Выбрать главу

Ein eigenartiger Gedanke stieg in Langdon auf. Das Gebäude wirkte verlassen. »Wo sind die anderen alle?«, fragte er. Angesichts der Tatsache, dass sie im Begriff waren, den Schauplatz eines Mordes zu betreten, hatte er nicht mit solcher Stille gerechnet.

»Die Bewohner sind in ihren Labors«, erwiderte Kohler, während er nach dem richtigen Schlüssel suchte.

»Ich meine die Polizei!«, erklärte Langdon. »Ist sie schon wieder weg?«

Kohler zögerte mit dem Schlüssel halb im Loch. »Polizei?«

Langdon hielt dem Blick des Direktors stand. »Ja. Sie haben mir ein Fax geschickt, auf dem ein Ermordeter zu sehen ist. Sie müssen doch die Polizei gerufen haben!«

»Das habe ich ganz gewiss nicht.«

»Was?«

Kohlers graue Augen wurden hart. »Die Situation ist nicht so einfach, wie Sie denken, Mr. Langdon.«

Langdon spürte eine dunkle Vorahnung in sich aufsteigen. »Aber. irgendjemand muss doch Bescheid wissen?«

»Ja. Leonardos Adoptivtochter. Sie ist ebenfalls Physikerin hier beim CERN. Sie und ihr Vater teilten sich ein Labor. Sie waren Partner. Miss Vetra war diese Woche zu Feldversuchen außer Haus. Ich habe sie selbstverständlich über den Tod ihres Vaters benachrichtigt. Sie ist auf dem Weg hierher.«

»Aber ein Mensch wurde ermordet.«

»Eine förmliche Untersuchung wird stattfinden«, beschied ihn Kohler mit fester Stimme. »Und sie wird sich auch auf das Labor der Vetras erstrecken, das Leonardo und seine Tochter hermetisch abgeschirmt haben. Deswegen werde ich warten, bis Miss Vetra zurück ist. So viel Diskretion bin ich ihr schuldig.«

Kohler drehte den Schlüssel im Schloss.

Die Tür schwang auf, und ein Schwall eisiger Luft traf Langdon im Gesicht. Er wich erschrocken zurück. Er starrte über die Schwelle in eine fremdartige Welt. Die Wohnung war in dichten weißen Nebel gehüllt. Der Nebel wirbelte um das Mobiliar und hüllte den gesamten Raum in einen undurchdringlichen Dunst.

»Was, zur.?«, stammelte Langdon.

»Ein Freon-Kühlsystem«, erklärte Kohler. »Ich habe die Wohnung gekühlt, um den Leichnam zu konservieren.«

Langdon knöpfte seine Jacke zu; er hatte bereits zu frösteln begonnen. Ich bin tatsächlich in Oz, dachte er. Und ich habe meine magischen Schuhe vergessen.

Kapitel 9.

Der Leichnam sah grauenhaft aus. Der tote Leonardo Vetra lag splitternackt auf dem Boden. Die Haut schimmerte blaugrau. Die Halswirbel traten dort hervor, wo sie gebrochen worden waren, und der Kopf war völlig nach hinten verdreht. Das Gesicht war nicht zu sehen; es zeigte nach unten. Der Mann lag in einer gefrorenen Lache seines eigenen Urins. Das Schamhaar um die geschrumpelten Genitalien war von Frost überzogen.

Langdon kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit, während er sich dem Toten näherte, um dessen Brust zu betrachten. Obwohl er die symmetrische Brandwunde Dutzende Male auf dem Fax angestarrt hatte, war sie in der Realität wesentlich eindrucksvoller. Das Symbol aus verbranntem Fleisch war vollendet geformt und besaß nicht den kleinsten Makel.

Langdon fragte sich, ob das Frösteln, das von ihm Besitz ergriff, von der Kälte herrührte oder von seiner ihn sprachlos machenden Bestürzung über die Bedeutung dessen, was sich seinen Blicken bot:

Langdon schlug das Herz bis zum Hals, während er um den Toten herumging und das Wort auf dem Kopf stehend las, um einmal mehr die beinahe unglaubliche Symmetrie zu bestaunen. Das Symbol schien jetzt, während er mit eigenen Augen darauf blickte, noch unvorstellbarer als zuvor.

»Mr. Langdon?«

Langdon hörte nichts. Er war in einer anderen Welt. seiner Welt, seinem Element, einer Realität, in der Geschichte, Mythen und Fakten aufeinander prallten und seine Sinne überfluteten. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren.

