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»Wir haben Ihre persönlichen Gegenstände gerettet.« Sie hielt einen Plastikbeutel hoch. »Brieftasche, Camcorder und einen Stift. Ich habe den Camcorder getrocknet, so gut es ging.«

»Ich besitze keinen Camcorder.«

Die Krankenschwester legte die Stirn in Falten und hielt ihm den Beutel hin. Langdon schaute hinein. Tatsächlich, neben seiner Brieftasche und dem Füllfederhalter lag ein winziger SONY RUVI Camcorder. Jetzt erinnerte er sich. Der sterbende Kohler hatte ihm das Gerät anvertraut, damit er es den Medien gab.

»Wir haben den Camcorder in Ihrer Tasche gefunden. Ich glaube allerdings, Sie brauchen einen neuen.« Die Krankenschwester klappte den winzigen Bildschirm auf der Rückseite auf. »Das Display ist hin.« Dann hellte ihre Miene sich auf. »Der Ton funktioniert allerdings noch. Schwach, aber er ist zu hören.« Sie hielt sich das Gerät ans Ohr. »Er spielt

immer wieder das Gleiche, wie in einer Schleife.« Sie lauschte einen Augenblick und reichte das Gerät dann Langdon. »Zwei Männer. Sie scheinen zu streiten.«

Verwirrt nahm Langdon den Camcorder und hielt ihn ans Ohr. Die Stimmen klangen hoch und metallisch, wiren jedoch verständlich. Eine war ganz nah, die andere weiter weg. Langdon erkannte beide.

Er saß in seinem Papierkittel auf dem Bett und lauschte fassungslos der Unterhaltung. Als das Ende des Streits kam, war er dankbar dafür.

Mein Gott!

Das Gespräch wiederholte sich. Langdon nahm den Camcorder vom Ohr und starrte in tiefer Bestürzung auf das Gerät. Die Antimaterie. der Helikopter.

Aber das würde bedeuten...

Erneut wurde ihm übel. Wut und Enttäuschung stiegen in ihm auf. Er schwang sich vom Untersuchungstisch und stand schwankend da.

»Mr. Langdon!«, mahnte der Arzt und versuchte ihn aufzuhalten.

»Ich brauche etwas zum Anziehen«, verlangte Langdon. Sein Rücken war nackt und kalt, und er spürte die Zugluft.

»Sie müssen sich ausruhen.«

»Nein. Ich verlasse das Krankenhaus. Sofort. Besorgen Sie mir Kleidung.«

»Aber.«

»Auf der Stelle!«

Das Personal wechselte befremdete Blicke. »Wir haben nichts, Signore«, sagte der Arzt schließlich. »Vielleicht kann Ihnen morgen ein Freund etwas vorbeibringen.«

Langdon atmete tief und geduldig durch, als er den Arzt

anschaute. »Dr. Jacobus, ich werde dieses Krankenhaus jetzt verlassen. Ich benötige etwas zum Anziehen. Mein Ziel ist die Vatikanstadt. Man geht nicht mit nacktem Hintern in die Vatikanstadt. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«

Dr. Jacobus schluckte schwer. »Bringen Sie diesem Mann etwas zum Anziehen, Schwester.«

Als Langdon aus dem Ospedale Tiberina humpelte, fühlte er sich wie ein zu groß geratener Pfadfinder. Er trug den blauen Overall eines Sanitäters, der vorn von einem Reißverschluss zusammengehalten wurde, der von oben bis unten reichte. Der Overall war übersät mit zahlreichen Stoffabzeichen, die von den Qualifikationen seines Trägers zeugten.

Die Frau in Langdons Begleitung war stämmig und trug einen ähnlichen Overall. Der Arzt hatte Langdon versichert, sie würde ihn in Rekordzeit zum Vatikan bringen.

»Molto traffico«, sagte Langdon und erinnerte die Frau daran, dass die Gegend rings um den Vatikan voller Fahrzeuge und Menschen war.

Die Frau schien unbeeindruckt. Sie deutete stolz auf eines ihrer Abzeichen. »Sono conducente dt ambulanza«, sagte sie und führte Langdon an der Seite des Gebäudes vorbei nach hinten, wo ihr Fahrzeug stand. Als Langdon es sah, blieb er wie angewurzelt stehen. Es war ein alter Notarzthubschrauber. Auf dem Rumpf stand Aero-Ambulanza.

Die Frau lächelte, als sie Langdons Reaktion sah. »Wir fliegen Citta del Vaticano. Tuttopronto.«

Kapitel 128.

