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Lander rannte hin. Beim dritten Klingeln hob er ab. »Hallo?«

»Mr. Dills, hier ist Roy aus dem Büro.«

»Ja?«

»Ihre Tochter ist hier bei mir. Sie möchte gern mit Ihnen reden.«

Den Blick auf Ruth gerichtet, wartete Lander.

»Was ist?«, flüsterte seine Frau, brachte die Worte kaum heraus.

»Daddy?« Die Stimme seiner Tochter klang schrill vor Panik.

»Liebling, was ist los?«

»O Dad! Sie ... Ben! Ich glaube, er ist tot!«

»Wo bist du?«

»Nein. Komm nicht her. Sie werden dich umbringen.«

»Bist du im Büro?«

»Lass dich nicht von ihnen erwischen!«

Er gab Ruth ein Zeichen. »Warte, deine Mutter will mit dir reden.«

Ruth eilte durch das Zimmer. Lander reichte ihr den Hörer. »Hallo, Cordie?«

»Sorg dafür, dass sie weiterredet«, flüsterte Lander.

Ruth nickte.

Er rannte zur Tür, riss sie auf und hastete hinaus. Irgend­etwas - ein Draht? - verfing sich an seinem Fuß. Als er kopfüber stürzte, erhaschte er einen kurzen Blick auf eine grinsende alte Frau, die mit untergeschlagenen Beinen auf der Motorhaube seines Autos saß und einen Hammer in der Hand hielt. Dann landete Lander im Schotter neben dem Vorderrad.

Mit einem freudigen Aufschrei stürzte sich die Frau auf ihn. 

KAPITEL 5

Der Pritschenwagen holperte über eine unebene Schotter­straße. Seit dem Aufhebens um Timmy herrschte unter den Männern frostiges Schweigen.

Neala wünschte, sie würden reden oder auch streiten. Die Diskussion wegen dieses notgeilen Bengels hatte ihre Gedanken von ihrer eigenen Situation abgelenkt. Nun kehrte ihre Angst schwarz und lähmend mit Bildern von Vergewaltigung und Folter zurück.

Sie begann zu weinen. Neala wollte es nicht - sie wollte dass die Männer ihre Schwäche mitbekamen, noch, dass Sherri durch ihre Verzweiflung noch mehr verängstigt wurde. Aber sie konnte nicht anders. Neala fühlte sich allein und völlig hilflos. Wie damals, als sie sich im Wald verirrt hatte.

Sie war erst sechs gewesen, trotzdem erinnerte sie sich noch genau daran, wie es sich angefühlt hatte. Ihre Familie

war zum Zelten in der Nähe des Spider Lake in Wisconsin gewesen. Dad erzählte am Lagerfeuer unheimliche Ge­schichten, während sie alle heiße Schokolade tranken. Die heiße Schokolade war letztlich schuld - Neala erwachte mitten in der Nacht mit einem entsetzlichen Druck auf der Blase. Sie schüttelte Betty wach, aber ihre ältere Schwester weigerte sich, den Schlafsack zu verlassen.

Neala musste so dringend, dass sie sich nicht einmal anzog. Nur in ihrer Unterhose schlich sie aus dem kleinen Zelt. Die frostige Brise ließ sie schaudern. Barfuß durch­querte sie das Lager. Der Boden fühlte sich feucht und kalt unter ihren Füßen an.

Ein Stück entfernt hinter dem Lager hatte ihr Vater ein Loch gegraben. Eine »Latrine«, wie er es nannte. Neala war schon mehrmals dort gewesen, aber noch nie nachts.

Auf der Suche nach der Latrine wanderte sie weit in den dunklen Wald. Sie konnte sie nicht finden. Schließlich gab sie auf und hockte sich neben eine Birke. Erleichtert trat sie den Rückweg zum Lager an. Sie glaubte zu wissen, wo es sich befand, aber sie lief und lief, ohne ihr Ziel zu erreichen. Als sie zu einer seltsamen, vom Mondlicht erhellten Wiese gelangte, wurde ihr klar, dass sie sich verirrt hatte. Sie rief nach Mom und Dad. Sie rief nach Betty. Niemand kam.

Da wurde sie davon erfasst - von der entsetzlichen Angst, die damit einherging, mitten in der Nacht hilflos und allein zu sein. Blind vor Tränen stolperte sie über die Wiese, heulte vor Furcht und hoffte, ihre Familie würde sie hören und kommen.

Aber was, wenn jemand anderer statt ihrer Eltern sie hörte? Einer dieser schwarzen Männer, von denen Dad am Lagerfeuer erzählt hatte? Oder der grauenhafte Wendigo? Oder eine Hexe wie jene, die versucht hatte, Hänsel und Gretel zu fressen?

