Выбрать главу

Langdon schmerzte der Kopf. Alles erschien ihm unwirklich, als er Vittoria und den Camerlengo beobachtete - doch seine Sicht war verschwommen und durchsetzt von schlimmen Bildern: Explosionen, ausschwärmenden Journalisten, laufenden Kameras, gebrandmarkten Leichen.

Shaitan. Luzifer. Lichtbringer. Satan.

Er schüttelte die Bilder ab. Vorsätzlicher Terror, sagte er sich und griff nach dem Strohhalm der Realität. Geplantes Chaos. Er erinnerte sich an ein Seminar in der Radcliffe, das er anlässlich eines Forschungsprojekts über prätorianische Symbolologie gehört hatte. Damals hatte er gelernt, Terroristen mit anderen Augen zu sehen.

»Terrorismus«, hatte der Dozent gesagt, »verfolgt ein einziges Ziel. Welches?«

»Unschuldige Menschen zu töten?«, hatte ein Student geantwortet.

»Falsch. Tote sind lediglich ein Nebenprodukt des Terrorismus.«

»Eine Demonstration von Macht?«

»Nein. Es gibt nichts, das weniger überzeugend wirkt.«

»Angst und Schrecken zu verbreiten?«

»Mit knappen Worten: ja. Ganz einfach. Das Ziel von Terrorismus besteht darin, Furcht und Schrecken zu verbreiten. Furcht unterminiert das Vertrauen in die Gesellschaft. Sie schwächt den Gegner von innen heraus und verursacht Unruhe bei den Massen. Schreiben Sie sich das auf. Terrorismus ist kein Ausdruck von Wut. Terrorismus ist eine politische Waffe. Nimm einer Regierung die Fassade der Unfehlbarkeit, und du zerstörst ihr Vertrauen bei den Menschen.«

Vertrauen zerstören.

Ist es das, worum es hier geht? Langdon fragte sich, wie die Christen der.ganzen Welt reagierten, würden die verstümmelten

Leichen der Kardinale gefunden. Wenn schon der Glaube eines geweihten Priesters nicht vor dem satanischen Bösen schützte, welche Hoffnung gab es dann für den Rest der Christenheit? Die pochenden Schmerzen in seinem Kopf wurden schlimmer. er hörte leise, widerstreitende Stimmen:

Glaube schützt dich nicht. Medizin und Airbags... das sind die Dinge, die dein Leben schützen. Gott schützt dich nicht... Intelligenz schützt dich. Erleuchtung. Vertrau auf etwas, das sichtbare Ergebnisse vorzuweisen hat. Wie lange ist es her, dass jemand über Wasser gelaufen ist? Die modernen Wunder sind Wunder der Wissenschaft... Computer, Impfstoffe, Raumstationen... selbst das »göttliche« Wunder der Schöpfung, Materie aus Nichts... in einem Laboratorium. Wer braucht Gott? Nein, die Wissenschaft ist unser Gott!

Die Stimme des Mörders hallte in Langdons Verstand: Mitternacht... eine mathematische Progression des Todes... sacrfici vergini nell’ altare di scienza.

Dann plötzlich, wie eine Menge, die beim ersten Pistolenschuss verstummt, waren die Stimmen verschwunden. Robert Langdon sprang auf wie von einer Tarantel gestochen. Sein Stuhl kippte nach hinten um und fiel krachend auf den Marmorboden.

Vittoria und der Camerlengo zuckten zusammen.

»Ich habe es die ganze Zeit übersehen!«, flüsterte Langdon wie gebannt. »Und dabei hat es mir ins Gesicht gelacht.«

»Was übersehen?«, fragte Vittoria.

Langdon wandte sich an den Geistlichen. »Vater, seit drei Jahren habe ich dieses Büro immer wieder um Zugang zu den Vatikanischen Archiven gebeten. Ich habe sieben ablehnende Bescheide erhalten.«

»Es tut mir Leid, Mr. Langdon, doch es scheint mir kaum der geeignete Augenblick, um derartige Beschwerden vorzubringen.« »Ich benötige augenblicklich Zugang! Die verschwundenen Kardinale - möglicherweise kann ich herausfinden, wo sie ermordet werden sollen.«

Vittoria starrte ihn an, als wäre sie sicher, sich verhört zu haben.

