackt, die Hände durch die Schlaufen geschoben, alles an seine Brust gedrückt und war hinaus in das Nichts gesprungen.

Sein letzter Akt jugendlichen Trotzes.

Kein Gedanke an ein Leben nach diesem Augenblick.

Er fiel wie ein Stein. Die Füße voraus. Dann öffnete er die Arme, seine Hände packten die Schlaufen, und die Persenning blähte sich über ihm wie ein Pilz. Der Wind fuhr hinein und riss machtvoll an seinen Armen.

Während er weiter der Erde entgegenraste, erfolgte irgendwo über ihm eine gewaltige Explosion. Sie schien weiter entfernt, als er vermutet hatte. Trotzdem traf ihn die Schockwelle fast im gleichen Augenblick. Er spürte, wie ihm die Luft aus den Lungen getrieben wurde. Dann, plötzlich, war es rings um ihn ganz warm. Er klammerte sich mit aller Kraft an seine Persenning, und eine Hitzewand jagte ihm von oben hinterher. Die Oberseite der Persenning begann zu schmoren. doch sie hielt.

Langdon raste vor einer sich ausdehnenden Kugel aus reinem Licht der Erde entgegen. Er fühlte sich wie ein Surfer, der einer dreihundert Meter hohen Flutwelle zu entgehen versucht. Dann, plötzlich, war die Hitze verschwunden.

Er fiel wieder durch kühle Dunkelheit.

Für einen Augenblick spürte Langdon neue Hoffnung, doch im nächsten Moment verblasste sie so schnell, wie sie gekommen war. Trotz des Zugs auf seinen Armen, der ihm verriet, dass die Persenning seinen Sturz tatsächlich verlangsamte, raste die Luft noch immer mit ohrenbetäubendem Rauschen an ihm vorbei. Langdon wusste, dass er noch immer viel zu schnell sank, um die Landung zu überleben. Der Aufprall würde ihn zerschmettern.

Mathematische Gleichungen drehten sich in seinem Kopf, doch er war zu betäubt, um zu einem Ergebnis zu kommen. Ein Quadratmeter Stoff.... zwanzig Prozent geringere Fallgeschwindigkeit. Er wusste nicht mehr, als dass die Persenning über ihm größer war und seinen Fall stärker verlangsamen würde. Unglücklicherweise jedoch wusste er auch, dass es nicht genug sein würde. Am Wind spürte er, dass er zu schnell fiel. unmöglich, den Aufprall auf dem tief unten wartenden Meer aus Beton zu überleben.

Die Lichter Roms erstreckten sich unter ihm, so weit sein Blick reichte. Die Stadt sah aus wie ein unglaublich heller Sternenhimmel, und Langdon fiel direkt in ihn hinein. Das weite Sternenfeld wurde lediglich von einem dunklen Streifen unterbrochen, der die Stadt in zwei Hälften teilte. Es war ein breites, dunkles Band, das sich wie eine fette Schlange zwischen den weißen Lichtpunkten hindurchwand. Langdon starrte hinunter auf das mäandernde Gebilde.

Einmal mehr stieg unerwartet Hoffnung in ihm auf.

Mit beinahe manischer Energie riss Langdon mit der Rechten an seinem improvisierten Fallschirm. Die Persenning flatterte lauter, blähte und wand sich, bis sie den Weg des geringsten Widerstands gefunden hatte. Langdon spürte, dass er seitwärts trieb. Er zog erneut, noch härter diesmal, ohne den Schmerz in seiner Handfläche zu beachten. Die Persenning blähte sich, und Langdon spürte, wie er sich seitwärts bewegte. Nicht viel, aber ein Stück! Er sah nach unten, zu der schwarzen dicken Schlange. Sie lag weit rechts von ihm, doch er war auch noch ziemlich hoch. Hatte er zu lange gewartet? Er zog mit aller Kraft und akzeptierte, dass nun alles in Gottes Hand lag. Er konzentrierte sich auf den weitesten Teil der Schlange und betete zum ersten Mal in seinem Leben um ein Wunder.

