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»Was tun wir jetzt mit ihm?« fragte Skudder nach einer Weile. Er deutete fragend auf den Megamann herab, dann in Worte meinte. Trotzdem lag in seinem Blick nicht die mindeste Spur von Furcht, sondern lediglich ein mildes, spöttisches Glitzern. Charity fragte sich, ob Gurk nicht vielleicht recht gehabt hatte. Sie war sehr sicher, daß nicht einmal dieser Megamann es überleben würde, wenn sie alle drei aus allernächster Entfernung auf ihn schössen - aber sie war plötzlich ganz und gar nicht mehr sicher, daß sie es konnten, wenn er sich entschloß, etwas dagegen zu unternehmen. Sie hatte mit eigenen Augen gesehen, wie unglaublich schnell dieser Mann war.

»Okay«, sagte Charity nach kurzem Überlegen. »Können Sie aufstehen?«

»Ja«, antwortete der Megamann. Seine Stimme überraschte Charity. Sie klang sanft, fast wie die eines Kindes oder einer jungen Frau, aber trotz seines beeindruckenden Äußeren und der mächtigen Muskelstränge, die sich jetzt wieder unter seiner schwarzen Jacke wölbten, paßte sie auf sonderbare Weise zu ihm; zumindest zu seinen Augen. Ihr Blick irritierte Charity. Das waren nicht die Augen eines Killers ...

»Gut«, sagte Charity. »Dann hören Sie zu. Wir hätten Sie töten können, das wissen Sie.«

»Ja.«

»Ich habe es nicht getan«, fuhr Charity fort. »Ich weiß selbst nicht so genau, warum, aber ich glaube, daß es richtig war. Sie haben die Wahclass="underline" Wir können Sie auf der Stelle erledigen, oder Sie versprechen uns, keine Dummheiten zu machen, und begleiten uns.«

Diesmal antwortete der Megamann nicht. Aber in den Spott in seinem Blick mischte sich eine leise Verwunderung.

»Ich verlange nicht, daß Sie sich auf unsere Seite schlagen«, fuhr Charity fort. »Alles, was ich will, ist, mit Ihnen zu reden. Wenn Sie mit uns kommen und mir versprechen, uns eine Stunde Vorsprung zu geben, dann lassen wir Sie am Leben.«

Gurk kreischte vor Entsetzen und begann wieder, in seiner fremden, fast lächerlich klingenden Sprache zu lamentieren. Aber Charity beachtete ihn gar nicht. Aufmerksam sah sie den Megamann an, der ihren Blick einige Sekunden lang ruhig erwiderte und anscheinend über ihren Vorschlag nachdachte. Dann nickte er. »Ich bin einverstanden.«

»Glaubt ihm nicht«, kreischte Gurk. »Der Kerl lügt! Der ganze Kerl ist eine einzige, lebende Lüge!«

Charity schenkte ihm einen Blick, der den Gnom abrupt verstummen ließ, und wandte sich noch einmal an den Megamann.

»Wie ist Ihr Name?« fragte sie.

»Kyle«, antwortete der Megakrieger. »Man nennt mich Kyle.«

»Also gut, Kyle«, sagte Charity. »Ich habe Ihr Ehrenwort. Eine Stunde - sobald wir hier heraus sind.«

Sie richtete sich auf und wich rasch zwei Schritte zurück, und auch Skudder und die Wasteländerin brachten fast hastig dieselbe Entfernung zwischen sich und den Megamann, als der Krieger aufzustehen begann.

Er bewegte sich sehr langsam und unsicher. Der Regenerierungsprozeß seines Körpers schien zwar abgeschlossen zu sein, aber seine Kräfte waren noch lange nicht wiederhergestellt. Charity registrierte dies mit einem Gefühl absurder Erleichterung. Offensichtlich waren selbst diesem unglaublichen Lebewesen Grenzen gesetzt.

Sie sah den Megamann noch einen Moment lang prüfend an, dann senkte sie die Hand, die die Waffe hielt, und streckte den Strahler schließlich unter ihren Gürtel. Skudder riß verblüfft die Augen auf, und auch Net starrte sie ungläubig an. Aber Charity schüttelte nur den Kopf. »Steckt die Dinger ein«, sagte sie. »Er wird sein Wort halten.«

»Das werde ich«, fügte Kyle hinzu. »Davon abgesehen - sie würden euch ohnehin nichts nützen.«

Er sprach ganz ruhig, ohne eine Spur von Herablassung in seiner Stimme.

»Sie müssen sie sichern«, sagte Kyle plötzlich.

