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Das Argument war berechtigt.

»Was ist mit der römischen Polizei?«, fragte der Camerlengo. »Wir könnten sie um Verstärkung bitten. Die Polizei könnte uns helfen, den Entführer der Kardinale zu finden.«

»Noch ein Fehler«, sagte Olivetti. »Sie wissen, wie die römischen Carabinieri über uns denken. Sie würden uns ein paar Männer zur Seite stellen und halbherzig helfen, und als Gegenleistung würden sie die Medien über unsere Krise informieren wollen. Genau das, was unsere Feinde erwarten. Wie die Sache aussieht, müssen wir uns früh genug mit den Medien auseinander setzen.«

Langdon erinnerte sich an die Worte des Mörders. Ich werde Ihre Kardinale zu Lichtgestalten für die Medien machen. Ihre vier Kardinale werden sterben, jede Stunde einer, beginnend um acht Uhr. Die Medien werden sich freuen.

»Herr Oberst, wir können nicht guten Gewissens überhaupt nichts unternehmen, um die vier Kardinale zu retten!« Der Camerlengo klang ärgerlich.

Olivetti schaute ihm in die Augen. »Sie erinnern sich an das Gebet des heiligen Franziskus, Monsignore?«

Der junge Geistliche sprach den Vers mit sichtlicher Quaclass="underline" »Herr, gib mir die Kraft, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.«

»Glauben Sie mir, Monsignore«, sagte Olivetti, »die Entführung der vier Kardinale gehört zu diesen Dingen.« Mit diesen Worten verließ er den Raum.

Kapitel 44.

Im Zentralbüro der British Broadcasting Corporation in London, westlich vom Piccadilly Circus, klingelte das Telefon. Eine junge Redakteurin nahm den Anruf entgegen.

»BBC«, sagte sie und drückte ihre Dunhill in einem Aschenbecher aus.

Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang rau und besaß einen arabischen Akzent. »Ich habe eine Story, die Ihren Sender interessieren dürfte.«

Die Redakteurin zückte einen Stift und nahm einen Block zur Hand. »Worum geht es?«

»Die Papstwahl in Rom.«

Sie runzelte die Stirn. BBC hatte erst am Vortag einen Bericht über die bevorstehende Wahl gebracht - mit katastrophalen Zuschauerzahlen. Die Öffentlichkeit, so schien es, interessierte sich herzlich wenig für das Geschehen in der Vatikanstadt. »Und was genau?«

»Haben Sie einen Korrespondenten in Rom?«

»Ich glaube ja.«

»Ich muss direkt mit ihm reden.«

»Es tut mir Leid, aber ohne nähere Einzelheiten kann ich Ihnen die Nummer nicht geben.«

»Das Konklave befindet sich in ernster Gefahr. Mehr kann ich Ihnen nicht verraten.«

Die Redakteurin machte sich eine Notiz. »Ihr Name?«

»Tut nichts zur Sache.«

Das war nicht weiter überraschend. »Haben Sie Beweise für Ihre Behauptung?«

»Die habe ich.«

»Ich würde die Information gerne weiterverfolgen, aber es widerspricht der Politik unseres Hauses, die Telefonnummern unserer Reporter bekannt zu geben, es sei denn.«

»Ich verstehe. Ich werde bei einem anderen Sender anrufen. Danke, dass Sie mir Ihre Zeit geopfert haben.«

»Einen Augenblick bitte!«, sagte die Redakteurin. »Können Sie in der Leitung bleiben?«

Sie legte den Anrufer in eine Warteschleife und massierte sich den Hals. Die Kunst, potenzielle Irre abzuwimmeln, war keineswegs eine exakte Wissenschaft, doch dieser Fremde hatte soeben die beiden grundlegenden Tests der BBC auf Authentizität eines Anrufs bestanden. Er hatte sich geweigert, seinen Namen zu nennen, und er war begierig, das Gespräch wieder zu beenden. Irre und Sensationsjäger fingen in der Regel an zu jammern und zu flehen.

Zu ihrem Glück lebten Reporter in der ständigen Furcht, die große Story zu verpassen; deswegen akzeptierten es die Korrespondenten üblicherweise, wenn der eine oder andere wahnsinnige Psychopath unter den Informanten war. Eine Story zu verpassen, wäre unentschuldbar gewesen.

Gähnend starrte die Redakteurin auf den Bildschirm und tippte den Suchbegriff »Vatikanstadt« ein. Als sie den Namen des Reporters sah, der über die Papstwahl berichten sollte, kicherte sie vor sich hin. Er war ein neuer Kollege, den die BBC von irgendeinem schrillen Londoner Klatschblatt abgeworben hatte; seine Aufgabe bestand darin, über die profaneren Dinge zu berichten. Der Chefredakteur hatte ihn offensichtlich ganz unten auf der Leiter postiert.