Der Rest war verschwommen.

Die Dunkelheit raste ihm entgegen. seine Turmspringererfahrung kehrte wieder. instinktiv drückte er den Rücken durch. pumpte die Lungen voller Luft, um seine inneren Organe zu schützen. spannte die Schenkel an. das Letzte, woran er sich erinnerte, war Dankbarkeit, dass der Tiber Hochwasser führte und sich schäumend und kalt durch sein Bett wälzte. und dreimal weicher als ein stehendes Gewässer.

Dann der Aufprall. und Schwärze.

Es war das laute Knallen und Flattern der Persenning gewesen, das die Gruppe von dem Feuerball hoch am Himmel ablenkte. Der Himmel über Rom war in dieser Nacht voller spektakulärer Bilder gewesen - zuerst ein Helikopter, der mit Höchstgeschwindigkeit senkrecht nach oben gestiegen war, dann eine gewaltige Explosion, und nun dieses eigenartige Objekt, das direkt in die wilden Strudel des Tiber gefallen war, ein kleines Stück vor dem Ufer der winzigen Isola Tiberina.

Seitdem die Insel als Quarantänestation für die Pestkranken des Jahres 1656 benutzt worden war, schrieben die Menschen ihr heilende Kräfte zu. Aus diesem Grund war später auch das römische Ospedale Tiberina auf der Insel errichtet worden.

Der Fremde war übel zugerichtet, als sie ihn aus dem Wasser zogen. Sein Puls ging nur noch schwach, doch es war ein kleines Wunder, dass sein Herz überhaupt noch schlug. Sie fragten sich, ob es der mystische Ruf der hsel war, der das Herz dieses Mannes irgendwie hatte weiterschlagen lassen. Minuten später, als der Fremde zu husten anfing und langsam das Bewusstsein wieder erlangte, wusste die Gruppe, dass die Insel tatsächlich magische Heilkräfte besaß.

Kapitel 126.

Kardinal Mortati wusste, dass es keine Sprache gab, die das Mysterium dieses Augenblicks hätte ausdrücken können. Die Lautlosigkeit der Vision über dem Petersplatz sagte mehr als tausend Engelschöre.

Während Mortati hinauf zu Camerlengo Ventresca blickte, spürte er den lähmenden Zusammenprall von Herz und Verstand. Die Vision schien real, doch wie konnte so etwas möglich sein? Jeder hatte gesehen, wie der Camerlengo in den Hubschrauber gestiegen war. Alle hatten den blendend weißen Ball aus Licht am Himmel gesehen. Und jetzt stand der Camerlengo auf der Terrasse über der Fassade der Basilika. War er von Engeln dorthin gebracht worden? Wiedergeboren von der Hand Gottes?

Das ist unmöglich...

Mortatis Herz wünschte sich nichts sehnlicher als zu glauben, doch sein Verstand schrie nach Vernunft. Die Kardinale ringsum starrten nach oben wie er, sahen das Gleiche wie er, waren gelähmt vor Staunen.

Es war der Camerlengo. Daran bestand nicht der geringste Zweifel. Doch er sah irgendwie anders aus. Göttlich. Als wäre er geläutert worden. Ein Geist? Ein Mensch? Seine weiße Haut schimmerte im Licht der Scheinwerfer mit einer beinahe körperlosen Gewichtslosigkeit.

Auf dem Platz hinter und um Mortati herum weinten, jubelten und applaudierten die Menschen. Eine Gruppe Nonnen sank auf die Knie und sang saetas. Über dem Platz gewann ein rhythmisches Geräusch an Intensität. Plötzlich riefen alle den Namen des Camerlengos. Die Kardinale, einige von ihnen mit Tränen in den Augen, stimmten ein. Mortati blickte sich um und