Выбрать главу

Aber sieh dich um, Bruder Ranulf: Wird es einen neuen Kreuzzug geben, das Heilige Land zurückzuerobern? Nein, die christlichen Fürsten des Abendlandes ziehen nicht gen Osten, sie zerfleischen sich in ihren eigenen Reichen. Stehen denn nicht die Englischen und Burgundischen in Frankreich und quälen das Land, statt gen Jerusalem zu fahren? Wer von diesen Landsknechten, wer von den Adeligen, die sie führen, verschwendet auch nur einen Gedanken an Jerusalem? Und das ist längst noch nicht alles. Ketzer predigen Irrlehren mitten in den Ländern der Christenheit: Katharer, Fraticellen und wie sie alle heißen. Mit der Predigt und mit dem Feuer ringt die Inquisition gegen diese Häretiker, doch kaum haben wir irgendwo eine Irrlehre nach harten Kämpfen ausgerottet, da erhebt sich irgendwo anders eine neue Ketzerei. Die Kirche gleicht einem wohlbestellten Garten, in dem wir Inquisitoren Unkraut ausrupfen. Doch so sehr wir uns auch mühen, stets wächst irgendwo ein neues giftiges Kraut aus dem Boden.

Als ob auch dies noch nicht ausreichen würde in unserer Bedrängnis: Selbst im Schoß der Mutter Kirche wächst die Ketzerei, getarnt durch eine neue Gelehrsamkeit. Männer mit zerstörerischer Neugier und einem gefährlichen Wissen tragen das geistliche Ornat. Wie jener Lambert von Saint-Omer, dessen »Liber floribus« du, Bruder Ranulf, doch so gerne gelesen hast. Ein ehrwürdiger Chorherr, fürwahr! Doch in seinem Werk finden sich mehr Ketzereien als in den Schriften der Katharer!

Bist nicht du, mein Mitbruder, selbst ein Beispiel für jene Männer GOTTES, die vom rechten Weg abgekommen sind? Wissen willst du, um des Wissens willen. Dafür zahlst du fast jeden Preis. Hat man dir befohlen, nachts heimlich durch das Kloster zu schleichen? Ist es eine Tugend, den Inquisitor von Paris zu belügen? Gefällt es GOTT, dass du durch Paris gehst und bei Juden einkehrst? Armut, Keuschheit und Gehorsam hast du einst geschworen. Arm bist du, oh ja. Über die Keuschheit wollen wir schweigen. Gefährlich ist jedoch, dass du auch den Gehorsam vergessen hast. Wenn nicht einmal mehr Mönche den Gehorsam der Kirche gegenüber leisten, wer sollte es dann noch tun?

Überall ist die Christenheit bedroht: An den Grenzen schwingen die Ungläubigen das Schwert, im eigenen Land erheben die Ketzer ihr Haupt, während die Männer GOTTES, Mönche wie Ritter, ihre Pflichten vergessen. Allein wir, die DOMINI canes, schützen noch die Herde der Rechtgläubigen vor den reißenden Wölfen. Nun befand sich auf einmal der größte Schatz der Christenheit in unserer Hand. Wir wussten sofort, dass GOTT ihn uns überlassen hatte, um SEINE Kirche zu schützen. Doch wie hätten wir dies tun sollen? Oh, Bruder Ranulf, ich kann dir nicht schildern, wie lange und quälend unsere nächtlichen Zusammenkünfte waren, da ein jeder von uns eine andere Idee hatte. Sollten wir zum Kreuzzug rufen und allen Rittern Geld aus dem Schatz dafür geben? Doch hätten die Landsknechte uns nicht einfach das Geld geraubt und wären von hinnen gezogen, lachend über die edelmütigen Ideen einiger Mönche? Hätten wir mit Geld einen einzigen Ketzer von seinen Irrlehren abbringen können? Oder einen der neuen Männer des Wissens von seiner zerstörerischen Neugier? Sieh dich doch an, Bruder Ranulf: Du bist gefährlich, allein das Gold reizt dich nicht. Deine größte Gier ist die Neugier, doch weltliche Reichtümer lassen dich kalt. Was also tun mit unserem Schatz?

Doch der HERR, der uns jenes Gold gesandt hatte, erbarmte sich unser, als ER sah, dass wir auch nach mehreren Jahren weder aus noch ein wussten.

Eines Tages klopfte Heinrich von Lübeck an die Pforte des Klosters von Saint-Jacques. Ein aufrechter Dominikaner, der den langen Weg von Deutschland bis nach Paris gegangen war, da ihn sein Wissen quälte.

