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»Mi scusi«, erklang Vittorias freundliche Stimme.

Langdon versteifte sich, als das vermummte Paar stehen blieb und sich umwandte. Vittoria ging immer noch direkt auf sie zu. Sie würden keine Zeit haben zu reagieren. Langdon selbst war stehen geblieben. Er beobachtete, wie Vittoria die Pistole zückte und den Lauf nach vorne schwang. Dann erblickte er über ihre Schulter hinweg ein Gesicht, nun erhellt von einer Straßenlaterne. Er sprang vor. »Vittoria! Nein!«

Vittoria war einen Sekundenbruchteil schneller als er. Mit einer Bewegung, die so schnell wie beiläufig war, verschränkte sie die Arme wie eine Frau, die in der Nacht fröstelt, sodass die Pistole nicht mehr zu sehen war. Langdon stolperte neben sie und hätte beinahe die beiden verschleierten Gestalten umgerannt.

»Buona sera«, sagte Vittoria überrascht.

Langdon atmete erleichtert auf. Vor ihnen standen zwei ältliche Frauen, die sie unter ihren Kopftüchern hervor mürrisch und misstrauisch anstarrten. Eine der beiden war so alt, dass sie kaum noch aus eigener Kraft stehen konnte. Die andere stützte sie. Beide hielten Rosenkränze. Die unerwartete Störung schien sie zu verwirren.

Vittoria lächelte, obwohl sie blass geworden war. »Dove e la chiesa Santa Maria della Vittoria - ist das die Kirche Santa Maria della Vittoria?«

Die beiden Frauen deuteten gleichzeitig auf die dunkle Silhouette des Gebäudes hinter sich, aus dessen Richtung sie gekommen waren. »E la.«

»Grazie«, bedankte sich Langdon, legte Vittoria die Hände auf die Schultern und zog sie sanft zu sich zurück. Nicht zu fassen, dass sie fast zwei alte Frauen angegriffen hatten.

»Non sipuö entrare«, warnte die jüngere der Frauen. »E chiusa temprano.«

»Sie hat früher geschlossen?« Vittoria sah überrascht aus.

»Perchef«

Beide Frauen schnatterten auf einmal los. Sie klangen ärgerlich. Langdon verstand nur Brocken ihres Italienisch. Offensichtlich waren die Frauen vor einer Viertelstunde in die Kirche gegangen, um in diesen Zeiten der Not für den Vatikan zu beten, als ein Mann erschienen war und ihnen mitgeteilt hatte, dass die Kirche früher schließen würde.

»Hanno conosciuto l’uomo?«, fragte Vittoria angespannt. »Haben Sie den Mann gekannt?«

Die beiden Frauen schüttelten die Köpfe. Er war ein straniero crudo gewesen, erklärten sie, und er hatte die Gläubigen fast mit Gewalt zum Gehen gezwungen, selbst den jungen Priester und den Küster, die gesagt hätten, dass sie die Polizei holen würden. Der Fremde hätte nur gelacht und erwidert, dass die Polizei am besten auch gleich Kameras mitbringen solle.

Kameras?, fragte sich Langdon.

Die Frau guckte ärgerlich und nannte den Fremden einen bararabo. Murrend setzten die beiden Alten schließlich ihren Weg fort.

»Bararabo?«, fragte Langdon. »Einen Barbaren?«

Vittoria wirkte nervös. »Nicht ganz. Bararabo ist ein abfälliger Ausdruck, ein Wortspiel für Arabo. Ein Araber also.«

Langdon erschauerte und wandte sich zu dem dunklen Umriss der Kirche um. Noch in der Bewegung sah er etwas hinter den bunt verglasten Fenstern, das sein Blut zu Eis erstarren ließ.

Vittoria hatte es noch nicht gesehen. Sie zog ihr Mobiltelefon aus der Tasche und drückte auf die automatische Wahlwiederholung. »Ich warne Olivetti.«

Wortlos berührte Langdon sie am Arm und deutete mit zitternden Fingern zur Kirche.

Vittoria stieß einen erschrockenen Laut aus.

Die bunten Kirchenfenster leuchteten wie teuflische Augen in der Nacht. Es gab keinen Zweifel - in der Kirche brannte es.

Kapitel 91.

Langdon und Vittoria rannten zum Haupteingang der Kirche Santa Maria della Vittoria. Die schwere Holztür war versperrt. Vittoria feuerte drei Schüsse aus Olivettis Halbautomatik in das alte Schloss, und es zersplitterte.

