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Langdon blickte nach Südwesten. Er versuchte den Turm einer Kathedrale oder Kirche über den Dächern zu erkennen, jedoch vergeblich. Er brauchte eine Karte. Wenn es ihnen gelang herauszufinden, welche Kirchen südwestlich von hier lagen, würde eine davon vielleicht eine zündende Idee liefern. Luft, dachte er. Luft. Bernini. Skulptur. Luft. Denk nach, Robert!

Er wandte sich um und kehrte zur Kathedrale zurück. Vittoria und Olivetti erwarteten ihn unter dem Baugerüst.

»Südwesten«, sagte er schwer atmend. »Die nächste Kirche muss südwestlich von hier stehen.«

»Sind Sie diesmal sicher?«, fragte Olivetti kalt.

Langdon ließ sich nicht provozieren. »Wir brauchen eine Karte. Eine Karte, auf der sämtliche römischen Kirchen eingezeichnet sind.«

Der Oberst musterte ihn einen Augenblick lang mit steinerner Miene.

Langdon schaute auf die Uhr. »Uns bleibt nur eine halbe Stunde.«

Olivetti schob sich an Langdon vorbei und marschierte die Treppe hinunter zu seinem Wagen, der direkt vor der Kathedrale stand. Langdon hoffte, dass er mit einem Stadtplan zurückkehren würde.

Vittoria war ganz aufgeregt. »Also deutet der Engel nach Südwesten?«, fragte sie. »Und Sie wissen nicht, welche Kirche gemeint sein könnte?«

»Ich kann nicht an diesen verdammten Häusern vorbeisehen!« Langdon wandte sich erneut um und überflog den Platz. »Außerdem kenne ich die römischen Kirchen nicht gut genug.« Er hielt inne.

Vittoria schaute ihn verblüfft an. »Was ist?«

Langdons Blick haftete unverwandt auf der Piazza. Nachdem er die Stufen zur Kathedrale hinaufgestiegen war, befand er sich in einer höheren Position, und seine Aussicht war besser. Er konnte immer noch nichts sehen, doch ihm wurde bewusst, dass er den richtigen Gedanken hatte. Sein Blick glitt an dem Baugerüst entlang nach oben. Es war sechs Stockwerke hoch und reichte bis fast zu dem Rosettenfenster ganz oben in der Fassade, weit höher als sämtliche umgebenden Gebäude. Er wusste, wohin er als Nächstes musste.

Auf der anderen Seite der Piazza schauten Chinita Macri und Gunther Glick gebannt durch die Windschutzscheibe ihres

Übertragungswagens und verfolgten das Geschehen.

»Hast du alles?«, fragte Günther zum wiederholten Mal. Chinita zoomte näher an den Mann heran, der nun an dem Baugerüst der Kirche nach oben kletterte. »Wenn du mich fragst

- er ist ein wenig zu gut gekleidet, um Spiderman zu spielen.«

»Und wer ist diese Spiderwoman?«

Chinita schwenkte zu der attraktiven Frau unter dem Gerüst. »Jede Wette, dass du das wissen möchtest.«

»Meinst du, ich soll in der Redaktion anrufen?«

»Noch nicht. Warten wir noch ein wenig und beobachten weiter. Besser, wenn wir etwas in der Hand haben, bevor wir zugeben, dass wir das Konklave eigenmächtig verlassen haben.«

»Du glaubst also auch, dass jemand einen der alten Knacker da drin umgebracht hat?«

Chinita kicherte. »Du kommst definitiv in die Hölle, weißt du das?«

»Aber ich nehme einen Pulitzer-Preis mit.«

Kapitel 71.

Das Gerüst wurde wackliger, je höher Langdon kletterte. Sein Ausblick auf das umgebende Rom jedoch wurde mit jedem Schritt besser. Er setzte seinen Aufstieg fort.

Sein Atem ging merklich schneller, als er endlich auf dem obersten Gerüststeg angelangt war. Er richtete sich auf, klopfte den Staub aus seiner Kleidung und schaute sich um. Die Höhe machte ihm nicht das Geringste aus. Im Gegenteil, das Gefühl war äußerst belebend.

Der Ausblick war atemberaubend. Die roten Dächer Roms lagen vor ihm wie ein Ozean aus Feuer, angestrahlt von der untergehenden Sonne. Von hier aus sah Langdon zum ersten Mal in seinem Leben die antiken Wurzeln Roms, der Citta di Dio, der Stadt Gottes - abseits von Verkehr und Lärm und Luftverschmutzung.