Du ahnst es: Der sterbende Kapitän der ›Kreuz der Trave‹ hatte ihm von der terra perioeci erzählt. Bruder Heinrich war ein älterer Mönch, doch in seiner noch jugendlichen Neugier glich er dir. Was verbarg sich, so fragte er sich in einem fort, hinter jenem geheimnisvollen Land der Periöken? Da er keine Antwort darauf finden konnte, kam er zu uns, denn Paris ist das Zentrum der Gelehrsamkeit. GOTT lenkte seine Schritte — denn dieser Bruder, der nicht in unser Geheimnis eingeweiht war, gab uns endlich den Schlüssel in die Hand, der uns die Tür aus unserem Gefängnis öffnete. Ich erkannte es sofort: Ein Land jenseits des Ozeans, den Christen unbekannt, den Ketzern, den Sarazenen! Es war, ich gestehe es ohne falsche Scham, eine Offenbarung des HERRN! Plötzlich sah ich alles vor meinem geistigen Auge, so klar, als würde es schon geben, was ich mir noch erträumte.

Heinrich von Lübeck hatte uns Kunde von jenem Land gebracht. Wir hatten den Schatz der Templer. Also dachte ich, dass wir beides zusammenbringen müssten. Wir sollten all das Gold und Silber in jenes Land der Periöken schaffen. Dazu ausgesuchte, glaubensstarke, verschwiegene Christen.

Was könnten sie dort, reich und ungestört von Sarazenen, Ketzern, Zweiflern, alles erschaffen! Sie könnten dort siedeln und Kirchen und Städte und Burgen errichten, ohne je Gefahr laufen zu müssen, überfallen zu werden. Sie könnten ihren Glauben rein halten ohne Anfechtung von außen oder von innen. Denn die Inquisitoren würden sie regieren und leiten in allen Dingen. Sie könnten Waffen schmieden und Schiffe bauen …

Ein Neues Jerusalem am jenseitigen Ufer des Atlantiks, das stand vor meinem geistigen Auge: strahlend, machtvoll, rein! Und dereinst, nach vielen Jahren, würden die Glaubensstreiter von dort zurückkehren über den Ozean und unser sündiges Abendland mit Feuer und Schwert und dem Eifer ihrer Religion reinigen. Sie würden weiterfahren nach Jerusalem und die heiligen Stätten erobern, auf dass nie wieder ein Ungläubiger es wage, Hand auf sie zu legen!

Ja, dies alles wurde mir in einem einzigen Augenblick in die Seele gebrannt. Ich sprach mit Engelszungen und überzeugte meine Mitbrüder, nachdem wir uns so viele Jahre uneins waren, in einer einzigen Nacht von jenem Plan. Es war ein Wunder.«

Ich wusste nicht, ob ich die Vision des Inquisitors bestaunen oder fürchten sollte. Sie war hell und strahlend wie ein Feuer - doch verbrennt man sich nicht, kommt man den Flammen zu nahe? »Habt Ihr, …«, ich wagte jene nächste Frage kaum zu stellen, doch der Inquisitor hatte Recht: Ich wollte Wissen haben um jeden Preis. »Habt Ihr Heinrich von Lübeck dann getötet, damit das Geheimnis um die terra perioeci allein bei Euch liegt?«

Philippe de Touloubre schüttelte traurig den Kopf. »Oh nein, mein junger Mitbruder, im Gegenteiclass="underline" Heinrich von Lübeck war doch SEIN Werkzeug, warum hätten wir da Hand an ihn legen wollen? Zunächst jedenfalls nicht.

Wir haben den Mitbruder aus dem fernen Norden zu einer unserer nächtlichen Zusammenkünfte gerufen - dort haben wir ihn eingeweiht. In alles, den Schatz und den Plan. Da fiel er auf die Knie, Tränen rannen über seine Wangen und er dankte GOTT für diese große Gnade, dass er bei einem so edlen Unternehmen seinen Beitrag leisten dürfe. So nahmen wir ihn auf in unsere Reihen. Als dreizehnten Mönch.

Heinrich von Lübeck war es, der Richard Helmstede dazu überredete, nach Paris zu segeln, mit der ›Kreuz der Trave‹. Denn da niemand von uns weiß, wo jenes geheimnisvolle Land genau liegt und wie es aussieht, dachten wir, es sei das beste, genau jenes Schiff zu nehmen, das erwiesenermaßen diese Reise bereits einmal überstanden hatte. Der Reeder kam denn auch nach Paris und mit ihm seine Gattin, womit wir nicht gerechnet hatten. Aber, wie du siehst: Auch dies war SEIN Wille, denn nun ist Klara Helmstede das Auge der Inquisition. Der Reeder weiß bis heute nicht, wohin die Reise gehen soll. Ich denke, dass er seine Vermutungen hat, doch ist er klug genug und schweigt. Er ahnt nicht, dass ich mit Heinrich von Lübeck in Verbindung stand und ihm Befehle gab. Denn stets schickte ich, wenn Anordnungen zu geben waren, einen unserer verschwiegenen Mitbrüder zu ihm.