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Dann entkleidete Klara sich.

Mit zwei Schritten, so elegant, wie sie sonst wohl nur Tänzerinnen auszuführen vermochten, streifte sie ihre flachen Lederschuhe ab. Dann hob sie mit einer koketten Geste die Haube mit dem Spitzenschleier vom Haupt, sodass ihr langes, blondes Haar auf ihre Schultern floss. Nun erst sah ich ihr Gesicht ohne den Schleier — und sie lächelte und blickte mich unverwandt an. Dann glitt ihr samtenes Obergewand zu Boden, darauf folgte ihr weiter, schwerer, dunkelroter Rock. Mit einem eleganten Schritt tänzelte sie hinaus aus den Gewändern, die ihr wie eine Fessel um die Füße lagen. Langsam öffnete sie die Schnüre ihres Mieders, wobei sie den Blick nicht einen Augenblick von mir nahm. Zuletzt schwebte ihr Untergewand zu Boden, leicht und lautlos wie eine Feder.

Oh, welches Wunder schuf GOTT doch am Körper des Weibes! Nackt stand Klara Helmstede vor mir. Es war dunkel gewesen in der Gasse, in der ich sie das erste Mal geliebt hatte, sodass ich ihren Körper, wiewohl mir dünkte, ihn schon tausendfach geküsst und gestreichelt zu haben, noch nie wahrhaftig gesehen hatte. Klaras helle Haut war rein und glatt. Zwei Grübchen zierten ihre Schultern am Halsansatz. Ihr Körper war kräftig, doch verunstaltete kein Fett die kleine Wölbung ihres Bauches. Ihre Brüste waren groß und fest, ihre Hüften voll und wohlgeformt.

Noch immer hatte sie kein Wort an mich gerichtet. Nun hob sie in einer spielerischen Geste die Hand und ich verstand: Sie wollte, dass nun auch ich mich entkleidete.

Mir schoss die Röte ins Gesicht, doch war ich ihr zu Willen. Ungeschickt nestelte ich an meiner Kutte und wusste dabei sehr wohl, dass ich mich meines einzigen Gewandes längst nicht so elegant entledigte wie sie sich ihres halben Dutzends.

Doch schließlich stand auch ich so vor ihr, wie ER mich erschaffen hatte. Für einen Moment hielt ich schamhaft die Hände vor meine Männlichkeit, doch dann zog ich sie zurück. Klara sollte sehen, dass ich mich nach ihr verzehrte.

Sie bedeutete mir, mich auf ihr Bett zu legen. Erst als ich mich dort- selbst lang ausgestreckt hatte, kam sie näher. Sie ging langsam und wiegte sich in den Hüften, als genieße sie jeden Schritt. Dann kniete sie sich auf das Bett und ich spürte, wie Kissen und Decken unter ihrem Gewicht ganz leicht nachgaben. Schließlich schwang sie sich in einer fließenden, tänzerischen Bewegung über mich. Doch ihre Knie hatte sie weit gespreizt, ihre Hände ruhten auf zwei Kissen. So lag ich unter ihr, hörte ihren Atem, sah jede Pore ihrer weißen Haut, sog den Duft ihrer Haare ein - und hatte doch noch nicht einmal eine ihrer Fingerkuppen berührt.

Ich vermag nicht mehr zu sagen, wie lange sie sich wohl so über mich gebeugt hatte und mein wollüstiges und quälendes Verlangen genoss. Doch endlich, endlich erlöste sie mich mit einem Kuss und nahm all mein Sehnen in sich auf.

Unde enim scis mulier si virum salvum facies aut unde scis vir si mulierem salvam facies.

*

Für eine Zeitspanne, die man nicht zu messen vermag, nahm Klara mich mit in ein anderes Reich. Weit weg vom lauten, stinkenden Paris, von den Gerüchten über die schreckliche Krankheit im Lande, weit weg von meinem Orden, von Meister Philippe, ja sogar vom toten Heinrich von Lübeck und den quälenden Fragen, die sein Hinscheiden unbeantwortet gelassen hatte.

Später, da ich erschöpft und glücklich auf den Kissen lag und mich Klaras Duft noch einhüllte wie eine unsichtbare Decke, glitt die Reedersgattin aus dem Bett und ging zu dem kleinen Tisch an der Wand hinüber. Dort öffnete sie das kostbare Kästchen und holte einen Flakon aus rotem Glas hervor, der eine farblose Flüssigkeit enthielt. Damit benetzte sie sich zwischen ihren Beinen. »Was tust du da?«, fragte ich erstaunt.

