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Plötzlich schienen noch mehr Kardinale Vittoria den Weg zu versperren. Eine Wand aus schwarzen Roben baute sich vor ihr auf. »Hören Sie die Menschen draußen auf dem Platz?«, sagte einer. »Was wird diese Nachricht in ihren Herzen anrichten? Wir müssen mit Vernunft zu Werke gehen.«

»Wir brauchen Zeit, um nachzudenken und zu beten«, sagte ein anderer. »Wir müssen vorausschauend handeln. Die Auswirkungen dieser.«

»Er hat meinen Vater ermordet!«, sagte Vittoria. »Er hat seinen eigenen Vater ermordet!«

»Ich bin sicher, er wird für seine Sünden bezahlen«, sagte der Kardinal, der ihren Arm hielt.

Was das betraf, war Vittoria ebenfalls sicher, doch sie wollte persönlich dafür Sorge tragen. Sie bewegte sich wieder in Richtung Tür, doch die Kardinale drängten sich dichter zusammen. Angst lag auf ihren Gesichtern.

»Was wollen Sie tun?«, rief Vittoria ihnen zu. »Wollen Sie mich umbringen’?«

Die Kardinale erbleichten, und Vittoria bedauerte ihre Worte augenblicklich. Sie konnte spüren, dass diese alten Männer sanfte Seelen waren. Sie hatten in dieser Nacht genug Gewalt gesehen. Diese Männer wollten nichts Böses. Sie waren bloß gefangen. Verängstigt. Versuchten zu retten, was zu retten war.

»Ich möchte.«, sagte der greise Kardinal, ». ich möchte doch nur das Richtige tun.«

»Dann lassen Sie Miss Vetra gehen«, sagte eine dunkle, volle Stimme hinter ihr. Die Worte klangen ruhig, doch entschlossen. Robert Langdon trat neben Vittoria, und sie spürte, wie er ihre Hand ergriff. »Miss Vetra und ich werden diese Kapelle verlassen. Auf der Stelle.«

Zögernd, resignierend wichen die Kardinale einer nach dem anderen zur Seite.

»Warten Sie!«, rief Mortati und kam durch den Mittelgang auf die beiden zu. Der Camerlengo blieb oben beim Altar zurück, allein und am Boden zerstört. Mortati sah mit einem Mal noch älter aus als zuvor, erschöpft über die Jahre hinaus. Sein Gang war gebeugt. Er blieb vor den beiden stehen und legte jedem eine Hand auf die Schulter. Vittoria spürte den tiefen Ernst in seiner Berührung. In den Augen des Mannes brannten Tränen.

»Selbstverständlich können Sie beide gehen«, sagte Mortati. »Selbstverständlich.« Er zögerte, und sein Schmerz war fast körperlich spürbar. »Ich bitte Sie nur um eines.« Er starrte für einen langen Augenblick zu Boden, bevor er Langdon und Vittoria wieder ansah. »Lassen Sie es mich tun. Ich werde auf den Platz hinausgehen und einen Weg finden. Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde einen Weg finden. Die Beichte der Kirche sollte aus der Kirche selbst kommen. Wir selbst sollten es sein, die unser Versagen vor der Welt gestehen.«

Mortati wandte sich traurig zum Altar. »Carlo, Sie haben die Kirche in eine katastrophale Lage gebracht.« Er stockte und schaute sich suchend um. Der Altar war leer.

Aus einem Seitengang ertönte das Rascheln von Stoff; dann fiel klickend eine Tür ins Schloss.

Der Camerlengo war verschwunden.

Kapitel 134.

Camerlengo Ventrescas weißes Gewand wallte, als er sich durch die Halle von der Sixtinischen Kapelle entfernte. Die Schweizergardisten hatten ihn verblüfft angestarrt, als er allein aus der Kapelle gekommen war und ihnen mitgeteilt hatte, dass er einen Augenblick ungestört sein wolle. Doch sie hatten gehorcht und ihn gehen lassen.

Jetzt, als er um die Ecke bog und außer Sicht war, übermannte den Camerlengo ein Mahlstrom aus Gefühlen, wie er ihn bis zu diesem Augenblick für unmöglich gehalten hätte. Er, der Camerlengo, hatte jenen Mann vergiftet, den er »Heiliger Vater« genannt hatte. den Mann, der »mein Sohn« zu ihm gesagt hatte. Der Camerlengo hatte stets geglaubt, dass die Worte »Vater« und »Sohn« religiöser Tradition entsprungen seien, nun aber kannte er die teuflische Wahrheit - die Bedeutung war wortwörtlich gewesen.