Neala hielt sich den Mund zu, um ihr Wimmern zu unterdrücken, und flüchtete von der Wiese. Im Wald rannte sie, so schnell sie konnte, wagte nicht, zurückzuschauen, schließlich konnte etwas Fürchterliches hinter ihr herjagen. Sie stolperte über Wurzeln. Spinnweben blieben an ihrer nackten Haut kleben. Zweige peitschten sie. Trotzdem rannte sie weiter, bis sie zu einer weiteren Lichtung gelangte und im Mondschein das Auto erblickte.

Ihr Auto.

Sie hatten es zurückgelassen und waren lange gewandert, bevor sie das Lager aufschlugen. Neala war nicht sicher, weshalb.

Die Türen waren verriegelt, deshalb kroch sie unter den Wagen. Das Gras darunter erwies sich als trocken. Versteckt und in Sicherheit lag sie da und zitterte die ganze Nacht hindurch.

Als ihr Vater sie am nächsten Morgen fand, weinte er. Sie weinten beide, weil letztlich doch noch alles gut geworden war.

Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende, dachte Neala, bis vier Männer und ein Junge das Mädchen in einen Pritschen­wagen verfrachteten und sie an einen geheimen Ort im Wald brachten, um ...

Der Wagen hielt an.

Robbins und Shaw kletterten hinaus. »Du wartest hier«, befahl Shaw seinem Sohn.

Der Mann zu Nealas Füßen sprang über die Heckklappe und entriegelte sie. Knarrend und mit einem Klirren schwang die Klappe auf. Der Mann packte Neala an den Fußgelenken und zog. Sie rutschte über die Metallladefläche.

Timmy, der neben ihren Kopf kroch, fasste plötzlich nach unten und riss ihre Bluse auf. Sie versuchte, ihn mit der freien Hand wegzuschlagen, aber er erwies sich als zu flink.

Dann quetschte er ihre Brüste, als wolle er sie ausdrücken. Neala schrie auf. Ihre Faust traf ihn so heftig im Gesicht, dass ihre Knöchel schmerzten. Timmy heulte auf und kippte nach hinten.

Dann wurde sie hinter dem Pritschenwagen auf die Füße gestellt. Sherri stand neben ihr.

»Alles in Ordnung?«, fragte Sherri.

»Maul halten«, befahl Shaw.

»Gehen wir«, sagte Robbins. Sein Griff um Nealas Arm war fest, aber nicht schmerzlich wie der des anderen Mannes.

Sie gingen zur Front des Wagens. Der Fahrer hatte die Scheinwerfer eingeschaltet gelassen. Die Lichtstrahlen erhellten einen Weg über eine Lichtung, die jener ähnelte, auf die Neala gestoßen war, als sie sich als Kind im Wald verlaufen hatte, wenngleich das 20 Jahre zurücklag und sich der Ort 2.000 Meilen entfernt befand.

Ein Stück entfernt schien sich das Licht der abwärts geneigten Scheinwerfer in den Boden zu bohren. Das Feld jenseits der Stelle lag im Dunklen.

»Warum, zum Teufel, hast du nicht näher geparkt?«, flüs­terte Shaw zum Fahrer.

»Halt die Klappe.«

»Mann, die sind wahrscheinlich überall um uns herum.«

»Liefergruppen greifen sie nicht an«, sagte der Mann rechts von Neala.

»Es gibt für alles ein erstes Mal, Philips.«

»Ich würde es nicht verschreien.«

»Ich verstehe trotzdem nicht, warum er so verflucht weit weg parken musste.«

»Mir war einfach danach«, erklärte der Fahrer. »Wie wär's, wenn du jetzt die Fresse hältst?«

Auf der Lichtung stand eine Reihe von sechs Bäumen. Neala starrte sie an. Sie ragten hoch auf und besaßen dicke

Stämme. Die hoch gelegenen Äste, die sich im Mondlicht abzeichneten, waren völlig kahl.

Was sie nicht sein sollten - nicht im Sommer. Sie sollten vor Blättern strotzen, die im Wind zitterten.

Die Bäume sind tot, erkannte Neala.

Sechs tote Bäume in einer Reihe.

»Nein«, stieß sie hervor.

»Es ist alles gut«, flüsterte Robbins.

»Nein, bringt uns nicht dorthin. Bitte.« Sie versuchte, sich zu wehren, aber die Männer schoben sie erbarmungslos vorwärts.

»Bleib einfach ruhig«, sagte Robbins.

»Bitte! Sie sind tot! Ich will dort nicht hin. Bitte!«

Schmerz betäubte ihr rechtes Bein, als Philips ihr ein Knie hineinrammte. »Reiß dich zusammen, Schwester«, fauchte er.