Charity blickte ihn verständnislos an, und der Megamann hob die Hand und deutete auf den Strahler in ihrem Gürtel. »Der blaue Schalter unter dem Griff. Schieben Sie ihn nach hinten. Es sei denn, Sie wollen sich das Bein abschießen, wenn Sie aus Versehen an den Abzug geraten.«

Charity zog fast hastig die Waffe wieder aus ihrem Gürtel hervor, drehte sie herum und entdeckte den winzigen blauen Schieberegler unter dem Griff; an einer Stelle, an der er für eine menschliche Hand fast unerreichbar war, wenn sie diese Waffe normal hielt. Rasch schob sie ihn zurück und steckte den Strahler wieder ein. Und auch Net und Skudder taten es ihr nach kurzem Zögern gleich.

»Was machen wir mit ihr?« fragte Skudder mit einer Geste auf die Shai-Priesterin.

Charity überlegte einen Moment. Sie konnten die alte Frau unmöglich hier zurücklassen; sie hatte jedes Wort gehört, und Charity war ziemlich sicher, daß die Moroni Mittel und Wege kannten, Informationen aus einem Menschen herauszuholen, ganz gleich, in welchem Zustand er sich im Moment befand. Aber sie konnten sie auch nicht mitnehmen.

»Ich kann ihr Gedächtnis blockieren«, sagte Gurk. »Allerdings nicht für lange.«

Charity blickte den Zwerg überrascht an und fügte der langen Liste von Fragen, die sie ihm stellen wollte, einige weitere hinzu. Aber sie sagte nichts, sondern nickte nur, und Gurk beugte sich über die Shai-Priesterin und streckte die Hände nach ihren Schläfen aus.

»Laß das!«

Gurk erstarrte mitten in der Bewegung, und auch Skudder und Charity sahen überrascht auf. Der Megamann drehte sich mit mühsamen, kleinen Bewegungen herum und hob die Hand.

»Rühr sie nicht an!« sagte er scharf.

Gurk starrte ihn haßerfüllt an, wagte es aber nicht, die Bewegung zu Ende zu führen, und der Megamann trat mit schleppenden Schritten auf Gurk und die alte Frau zu. Abn El Gurk blickte ihm wütend entgegen, als Kyle näher kam und sich schließlich neben der Priesterin herabsinken ließ. »Rühr sie nicht an«, sagte er noch einmal. »Sie wird uns nicht verraten.«

Beim Klang seiner Stimme geschah etwas Sonderbares. Ein Zucken lief über das Gesicht der Shai-Priesterin. Ihre Augen verloren den glasigen Ausdruck, den sie die ganze Zeit über gehabt hatten, und sie hob langsam den Kopf und sah Kyle an.

Charity begriff, was geschah, bevor es wirklich passierte. Aber sie war viel zu verblüfft, um zu reagieren. Und vermutlich hätte es auch gar nichts gegeben, was sie hätte tun können.

Die Verblüffung im Blick der alten Frau machte einem jähen Entsetzen Platz. Ihre Augen weiteten sich, und plötzlich stieß sie einen gellenden Schrei aus und schlug Kyles Hände beiseite. Noch immer schreiend sprang sie auf, schlug in blinder Panik nach Kyle und taumelte an ihm vorbei. Der Megamann versuchte, sie zurückzuhalten, aber er bekam nur einen Ärmel ihres Gewandes zu fassen, der unter seinen Händen zerriß, als die Priesterin schreiend weitertaumelte.

Kyle versuchte, ihr nachzusetzen, aber seine Kräfte versagten. Er verlor die Balance und stürzte zu Boden. Auch Charity und Net versuchten, der alten Frau den Weg zu verstellen. Die Priesterin wich Net mit einem blitzschnellen Schritt zur Seite aus, und als Charity sie an den Schultern packen und herumreißen wollte, verpaßte sie ihr einen überraschend harten Schlag, der sie taumeln ließ.

Skudder stieß einen Fluch aus und rannte los. Und die Shai-Priesterin blieb abrupt stehen. Sie schrie noch immer, aber ihre Stimme hatte jetzt eine fast unmenschliche Tonlage erreicht. Speichel lief aus ihrem Mund, und ihr Gesicht war verzerrt. Sie sah wie eine Wahnsinnige aus. Gehetzt blickte sie sich um, begriff, daß ihr kein Ausweg mehr blieb - und stürzte in die einzige Richtung, aus der sich niemand auf sie zubewegte: zum Transmitter!

Kyle stieß einen erschrockenen Ausruf aus und versuchte, sich aufzurichten. Aber selbst wenn er die Kraft dazu gehabt hätte, wäre seine Bewegung zu spät gekommen. Die alte Frau erreichte den schimmernden Metallring und warf sich mit weit ausgebreiteten Armen hinein. Für einen Augenblick schien ihr Körper schwerelos im Nichts zu hängen, dann verlor er Farbe und Tiefe, wurde transparent - und verschwand.