Die Kirche besaß keinen Vorraum. Als Langdon und Vittoria die Tür aufstießen, standen sie direkt im Hauptschiff. Der Anblick, der sie erwartete, war so bizarr, so unerwartet, dass Langdon für einen Moment die Augen schließen musste, bevor sein Verstand die Bilder verarbeiten konnte.

Die Santa Maria della Vittoria war in prächtigem Barock ausgestattet - vergoldete Wände, ein goldener Altar. Mitten in der Kirche, unter der Kuppel, waren Holzbänke aufeinander gestapelt und standen in hell lodernden Flammen, ein Freudenfeuer, das hoch hinauf in die Kuppel schlug. Erst als Langdons Blicke dem flammenden Inferno nach oben folgten, enthüllte sich ihm das wirkliche Entsetzen der gesamten Szene.

Hoch über dem Boden, rechts und links der Kuppel, hingen zwei lange Ketten herab, die normalerweise zum Schwenken von schweren Weihrauchgefäßen benutzt wurden. Doch jetzt hingen keine Gefäße an den Ketten, und sie schwangen auch nicht hin und her. Sie wurden für etwas anderes benutzt.

Ein Mensch hing an den Ketten. Ein nackter Mann, der mit ausgestreckten Armen an je eine Kette gefesselt war. Es sah aus, als würde er auseinander gerissen, als wäre er an ein unsichtbares Kreuz genagelt, das in diesem Haus Gottes schwebte.

Langdon starrte wie betäubt nach oben. Einen Augenblick später wurde ihm die ganze Abscheulichkeit der Szene bewusst

- der alte Mann war noch am Leben. Er hob den Kopf und

starrte aus weit aufgerissenen Augen in stillem Flehen zu Langdon hinunter. Auf der Brust des Mannes war ein Brandmal. Langdon konnte es nicht deutlich erkennen, doch er hatte keinen Zweifel, was dieses Mal besagte. Die Flammen schlugen von Sekunde zu Sekunde höher. Als sie die Beine des Mannes erreichten, stieß er einen gequälten Schrei aus. Sein Körper bebte vor Schmerz.

Wie von einer unsichtbaren Macht angetrieben, setzte Langdon sich in Bewegung. Er rannte durch den Mittelgang auf die lodernden Kirchenbänke zu. Seine Lungen füllten sich mit Rauch, und drei Meter vor dem Feuer stieß er auf eine beinahe massive Wand aus Hitze. Die Haut auf seinem Gesicht wurde versengt, und er prallte zurück, wobei er die Hände zum Schutz der Augen hochriss. Er landete hart auf dem Marmorboden, rappelte sich auf und kämpfte sich von neuem und mit schützend erhobenen Händen auf die Flammen zu.

Vergeblich. Das Feuer war zu heiß.

Er zog sich zurück und suchte die Wände ab. Ein schwerer Wandteppich, dachte er. Wenn ich die Flammen irgendwie ersticken kann... Doch er wusste, dass es keinen Wandteppich gab. Das hier ist eine Barockkirche, Robert, keine deutsche Ritterburg! Denk nach! Er zwang sich, nach oben zu schauen, auf den hängenden Mann.

Die Flammen züngelten bis in die raucherfüllte Kuppel hinauf. Die beiden Ketten führten von den Handgelenken des Gefesselten zu großen Metallringen in den Wänden und von dort nach unten zu Befestigungshaken auf beiden Seiten des Hauptschiffs. Langdon starrte zu einem der Haken. Er befand sich hoch an der Wand, doch er wusste, dass er nur eine der beiden Ketten lösen musste, um die Spannung von beiden zu nehmen. Wenn es ihm gelang, würde der Mann zur Seite und aus dem Feuer schwingen.

Ein plötzlicher Flammenstoß schoss in die Höhe, und

Langdon hörte einen durchdringenden Schrei von oben. Die Haut an den Füßen des Mannes warf Blasen. Der Kardinal verbrannte bei lebendigem Leibe. Langdon richtete den Blick auf den Befestigungshaken und rannte los.

Im hinteren Bereich der Kirche klammerte sich Vittoria Halt suchend an eine Holzbank und versuchte zu begreifen, was sie vor sich sah. Das Bild war grauenhaft. Sie zwang sich, den Blick abzuwenden. Unternimm etwas! Sie fragte sich, wo Olivetti steckte. Hatte er den Assassinen gesehen? Hatte er ihn gefasst? Wo steckten die beiden? Vittoria setzte sich in Bewegung, um Langdon zu helfen. Das Prasseln der Flammen wurde von Sekunde zu Sekunde lauter.