Mit zusammengekniffenen Augen suchte Langdon die Dächer nach Kirchtürmen ab - doch er sah nichts. Rom hat Hunderte von Kirchen, dachte er. Es muss eine geben, die südwestlich von hier steht! Falls sie zu sehen ist, rief er sich ins Gedächtnis. Verdammt, falls sie überhaupt noch steht!

Er suchte das Dächermeer ein weiteres Mal ab, langsamer diesmal, gründlicher. Er wusste, dass längst nicht alle Kirchen sichtbare, hoch aufragende Glockentürme besaßen -insbesondere nicht kleinere, abseits gelegene Gotteshäuser. Außerdem hatte Rom sich seit dem siebzehnten Jahrhundert dramatisch verändert, als Kirchen per Gesetz die höchsten Bauwerke der Stadt gewesen waren. Heute sah Langdon Apartmentblocks, Hochhäuser, Fernsehtürme.

Zum zweiten Mal ließ er den Blick über den Horizont schweifen, ohne einen einzigen Kirchturm zu entdecken. In der

Ferne, ganz am Rand der Stadt, ragte Michelangelos massive Kuppel aus dem Häusermeer vor der sinkenden Sonne. Der Petersdom. Vatikanstadt. Unwillkürlich dachte Langdon an die Kardinale, die im Konklave versammelt waren, und er fragte sich, ob die Schweizergarde auf der Suche nach der Antimaterie weitergekommen war. Irgendetwas verriet ihm, dass ihre Suche ergebnislos geblieben war - und bleiben würde.

Einmal mehr ging ihm Miltons Gedicht durch den Kopf. Er dachte über die Aussage nach, Zeile für Zeile. From Santi’s earthly Tomb with demon ‘s hole. Sie hatten Santis Grab gefunden. ‘Cross Rome the mystic elements unfold. Die mystischen Elemente waren Erde, Luft, Feuer und Wasser. The path of light is laid, the sacred fest. Der Weg der Erleuchtung, den Berninis Werke wiesen. Let angels guide you on your lofty quest. Der Engel deutete nach Südwesten.

»Die Treppe!«, rief Günther Glick und deutete hektisch durch die Windschutzscheibe des Übertragungswagens. »Da geht etwas vor!«

Chinita richtete die Kamera hastig wieder auf den Haupteingang. Tatsächlich, irgendetwas ging da vor sich. Am Fuß der Treppe hatte einer der jungen Männer in Zivil den Kofferraum seines Alfa Romeos geöffnet. Nun schweifte sein Blick über die Piazza, als suchte er nach heimlichen Zuschauern, und einen Augenblick befürchtete Chinita schon, der Mann hätte sie entdeckt - doch dann wanderte sein Blick weiter. Offensichtlich zufrieden zog er ein Walkie-Talkie hervor und sprach hinein.

Fast im gleichen Augenblick schien eine ganze Armee aus der Kirche zu stürmen. Wie ein Football-Team, das sich aus einem Gedränge löste, so bildeten die Männer eine gerade Linie entlang der obersten Treppenstufe. Dann setzten sie sich in Bewegung wie eine menschliche Wand. Hinter ihnen, fast völlig verborgen, trugen vier weitere Männer etwas Unkenntliches. Etwas Schweres. Unhandliches.

Günther beugte sich über das Armaturenbrett. »Stehlen sie etwas aus der Kathedrale?«

Chinita zoomte noch näher heran und suchte nach einer Öffnung in der Wand aus Männern. Eine Sekunde, mehr brauche ich nicht. Ein einziges Bild reicht mir schon. Doch die Männer bewegten sich in perfektem Gleichklang. Los, macht schon! Chinita blieb bei ihnen, und ihre Geduld zahlte sich aus. Als die Männer das Objekt in den Kofferraum hievten, fand sie die Lücke. Ironischerweise war es der ältere Mann, der Anführer, der den Fehler beging. Nur für den Bruchteil einer Sekunde, doch es genügte. Chinita hatte ihr Bild. Genau genommen waren es sogar zehn.

»Ruf in der Redaktion an«, sagte sie. »Wir haben unseren Leichnam.«

Weit entfernt in der Schweiz, in CERN, fuhr Maximilian Kohler in seinem Rollstuhl ins Büro von Leonardo Vetra. Mit mechanischer Effizienz machte er sich daran, die Akten zu durchstöbern. Als er nichts fand, fuhr Kohler ins Schlafzimmer. Die oberste Schublade von Leonardo Vetras Nachttisch war verschlossen. Kohler sprengte das Schloss mit einem Messer aus der Küche auf.