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»Sollten wir nicht lieber wieder zurück zum Petersdom?«,

fragte Chinita so ruhig, wie es ihr möglich war. »Wir können diese mysteriöse Kirche später immer noch überprüfen. Das Konklave hat vor einer Stunde angefangen. Was, wenn die Kardinale zu einer Entscheidung finden, während wir nicht dort sind?«

Günther schien sie überhaupt nicht zu hören. »Ich glaube, wir müssen dort vorne rechts abbiegen.« Er drehte die Karte um neunzig Grad und studierte sie erneut. »Genau. Wenn ich dort rechts abbiege. und dann gleich wieder links.« Er ordnete sich in den fließenden Verkehr auf der schmalen Straße ein.

»Pass auf!«, rief Chinita. Als Videografin hatte sie scharfe Augen. Zum Glück war Günther genauso schnell. Er stieg mit aller Kraft auf die Bremse und brachte den Wagen gerade noch vor der Kreuzung zum Stehen. Eine Reihe von vier schwarzen Alfa Romeos erschien wie aus dem Nichts und raste an ihnen vorbei. Gleich an der nächsten Kreuzung bremsten die Fahrzeuge mit quietschenden Reifen und bogen nach links ab -auf der gleichen Route, die Günther ebenfalls ausgesucht hatte.

»Die sind wohl verrückt!«, schimpfte Chinita.

Günther hatte einen gewaltigen Schrecken davongetragen. »Hast du das gesehen?«, fragte er mit zitternder Stimme.

»Und ob! Die hätten uns fast umgebracht!«

»Nein, ich meine die Wagen!« Plötzlich klang seine Stimme aufgeregt. »Es waren vier identische Wagen!«

»Na und? Dann hatten sie eben keine Fantasie!«

»Die Wagen waren voll besetzt!«

»Na und?«

»Vier identische Fahrzeuge mit jeweils vier Passagieren?“

»Hast du schon mal was von Fahrgemeinschaften gehört?“

»Was denn, hier in Italien?« Günther warf einen prüfenden Blick auf die Kreuzung, bevor er wieder losfuhr. »Hier haben sie ja noch nicht mal von bleifreiem Benzin gehört.« Er trat auf das Gaspedal und jagte hinter den vier Alfas her.

Chinita wurde in den Sitz gepresst. »Was, zur Hölle, hast du vor?«

Günther Glick raste die Straße hinunter und gleich wieder links - den Weg, den auch die Alfas genommen hatten »Irgendetwas sagt mir, dass du und ich nicht die Einzigen sind, die heule Abend in diese Kirche wollen.«

Kapitel 67.

Der Abstieg war mühselig.

Langdon kletterte vorsichtig Stufe um Stufe die knarrende Leiter hinunter, tiefer und tiefer unter den Boden der Chigi-Kapelle. Hinein ins Dämonenloch, dachte er. Er kletterte mit dem Gesicht zur Wand und dem Rücken zu der Kammer hinter sich, während er sich fragte, wie viele beengte dunkle Kammern man an einem einzigen Tag antreffen konnte.

Die Leiter ächzte bei jeder Stufe aufs Neue, und der durchdringende Gestank nach verrottendem Fleisch und modriger Feuchtigkeit nahm ihm den Atem. Langdon fragte sich nicht zum ersten Mal, wo Olivetti so lange blieb.

Vittoria stand noch immer oben am Rand des Lochs. Sie schaute zu ihm hinunter und leuchtete ihm mit dem Schweißbrenner, doch je tiefer Langdon kam, desto schwächer wurde das Licht der blauen Flamme. Dafür wurde der Gestank mit jedem Schritt stärker.

Zwölf Sprossen weiter geschah es. Langdon setzte den Fuß auf eine schlüpfrige Stelle und verlor das Gleichgewicht. Er umklammerte mit den Unterarmen die Leiter, um nicht nach hinten zu fallen, und rutschte ein Stück weit hinunter, bevor er wieder Halt fand. Fluchend und schimpfend setzte er seinen Abstieg fort.

Drei Sprossen weiter wäre er fast ein weiteres Mal gefallen; diesmal jedoch war es keine schlüpfrige Leiter, die das Missgeschick verursachte, sondern Angst. Langdon war an einer hohlen Nische vorbeigeklettert und sah sich von einem Augenblick zum anderen einer Reihe grinsender Totenschädel gegenüber.

Nachdem er sich ein wenig beruhigt und sich umgeschaut

hatte, erkannte er, dass die Wände auf dieser Höhe förmlich durchlöchert waren von derartigen Nischen und Kammern, ausnahmslos gefüllt mit Skeletten. Im phosphoreszierenden Licht war der Anblick leerer Augenhöhlen noch unheimlicher, als es bei Tageslicht der Fall gewesen wäre.