Das Kollegium der Kardinale - hunderteinundsechzig Männer - war fassungslos, als es in die Sixtinische Kapelle zurückkehrte. Mortati war dermaßen verwirrt, dass er das Gefühl hatte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Er glaubte an die alten Wunder in den heiligen Schriften, und doch entzog sich das, was er soeben mit eigenen Augen gesehen hatte, seinem Verständnis. Nach einem Leben voller Hingabe wusste der neunundsiebzigjährige Mann, dass die Ereignisse eigentlich andere Empfindungen hätten hervorrufen müssen -Demut, Ehrfurcht, einen lebendigen, inbrünstigen Glauben -, und doch fühlte er nur eine wachsende Unruhe. Irgendetwas erschien ihm nicht richtig.

»Monsignore Mortati!«, rief ein Hellebardier und kam durch die Halle zu ihm gerannt. »Wir waren oben auf dem Dach, wie Sie uns gebeten haben. Der Camerlengo ist. er lebt! Er ist kein Geist!«

»Hat er mit Ihnen gesprochen?«

»Er kniet in stillem Gebet, Monsignore. Wir haben uns nicht getraut, ihn zu berühren!«

Mortati wusste nicht weiter. »Sagen Sie ihm. sagen Sie ihm, die Kardinale würden warten.«

»Noch etwas, Monsignore. Seine Brust. der Camerlengo ist immer noch verwundet. Sollen wir ihn verbinden? Er muss schreckliche Schmerzen haben.«

Mortati dachte nach. Sein Leben im Dienst der Kirche hatte ihn nicht auf eine Situation wie diese vorbereitet. »Er ist ein Mensch, also helfen Sie ihm wie einem Menschen. Baden Sie ihn. Verbinden Sie seine Wunden. Geben Sie ihm neue Kleidung. Wir erwarten seine Ankunft in der Sixtinischen

Kapelle.«

Der Hellebardier eilte davon.

Mortati wandte sich zur Kapelle. Die anderen Kardinale waren bereits versammelt. Als Mortati durch die Halle ging, sah er Vittoria Vetra zusammengesunken auf einer Bank am Fuß der Scala Royale. Er sah den Schmerz und die Einsamkeit in ihrem Gesicht und wollte zu ihr, um sie zu trösten, aber das musste warten. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen. obwohl er nicht mehr wusste, was für eine Aufgabe es war.

Mortati betrat die Kapelle. Im Innern herrschte wilder Aufruhr. Er schloss die Tür. Lieber Gott, hilf mir.

Der Ambulanzhubschrauber des Ospedale Tiberina umrundete die Vatikanstadt und näherte sich von hinten, während Langdon die Zähne zusammenbiss und sich schwor, dass es der letzte Helikopterflug seines Lebens sei.

»Grazie«, sagte er, als sie gelandet waren, und stieg unter Schmerzen aus. Die Pilotin warf ihm eine Kusshand zu und hob sofort wieder ab, um über die Mauer hinweg in der Nacht zu verschwinden.

Langdon atmete tief durch. Er nahm sich einen Augenblick Zeit, um wieder klaren Kopf zu bekommen und zu überlegen, wie er am besten vorgehen sollte. Mit dem Camcorder in der Hand stieg er in das gleiche Golfkart, mit dem er schon einmal gefahren war. Es war nicht aufgeladen worden, und der Batterieanzeiger stand auf Reserve. Langdon fuhr ohne Scheinwerfer, um Strom zu sparen.

Er zog vor, dass niemand ihn kommen sah.

Kardinal Mortati stand benommen im Eingang der Sixtinischen Kapelle und starrte auf das Pandämonium vor ihm.

»Es war ein Wunder!«, rief einer der Kardinale. »Die Hand Gottes!«

»Ja!«, pflichtete ein anderer ihm bei. »Gott hat seinen Willen

kundgetan!«

»Der Camerlengo wird unser neuer Papst!«, rief ein dritter.

»Er mag kein Kardinal sein, doch Gott hat uns ein Zeichen gesandt!«

»Ja!«, stimmte jemand zu. »Die Gesetze des Konklaves sind von Menschen gemacht. Doch wir alle haben den Willen Gottes mit eigenen Augen gesehen. Ich beantrage einen neuen Wahlgang!«

»Einen neuen Wahlgang?«, fragte Mortati. »Ich glaube, das ist immer noch meine Aufgabe.«

Alle wandten sich ihm zu.

Mortati spürte, wie die anderen ihn betrachteten. Sie schienen unschlüssig zu sein, verletzt von seiner Nüchternheit. Er sehnte sich danach, genau wie die anderen aufzugehen in dem Staunen, der andachtsvollen Heiterkeit, die er in den Gesichtern ringsum erblickte. Doch es geschah nicht. Er spürte eine Traurigkeit, die er sich nicht erklären konnte.