Sie lächelte. »Keine Angst, mein Geliebter«, antwortete sie, »dies ist ein Kräutersud nach einem Geheimrezept meiner alten Magd. Er wird verhindern, dass aus Bruder Ranulf Vater Ranulf wird.« Es dauerte ein paar Augenblicke, bis ich den Sinn ihrer Worte verstanden hatte.

»Aber das ist Hexenkunst!«, rief ich dann — und war doch, ich gestehe es, zugleich erleichtert darüber, dass sie über derartige Zaubermittel verfügte. Denn wie groß erst wäre die Schande, wenn ich, der Mönch und Inquisitor, mit einer verheirateten Frau ein Kind zeugen würde? Und Klara hätte für immer Rang, Vermögen und Ehre verloren. Klara lachte, dann legte sie sich wieder zu mir und schlang einen Arm um mich. »Ihr Männer wisst nichts vom Liebeszauber«, flüsterte sie in mein Ohr. »Und ihr Mönche am wenigsten von allen.«

»Es stünde auch schlimm um die Welt, wenn es anders wäre«, erwiderte ich.

»Es stünde besser um die Welt«, antwortete sie mir schnippisch. »Kennst du viele Geheimnisse der Schwarzen Magie?« Sie richtete sich auf und blickte mir forschend ins Gesicht. »Fragst du mich dies als Inquisitor?«

»Nein«, wehrte ich erschrocken ab, »ich frage dies als dein Geliebter, der will, dass es um die Welt besser steht.«

Da lachte sie und liebkoste mich. »Jakobsmuscheln sind nicht nur Symbol der frommen Pilger. Ihr Fleisch stärkt auch die Leidenschaft«, flüsterte sie. »Und wenn sich ein Weib einen Mann erobern will, so soll sie an ihren unreinen Tagen ihr Blut auffangen, trocknen und es dem Mann ins Essen mischen. Unweigerlich wird er ihr alsbald verfallen.«

Ich blickte sie entsetzt an. »Das hast du getan?«, verwunderte ich mich und schauderte.

Klara lachte. »Oh nein. Zwar weiß ich um diese Künste, doch muss ich sie nicht anwenden. Ich kann auch ohne Magie einen Mann erobern, wenn er mir gefällt.«

»Hattest du etwa schon viele Männer?«, fragte ich und spürte den eisigen Dolch der Eifersucht in meinem Herzen.

Da lachte Klara wieder. Es war ein herausforderndes, wollüstiges Lachen. »Ranulf!«, rief sie. »Sei nicht zornig deshalb, sondern freue dich darüber: Bete für jeden Mann, der mir statt meines würdigen, doch alten Gatten das Bett gewärmt hat. Segne jede meiner begangenen Sünden. Denn wäre ich eine sittsame Kaufmannsfrau, würdest du dann hier an meiner Seite liegen? Und wäre ich unerfahren, wie sollte ich dich dann in der Liebe unterweisen? So gräme dich nicht wegen meiner Vergangenheit, sondern genieße meine Gegenwart!« Dann ließ Klara ihren Worten Taten folgen - und ich betete für ihre früheren Liebhaber, segnete all ihre Sünden und genoss ihre Gegenwart, ohne noch einen weiteren Gedanken an Vergangenheit oder Zukunft zu verschwenden.

Der heiße Sommerwind wehte den Klang der Mittagsglocken ins Zimmer, als ich mich endlich aus Klaras Bett erhob. »Du musst dich eilen«, drängte meine Geliebte. »Mein Mann wird bald zum Mittagsmahl nach Hause kommen!«

Während wir uns hastig ankleideten, drangen all die Sorgen und Bedrängnisse, die Klara für ein paar Stunden vertrieben hatte, wieder in meinen Geist. Ich war schon fast an der Tür, als ich mich noch einmal umdrehte, einer plötzlichen Eingebung folgend. »Kennst du ein Land, das man terra perioeci nennt?«, wollte ich wissen.

Falls es Klara erstaunte, dass ihr nach einem Liebesabenteuer eine derartige Frage gestellt wurde, dann ließ sie es sich nicht anmerken. Sie folgte mir bis zur Zimmertür.

»Nein«, sagte sie, »davon habe ich noch nie gehört.« Doch sie sprach diese Worte zögernd aus, unsicher, so, als klänge dieser Name doch in ihrem Innern nach.

Ich küsste sie. »Denk darüber nach«, flüsterte ich. »Es ist sehr wichtig.«

»Nun«, seufzte sie, »wer sich einen Inquisitor zum Liebhaber erwählt, muss wohl mit solchen Fragen rechnen.«

Sie sinnierte lange. »Mir ist«, sagte sie schließlich, »als hätte ich diesen Namen doch schon einmal gehört. Ich kann mich aber beim besten Willen nicht mehr erinnern, wann und wo das gewesen sein mag oder was er bedeuten soll.«