Выбрать главу

»Sie haben sich bereit erklärt, das Material anzuschauen, das wir eben gedreht haben.«

Glicks düstere Miene verwandelte sich in ein breites Grinsen. Schätze. wir werden sehen, wer kurz vor einem Einlauf steht. »Dann schick’s raus!«

»Ich kann nicht übertragen, solange wir kein festes

Mobilfunkrelais haben.«

Günther jagte den Übertragungswagen auf die Via Cola di Rienzo. »Ich kann jetzt nicht halten.« Er folgte den Alfa Romeos durch einen engen Kreisverkehr an der Piazza Risorgimento.

Chinita klammerte sich an ihren Computern fest. »Wenn mein Sender kaputtgeht, können wir dieses Material zu Fuß nach London schaffen!«, schimpfte sie.

»Halt durch, Süße. Irgendetwas sagt mir, dass wir gleich da sind.«

Sie blickte auf. »Wo?«

Günther starrte auf die vertraute Kuppel, die sich nun direkt vor ihnen erhob. Er grinste erneut. »Genau da, wo wir angefangen haben.«

Die vier Alfa Romeos drängelten sich rücksichtslos durch den Verkehr um den Petersplatz herum. Die Kolonne teilte sich, als sie auf den Platz fuhr, und an verschiedenen Punkten stiegen Männer aus. Sie mischten sich unter die Touristen und Übertragungswagen und verschwanden in Sekundenschnelle aus dem Blickfeld. Einige betraten den Säulenwald der Kolonnade, die den Platz auf zwei Seiten umgab. Auch sie lösten sich scheinbar in Luft auf. Langdon beobachtete sie und hatte das Gefühl, als zöge sich eine Schlinge um den Petersplatz zu.

Außer den Leuten, die aus den Alfas gestiegen waren, hatte Olivetti per Funk zusätzliche Schweizergardisten in Zivil ins Zentrum des Petersplatzes geschickt, den Bereich um Berninis West Ponente. Während Langdons Blicke über den weiten Platz schweiften, nagte eine vertraute Frage in ihm. Wie will der Assassine damit durchkommen? Wie will er einen Kardinal durch all diese Leute schmuggeln und ihn vor aller Augen töten? Langdon schaute auf seine Mickey-Mouse-Uhr. Es war zwanzig Uhr vierundfünfzig. Noch sechs Minuten.

Auf dem Beifahrersitz drehte Olivetti sich zu Langdon und

Vittoria um. »Ich möchte, dass Sie beide direkt auf diesem Bernini-Block oder Stein oder was auch immer stehen. Die gleiche Übung wie beim letzten Mal. Sie sind Touristen. Benutzen Sie Ihr Telefon, wenn Sie etwas Verdächtiges bemerken.«

Bevor Langdon antworten konnte, hatte Vittoria seine Hand genommen und zog ihn aus dem Wagen.

Die Sonne versank hinter der Kuppel des Petersdoms, und dunkle Schatten hüllten den weiten Platz ein. Langdon spürte ein Unheil verkündendes Frösteln, als er und Vittoria sich in die kühle, schwarze Umbra begaben. Sie schlichen durch die Menge, und Langdon bemerkte, dass er in jedes Gesicht starrte, das ihnen begegnete, während er sich unablässig fragte, ob der Mörder unter den Touristen lauerte. Vittorias Hand fühlte sich warm an.

Sie überquerten den weiten, freien Platz, und Langdon spürte, wie Berninis Schöpfung genau die „Wirkung hervorrief, die der Architekt zu schaffen beauftragt worden war - all diejenigen in Ehrfurcht versinken zu lassen, die diesen Platz betraten. Langdon spürte tatsächlich Ehrfurcht. Ehrfurcht und Hunger, stellte er fest und war erstaunt, dass ihm in einem Augenblick wie diesem ein so profaner Gedanke wie der an Essen durch den Kopf gehen konnte.

»Zum Obelisken?«, fragte Vittoria.

Langdon nickte, und sie marschierten los.

»Wie spät?«, fragte Vittoria.

»Fünf vor.«

Sie sagte nichts, doch Langdon spürte, wie sich ihr Griff verstärkte. Er trug noch immer die Waffe bei sich, die Olivetti ihnen gegeben hatte. Er hoffte nur, dass Vittoria nicht auf den Gedanken kam, sie zu benutzen. Die Vorstellung, dass Vittoria mitten auf dem Petersplatz eine Pistole zücken und irgendjemandem die Beine unter dem Leib wegschießen könnte, während die Medien der halben Welt zuschauten, erschien ihm reichlich absurd. Andererseits wäre ein Zwischenfall wie dieser nichts im Vergleich zu einem Kardinal, der vor den Augen aller gebrandmarkt und ermordet wurde.