»Mr. Langdon?« Kohler starrte ihn erwartungsvoll an.

Langdons Blick haftete unverwandt auf dem Toten. Er wirkte vollkommen abwesend, vollkommen konzentriert. »Wie viel wissen Sie bereits?«

»Nur das Wenige, das ich auf Ihrer Webseite lesen konnte. Das Wort Illuminati bedeutet>die Erleuchtetem. Es ist der Name irgendeiner alten Bruderschaft.«

Langdon nickte. »Haben Sie den Namen früher schon einmal gehört?«

»Nicht, bevor ich ihn auf Mr. Vetras Brust eingebrannt sah.«

»Haben Sie eine Websuche durchgeführt?«

»Ja.«

»Und der Begriff hat Hunderte von Treffern ergeben, wie ich annehme?«

»Tausende«, sagte Kohler. »Ihr Name war jedoch mit Referenzen auf Harvard, Oxford, einen angesehenen Verleger und einer Liste weiterführender Publikationen verbunden. Als Wissenschaftler habe ich die Erfahrung gemacht, dass Informationen lediglich so viel wert sind wie ihre Quelle. Ihre Referenzen schienen authentisch.«

Langdons Blicke ruhten noch immer auf dem Toten.

Kohler verstummte. Er wartete offensichtlich darauf, dass Langdon ein wenig Licht auf die Szene vor ihm werfen würde.

Schließlich schaute Langdon auf, und sein Blick wanderte durch die tiefgekühlte Wohnung. »Vielleicht sollten wir an einem wärmeren Ort darüber diskutieren.«

»Dieser Raum ist so gut wie jeder andere.« Kohler schien die Kälte nicht zu spüren. »Wir reden hier.«

Langdon runzelte die Stirn. Die Geschichte der Illuminati war alles andere als schnell erzählt. Ich friere mich zu Tode bei dem Versuch, es zu erklären. Er starrte einmal mehr auf das Brandmal und spürte, wie erneut Ehrfurcht in ihm aufstieg.

Obwohl in der modernen Symbolologie zahllose Berichte über das Wappen der Illuminati existierten, hatte noch kein Forscher es tatsächlich zu Gesicht bekommen. Einige Dokumente beschrieben das Symbol als ein »Ambigramm« -ambi bedeutete allseitig und hieß, dass man es in beide Richtungen lesen konnte. Ambigramme waren in der Symbolologie weit verbreitet, Swastikas, Yin Yang, jüdische Sterne, symmetrische Kreuze - die Vorstellung allerdings, dass ein Wort in einem Ambigramm dargestellt werden konnte, erschien völlig absurd. Moderne Symbolologen hatten jahrelang versucht, das Wort »Illuminati« als Ambigramm darzustellen und waren kläglich gescheitert. Die meisten Akademiker waren zu dem Schluss gelangt, dass die Existenz des Symbols nur ein Mythos war.

»Wer sind nun diese Illuminati?«, wollte Kohler wissen.

Ja, dachte Langdon. Wer sind sie? Er begann seine Geschichte zu erzählen.

»Seit Anbeginn der Zeit«, erklärte Langdon, »hat es eine tiefe Kluft gegeben zwischen Wissenschaft und Religion. Namhafte Forscher wie Kopernikus.«

». wurden ermordet!«, rief Kohler dazwischen. »Ermordet von der Kirche, weil sie wissenschaftliche Wahrheiten enthüllt hatten. Schon immer hat die Religion die Wissenschaft verfolgt!«

»Ja. Doch um das Jahr 1500 herum gab es in Rom eine Gruppe von Männern, die sich gegen die Kirche wehrten. Einige von Italiens klügsten Köpfen - Physiker, Mathematiker und Astronomen - trafen sich heimlich, um sich wegen der unrichtigen Lehren der Kirche auszutauschen. Sie fürchteten, dass das kirchliche Monopol auf die>Wahrheit<den weltweiten akademischen Fortschritt behindern könnte. Also gründeten sie die erste wissenschaftliche Denkfabrik in der Geschichte der Menschheit und nannten sich>die Erleuchtetem.«

»Die Illuminati.«

»Ganz recht«, erwiderte Langdon. »Die gebildetsten Köpfe Europas, die sich der Suche nach der wissenschaftlichen Wahrheit verschrieben hatten.«

Kohler sagte nichts.