Der Camerlengo blickte traurig drein, als wäre er die Zielscheibe eines schlechten Witzes. »Sie erwarten allen Ernstes von mir, dass ich glaube, die Information befände sich in unseren Archiven?«

»Ich kann nicht versprechen, dass ich sie rechtzeitig finde, aber wenn Sie mir Zugang gewähren.«

»Mr. Langdon, ich muss in vier Minuten in die Sixtinische Kapelle. Die Archive sind über ganz Vatikanstadt verteilt.«

»Das ist nicht Ihr Ernst, oder?«, unterbrach Vittoria. Sie starrte Langdon an und erkannte überrascht, wie ernst es ihm tatsächlich war.

»Jetzt ist kaum die Zeit für Witze«, entgegnete Langdon.

»Vater«, sagte Vittoria und wandte sich zum Camerlengo um, »falls es eine Chance gibt. irgendeine Chance herauszufinden, wo diese Morde verübt werden sollen, könnten wir.«

»Aber die Archive!«, beharrte der Camerlengo. »Wie könnten die Archive die benötigten Informationen enthalten?«

»Das zu erklären würde mehr Zeit in Anspruch nehmen, als Sie haben, Monsignore. Doch wenn ich Recht behalte, könnten wir die Informationen nutzen, um den Assassinen zu stellen.«

Der Camerlengo sah aus, als hätte er Langdon gerne geglaubt, könne es aber nicht. »In diesen Archiven werden die heiligsten christlichen Texte aufbewahrt. Schätze, die zu sehen nicht einmal ich privilegiert bin.«

»Dessen bin ich mir durchaus bewusst.«

- 209 »Der Zutritt ist nur mit einer schriftlichen Genehmigung des Kurators und des Vorstands der Vatikanischen Bibliothek

möglich.«

»Oder«, erklärte Langdon, »mit einem päpstlichen Mandat. So steht es zumindest in jedem Ablehnungsschreiben, das ich von Ihrem Kuratorium erhalten habe.«

Der Camerlengo nickte.

»Ich möchte nicht unhöflich erscheinen«, drängte Langdon, »aber wenn ich nicht sehr irre, ist genau dieses Büro hier für die Ausstellung päpstlicher Mandate zuständig. Und soweit ich es beurteilen kann, sind Sie heute Abend derjenige, der die Geschäfte des Vatikans führt. Angesichts der Umstände.«

Der Camerlengo zog eine Taschenuhr aus seiner Soutane und warf einen Blick darauf. »Mr. Langdon, ich bin bereit, heute Nacht mein Leben zu geben, buchstäblich, um die Kirche zu retten.«

Langdon spürte, dass der junge Priester aus tiefster Überzeugung sprach.

»Dieses Dokument.«, fuhr der Camerlengo fort. »Glauben Sie wirklich, dass es in unseren Archiven ruht? Und dass es helfen kann, die vier Kirchen zu finden, in denen die Kardinale ermordet werden sollen?«

»Ich hätte nicht zahllose Eingaben um Zutritt an den Vatikan gerichtet, wäre ich nicht davon überzeugt. Italien liegt ein wenig weit vom Schuss, um ins Blaue zu raten, wenn man das Gehalt eines Lehrers bezieht. Das Dokument in Ihren Archiven ist ein altes.«

»Bitte entschuldigen Sie«, unterbrach ihn der Camerlengo. »Mein Verstand kann momentan nicht noch mehr Einzelheiten aufnehmen. Wissen Sie, wo sich die Geheimarchive befinden?«

Langdon spürte, wie Aufregung von ihm Besitz ergriff. »Direkt hinter dem Tor von Sankt Anna.«

»Beeindruckend. Die meisten Gelehrten glauben, dass die

Geheimtür hinter dem Apostolischen Stuhl in die Archive

führt.«

»Nein. Dort geht es nur zum Archivio della Referenda di Fabbricia di San Pietro. Ein weit verbreiteter Irrtum.«

»Für gewöhnlich begleitet ein Bibliothekar jeden Besucher des Archivs, ohne Ausnahme. Allerdings ist heute Abend niemand da, der Sie begleiten könnte. Was Sie verlangen, Mr. Langdon, ist ein Freibrief auf unbeschränkten Zugriff. Nicht einmal die Kardinale besitzen dieses Recht.«