Wie in jener schicksalhaften Nacht vor zwei Wochen, irrte der Camerlengo einmal mehr ziellos durch die Dunkelheit.

Es hatte geregnet an jenem Morgen, als das Personal aufgeregt an die Tür des Camerlengos geklopft und ihn aus unruhigem Schlaf gerissen hatte. Der Papst, teilten sie dem Camerlengo mit, antwortete nicht auf das Klopfen an seiner Tür oder auf das Telefon. Die Geistlichen waren besorgt. Der Camerlengo war der Einzige, der ohne Anmeldung die Gemächer des Papstes betreten durfte.

Der Camerlengo betrat die Zimmer allein und fand den Papst wie am Abend zuvor verkrümmt und tot in seinem Bett. Das Gesicht Seiner Heiligkeit sah aus wie eine Fratze des Teufels. Seine Zunge war pechschwarz. Satan persönlich hatte im Bett des Papstes geschlafen.

Der Camerlengo spürte kein Bedauern. Gott hatte gesprochen.

Niemand würde den Verrat bemerken. noch nicht. Das würde später kommen.

Er ging nach draußen und verkündete die schlimmen Neuigkeiten - Seine Heiligkeit war an einem Schlag gestorben. Dann traf der Camerlengo die Vorbereitungen für das Konklave.

Die Stimme von Mutter Maria flüsterte in seinem Ohr. »Brich niemals ein Versprechen, das du Gott gegeben hast.«

»Ich verspreche es, Mutter«, antwortete er. »Diese Welt ist ohne Glauben. Sie muss zurückgebracht werden auf den Pfad der Gerechten. Grauen und Hoffnung. Es ist die einzige Möglichkeit.«

»Ja«, sagte sie. »Wenn nicht du wer dann? Wer soll die Kirche aus der Dunkelheit führen?«

Ganz bestimmt nicht einer der preferiti. Sie waren alt. lebendige Tote. Liberale, die den Spuren des alten Papstes folgen und die Wissenschaft gutheißen würden. Sie würden nach modernen Anhängern suchen, indem sie die alten Pfade aufgaben. Alte Männer, die verzweifelt hinter der Zeit herliefen, während sie es auf erbärmliche Weise zu verbergen versuchten. Sie würden scheitern, ohne Frage. Die Kraft der Kirche lag in ihrer Tradition, nicht in ihrer Anpassung. Die Welt draußen war unbeständig. Die Kirche musste sich nicht anpassen, sie musste der Welt lediglich in Erinnerung rufen, dass sie wichtig war. Das Böse lebt! Gott wird es besiegen!

Die Kirche benötigte Führung. Diese alten Männer konnten niemanden inspirieren. Jesus hatte die Menschen inspiriert. Jung, lebendig, kraftvoll. WUNDERBAR.

»Genießen Sie Ihren Tee«, sagte der Camerlengo zu den vier preferiti und ließ sie in der privaten Bibliothek des verstorbenen Papstes allein. Das Konklave würde bald beginnen. »Ihr Führer wird bald eintreffen.«

Die preferiti dankten ihm, ganz aufgeregt, dass sich ihnen eine überraschende Chance bot, den berühmten Passetto zu besichtigen. Wie ungewöhnlich! Bevor der Camerlengo gegangen war, hatte er die schwere Eisentür aufgeschlossen, die hinaus in den Passetto führte, und genau zur vereinbarten Zeit hatte die Tür sich geöffnet, und ein arabisch aussehender Priester mit einer Fackel in der Hand hatte die auf geregten preferiti in den Gang geführt.

Die Männer waren nicht wieder aufgetaucht.

Sie werden das Grauen sein. Ich bin die Hoffnung.

Nein... ich bin das Grauen.

Der Camerlengo stolperte durch die Dunkelheit des Petersdoms. Irgendwie hatte er trotz des Wahnsinns und der Schuld, trotz der Bilder von seinem Vater, trotz des Schmerzes der Offenbarung und sogar trotz des Morphiums zur geistigen Klarheit gefunden, einem Gefühl der Bestimmung. Ich kenne jetzt meine Aufgabe, dachte er, voller Ehrfurcht ob ihrer Einfachheit.

Von Anfang an war nichts so gelaufen, wie er es geplant hatte. Unvorhergesehene Hindernisse hatten sich ihm in den Weg gestellt. Doch der Camerlengo hatte reagiert, hatte den Plan immer wieder geändert. Trotzdem hätte er niemals gedacht, dass diese Nacht so enden könnte - auch wenn er jetzt die vorherbestimmte Großartigkeit darin erkannte.