Er langweilte sich wahrscheinlich zu Tode, während er die ganze Nacht auf seine Gelegenheit wartete, einen Zehn-Sekunden-Bericht aufzuzeichnen. Wahrscheinlich war er dankbar für ein wenig Abwechslung.

Die Redakteurin notierte die Mobiltelefonnummer des

Korrespondenten. Dann, nachdem sie sich eine weitere Dunhill angesteckt hatte, befreite sie den Anrufer aus der Warteschlange und nannte ihm die gewünschte Information.

Kapitel 45.

Es wird nicht funktionieren!«, sagte Vittoria und ging im Amtszimmer nervös auf und ab. Schließlich wandte sie sich zum Camerlengo um. »Selbst wenn es einem Team der Schweizergarde gelingen sollte, die elektronischen Störungen herauszufiltern, müssten die Leute praktisch genau über dem Behälter stehen, bevor sie ein Signal erhalten. Und das heißt immer noch nicht, dass wir den Behälter ohne Weiteres bergen können. Vielleicht ist er durch andere Barrieren unzugänglich. Was, wenn er in einer Metallkiste irgendwo auf dem Gelände vergraben ist? Oder in einem Belüftungsschacht versteckt wurde? Dann finden wir ihn ganz bestimmt nicht. Und wenn die Schweizergarde tatsächlich infiltriert wurde, was dann? Wer garantiert uns, dass die Suche einwandfrei verläuft?«

Der Camerlengo sah erschöpft aus. »Was schlagen Sie vor, Signorina Vetra?«

Ist das nicht offensichtlich? Vittoria errötete. »Ich schlage vor, Monsignore, dass Sie unverzüglich andere Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Wir können wider alle Wahrscheinlichkeit hoffen, dass die Suche des Obersten erfolgreich verläuft, aber schauen Sie doch aus dem Fenster! Sehen Sie diese Menschen? Diese Gebäude auf der anderen Seite des Platzes? Die Übertragungswagen? Die Touristen? Sie alle befinden sich wahrscheinlich innerhalb des Explosionsradius. Sie müssen handeln, Monsignore, auf der Stelle!«

Der Camerlengo nickte abwesend.

Vittoria verspürte Frustration. Olivetti hatte jeden überzeugt, dass mehr als reichlich Zeit blieb. Doch Vittoria wusste, dass sich das gesamte Gebiet um die Vatikanstadt herum binnen weniger Minuten mit Schaulustigen füllen würde, sobald die

Nachricht von den Schwierigkeiten nach außen drang. Sie hatte dieses Phänomen vor dem Schweizer Parlamentsgebäude erlebt. Während einer Geiselnahme hatten sich Tausende von Schaulustigen eingefunden, um das Geschehen zu beobachten, und das, obwohl die Geiselnehmer gedroht hatten, eine Bombe zu zünden. Trotz aller Warnungen der Polizei hatte sich die Traube aus Neugierigen dichter und dichter um das Gebäude gedrängt. Nichts fesselt menschliches Interesse so sehr wie menschliche Tragödien.

»Monsignore«, drängte Vittoria, »der Mann, der meinen Vater ermordet hat, treibt sich irgendwo dort draußen herum. Ich will ihn stellen! Doch ich stehe hier in Ihrem Büro. weil ich Ihnen gegenüber eine Verantwortung fühle. Ihnen gegenüber und anderen. Menschenleben sind in Gefahr, Monsignore. Verstehen Sie?«

Der Camerlengo antwortete nicht.

Vittoria spürte ihren eigenen rasenden Herzschlag. Warum konnte die Schweizergarde diesen verdammten Anrufer nicht zurückverfolgen? Der Assassine der Illuminati ist der Schlüssel zu allem! Er weiß, wo die Antimaterie versteckt ist... verdammt, er weiß auch, wo die Kardinale sind! Fang den Mörder, und alle Probleme sind gelöst!

Sie spürte, dass sie allmählich die Fassung zu verlieren drohte

- ein merkwürdiges Gefühl, an das sie sich nur noch schwach aus Kindertagen erinnerte, aus den Jahren im Waisenhaus: Frustration und keine Möglichkeit, damit fertig zu werden. Du hast Möglichkeiten, sagte sie sich. Du hast immer Möglichkeiten. Doch es war sinnlos. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, drohten sie zu ersticken. Sie war eine Forscherin, darauf spezialisiert, Probleme zu lösen. Doch dies hier war ein Problem ohne Lösung. Welche Informationen sind nötig? Was willst du erreichen? Sie versuchte sich zu zwingen, ruhiger zu atmen, doch zum ersten Mal in ihrem Leben gelang es ihr nicht. Sie bekam keine Luft mehr.