Luft, dachte Langdon einmal mehr. Das zweite Element der Wissenschaft. Er versuchte sich das Brandzeichen vorzustellen. Die Mordmethode. Erneut suchte er den weiträumigen, granitgepflasterten Platz ab - eine offene Wüste, ohne jede Deckung, umrundet von Schweizergardisten. Falls der Assassine tatsächlich so tollkühn war, hier einen Mord zu begehen, konnte er nicht mehr entkommen.

Im Zentrum des Platzes erhob sich Caligulas ägyptischer Obelisk, ein aus dem Fels gehauener einzelner Steinblock mit einem Gewicht von dreihundertfünfzig Tonnen. Er ragte siebenundzwanzig Meter in die Höhe und wurde von einem pyramidenförmigen Apex abgeschlossen, auf dem ein christliches Kreuz aus Eisen saß. Hoch genug, um die letzten goldenen Strahlen der Abendsonne einzufangen. das Kreuz schimmerte magisch, und Langdon war versucht zu glauben, was die Legende berichtete - dass es Überreste des Kreuzes enthielt, am das Jesus Christus geschlagen worden war.

Zwei Springbrunnen flankierten den Obelisken in vollendeter Symmetrie. Kunsthistoriker wussten, dass sie die Position der beiden Brennpunkte markierten, die Bernini für die Ellipsenform des Platzes ausgewählt hatte - eine architektonische Eigenheit, die Langdon bis zu diesem Tag niemals w.rklich aufgefallen war. Mit einem Mal schien Rom voll zu sein von Pyramiden, Ellipsen und verblüffenden geometrischen Beziehungen.

Sie näherten sich dem Obelisken, und Vittoria wurde langsamer. Sie atmete laut und tief, als wollte sie Langdon dazu bringen, es ihr nachzutun. Er unternahm einen Versuch, sich zu entspannen, ließ die Schultern sinken und öffnete die zusammengebissenen Kiefer.

Irgendwo in der Umgebung des Obelisken, unmittelbar vor der größten Kirche der Welt und frei sichtbar für jedermann, stand der zweite Altar der Wissenschaft. Berninis West Ponente

- ein elliptischer Block aus Marmor im Granit des Petersplatzes.

Gunther Glick beobachtete das Geschehen aus den Schatten der Kolonnade, die den Petersplatz umgab. An jedem anderen

Tag wären der Mann in dem Tweedjackett und die Frau in der kurzen Khakihose ohne jegliches Interesse für ihn gewesen. Sie sahen aus wie ganz gewöhnliche Touristen, die den Platz besuchten. Doch heute war kein gewöhnlicher Tag. Heute war ein Tag, an dem fremde Anrufer Tipps verteilten, Leichen aus Kathedralen geschafft wurden, unauffällige schwarze Wagen in Kolonnen durch Rom rasten und Männer in Tweedjacketts auf Baugerüsten herumkletterten, um nach Gott weiß was zu suchen. Günther Glick würde das unauffällige Paar nicht aus den Augen lassen.

Er schaute zur anderen Seite des Platzes hinüber, wo Chinita Macri in Position gegangen war, genau an der Stelle, die er ihr genannt hatte. Chinita hielt ihre Videokamera lässig in der Hand, doch obwohl sie sich bemühte, wie eine gelangweilte Medienvertreterin dreinzublicken, stach sie deutlicher aus der Menge, als Günther lieb gewesen wäre. Kein anderer Reporter war in dieser abgelegenen Ecke des Platzes, und das BBC-Logo auf der Kamera weckte mehr als nur einen gelegentlichen neugierigen Blick seitens der Touristen.

Die Kassette mit den Aufnahmen, die Chinita von dem toten Kardinal im Kofferraum gedreht hatte, ging in diesem Augenblick über die Antenne des Übertragungswagens nach London. Günther fragte sich, was die Redaktion zu den Bildern sagen würde.

Er wünschte nur, sie wären früher bei der Leiche gewesen, bevor die Armee von zivil gekleideten Männern eingegriffen hatte. Die gleichen Männer, die nun über den Petersplatz hinweg

ausgeschwärmt waren. Irgendetwas Großes würde geschehen.

Die Medien sind der rechte Arm des Terrorismus, hatte der unbekannte Anrufer gesagt. Günther Glick fragte sich, ob er seine Chance auf einen Volltreffer vielleicht schon vertan hatte. Er schaute hinüber zu den Übertragungswagen der anderen Sendestationen, und er beobachtete Chinita Macri, die unauffällig dem Pärchen über den Platz hinweg folgte. Irgendetwas verriet Glick, dass er noch immer im Spiel war.