Skelette im Fackellicht, dachte er und verzog das Gesicht, als ihm bewusst wurde, dass er kaum einen Monat zuvor einen ganz ähnlichen Abend erlebt hatte. Das Wohltätigkeitsdinner des New York Museum of Archeology - flambierter Lachs im Schatten eines Brontosaurus-Skeletts. Er war auf Einladung von Rebecca Strauss dort gewesen, des einstigen Top-Models, das heute für die Times als Kunstkritikerin schrieb. Rebecca war ein Wirbelwind aus schwarzem Samt, Zigaretten und unübersehbar vergrößerten Brüsten. Sie hatte ihn seither zweimal angerufen, und Langdon hatte sich nicht zurückgemeldet. Nicht sehr gentlemanlike, schimpfte er mit sich selbst und fragte sich zugleich, wie lange Rebecca es wohl in einem stinkenden Loch wie diesem ausgehalten hätte.

Er war erleichtert, als die letzte Sprosse endlich festem Erdboden wich. Der Untergrund unter seinen Schuhen fühlte sich feucht an. Nachdem er sich versichert hatte, dass die Wände ihn nicht zerquetschen würden, wandte er sich um und warf einen Blick auf seine Umgebung. Die Krypta war rund und durchmaß vielleicht sechs Meter. Langdon atmete erneut durch den Stoff seines Jackettärmels und betrachtete den Körper. Das Bild war undeutlich im schwachen Lichtschein von oben. Ein fahler, fleischiger Umriss, der in die andere Richtung sah. Reglos. Still.

Langdon versuchte einen Sinn in dem zu erkennen, was sich seinen Augen bot. Der Mann wandte ihm den Rücken zu; Langdon konnte das Gesicht nicht sehen, doch es sah in der

Tat so aus, als stünde er.

»Hallo?«, würgte Langdon durch seinen Ärmel hindurch.

Keine Reaktion. Als er näher kam, wurde ihm bewusst, dass der Mann sehr klein war. Zu klein.

»Was ist los bei Ihnen?«, rief Vittoria von oben herab und schwenkte den Schweißbrenner.

Langdon antwortete nicht. Er war jetzt nahe genug, um alles deutlich zu sehen. Mit dem Begreifen kam das Entsetzen. Die Krypta schien sich rings um ihn herum zusammenzuziehen.

Es war ein alter Mann, und er kam aus der nackten Erde des Bodens wie ein Dämon. oder wenigstens seine obere Körperhälfte. Er war bis zum Bauch in die Erde eingegraben. Nackt. Die Hände waren mit einer roten Kardinalsschärpe auf den Rücken gefesselt. Er steckte schief in der Erde, und sein Kopf lag im Nacken, die Augen himmelwärts gerichtet, als flehte er Gott persönlich um Hilfe an.

»Ist er tot?«, rief Vittoria.

Langdon bewegte sich auf den reglosen Körper zu. Ich hoffe es, um seinetwillen. Er blickte in das Gesicht. Die Augen waren weit geöffnet, blutunterlaufen, und die Augäpfel traten hervor. Langdon beugte sich hinunter, um nachzuprüfen, ob der Mann noch atmete, und zuckte zurück. »Um Gottes willen!«

»Was ist denn?«

Langdon hätte sich beinahe übergeben. »Er ist tot, so viel steht fest. Und die Todesursache ist leicht zu erkennen.«

Der Anblick war grauenhaft. Der Mund des Mannes war weit aufgerissen und voller Dreck. »Irgendjemand hat ihm Dreck in den Hals gestopft, bis er erstickt ist.«

»Dreck?«, fragte Vittoria. »Erde?«

Langdon begriff. Erde. Er hatte es beinahe vergessen. Die Brandzeichen. Erde. Luft, Feuer, Wasser. Der Mörder hatte gedroht, jedes seiner Opfer mit einem der alten Elemente der Wissenschaft zu brandmarken. Das erste Element war Erde. Aus Santis irdenem Grab... Halb betäubt von den Ausdünstungen umrundete Langdon den Leichnam, und der Wissenschaftler in ihm erkannte einmal mehr die künstlerische Herausforderung, ein entsprechendes Ambigramm zu schaffen. Erde. Wie? Und doch - einen Augenblick später sah er es vor sich. Jahrhunderte voller Illuminati-Legenden wirbelten durch seinen Verstand. Das Brandzeichen auf der Brust des toten Kardinals war schwarz und nässte. Das Fleisch um die Ränder war rot. La lingua pura...