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Der Maya brüllte auf, ließ Indiana fallen und stolperte in einer grotesken, halb zusammengekrümmten Haltung rückwärts. Aber aus seinem schmerzerfüllten Kreischen wurde schon nach wenigen Augenblicken ein zorniges Knurren, und als Indiana sich taumelnd auf die Füße stemmte, war das Flackern in seinem Blick kein Schmerz mehr, sondern pure Mordlust. Wenn er ihn jetzt in die Finger bekam, das begriff Indiana, dann würde er ihn umbringen. Schnell und gnadenlos und wahrscheinlich ohne daß Indiana auch nur das geringste dagegen tun konnte.

Aber zumindest konnte er es versuchen.

Als sich der Maya völlig aufrichtete, stürmte Indiana los und rammte ihm mit aller Kraft seinen Schädel in den Magen.

Es war ein Gefühl, als wäre er geradewegs gegen etwas von der Größe und Massigkeit der Cheopspyramide gelaufen. Ein dumpfer Schmerz raste durch seinen Kopf, jagte sein Rückgrat entlang und explodierte in seinem Rücken. Sein Mund war plötzlich voller Blut, als er sich selbst auf die Zunge biß.

Der Indio wankte nicht einmal.

Indiana brach wie in Zeitlupe in die Knie, sackte nach vorne und fing den Sturz im letzten Moment mit den Händen ab. Alles drehte sich um ihn herum. Stöhnend hob er den Kopf und blickte zu dem riesigen Maya empor, den er nur noch schemenhaft, aber ungeheuer groß über sich aufragen sah.

Der Indio rührte sich noch immer nicht.

Eine Sekunde verging, dann noch eine und noch eine, und der Riese verzichtete noch immer darauf, sowohl die Gelegenheit als auch Dr. Indiana Jones beim Schopfe zu ergreifen und ihm kurzerhand den Kopf von den Schultern zu reißen. Er starrte einfach auf ihn herab; aus großen, sonderbar starren Augen.

Dann fiel Indiana zweierlei auf.

Der Indio blickte eigentlich gar nicht ihn an, sondern starrte aus weit aufgerissenen Augen ins Leere.

Und der Geruch.

Der Gestank von schmorendem Haar und verbranntem Fleisch.

Trotzdem hätte er fast zu spät reagiert, als der Indio zu stürzen begann.

Stocksteif, in der gleichen starren Haltung, in der er dagestanden hatte, kippte der Maya nach vorne, und Indiana fand gerade noch Zeit, sich mit einer hastigen Bewegung zur Seite zu werfen, ehe der Riese wie ein Meteor aus Fleisch und Knochen dort aufprallte, wo er noch eben gekniet hatte.

Zwischen seinen Schulterblättern steckte wie die abgebrochene Klinge einer Axt ein dreieckiger, rotglühender Lavasplitter.

Indiana starrte das entsetzliche Bild eine Sekunde lang fassungslos an, dann sprang er mit einem entsetzten Hüpfer in die Höhe und wich zwei, drei Schritte von dem Toten zurück.

Alarmiert sah er sich um. Der Berg spie noch immer Feuer und brennende Steine aus, und das Schicksal des Maya zeigte deutlich, wie trügerisch die Sicherheit war, die der Lavahügel bot. Trotzdem überzeugte er sich gewissenhaft davon, daß dieser Maya der einzige war und sich zwischen den Spalten und Rissen des Hügels nicht noch mehr tödliche Überraschungen verbargen. Erst dann ging er zu Swanson zurück.

Sein Freund hatte das Bewußtsein verloren. Aber zumindest lebte er noch: seine Brust hob und senkte sich mit schnellen, unregelmäßigen Stößen, und seine Lippen zitterten. Als Indiana neben ihm niederkniete und ihm die Hand auf die Stirn legte, öffnete er die Augen und versuchte, den Kopf zu heben.

«Nicht bewegen«, sagte Indiana hastig.

«Was war … los?«murmelte Swanson schwach.»Wo bist du … gewesen? Ich … ich habe … gehört. Ist noch jemand … hier?«

Indiana blickte einen Herzschlag lang zu dem toten Maya hinüber. Er hatte gehofft, daß Swanson vielleicht gar nichts von dem mitbekommen hätte, was geschehen war.

Schließlich schüttelte er den Kopf und sagte laut:»Nein. Es ist nichts. Ich habe mich nur rasch umgesehen.«

«Und wie sieht es aus?«fragte Swanson.

«Nicht gut«, gestand Indiana nach kurzem Zögern.»Aber wir kommen schon durch. Ich glaube, dieser verdammte Berg beruhigt sich allmählich.«

«Hau ab, Indy«, murmelte Swanson.»Verschwinde, solange du es noch kannst. Rette dich.«

«Blödsinn. Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich dich hier einfach liegenlasse?«

«Ich sterbe«, sagte Swanson. Seine Stimme klang beinahe erleichtert, und es war nicht die mindeste Spur von Furcht darin.

«Unsinn!«widersprach Indiana.»So schnell stirbt es sich nicht. Laß mich nur ein paar Minuten ausruhen, dann bringe ich dich in die Stadt. Die Ärzte werden dich schon wieder zusammenflik-ken.«

Es war eine Lüge, und sie wußten es beide. Aber für einen Moment glaubte Indiana selbst daran, einfach weil er es glauben wollte.

«Laß mich … hier«, sagte Swanson mühsam. Seine Stimme wurde leiser. Sie zitterte jetzt, aber nicht vor Furcht, sondern nur vor Schwäche. Indiana brachte sein Ohr ganz dicht an das verwüstete Gesicht seines Freundes heran, um die Worte überhaupt noch verstehen zu können.

«Rette dich!«flüsterte Swanson.»Bring dich in Sicherheit. Ich sterbe sowieso.«

Diesmal widersprach Indiana nicht. Aber er ruhte sich auch nicht von der Stelle. Er wußte, daß Swanson die nächsten Minuten nicht überleben würde, und Swanson seinerseits schien zu spüren, daß Indiana nicht gehen würde. Er konnte es nicht. Das mindeste, was Indiana seinem Freund schuldig war, war, hier neben ihm sitzen zu bleiben, bis alles vorbei war.

Er hob den Kopf und blickte zum Berg hinauf. Der Gipfel des Vulkans war in blutiges, flackerndes Rot getaucht; dieselbe Farbe, die sich auf der Unterseite der brodelnden Wolken widerspiegelte, die den Himmel über dem Berg bedeckten. Immer wieder schossen Flammen und ganze Lawinen glühender Gesteinsbrok-ken aus dem Krater empor, und überall an seinen Flanken brachen neue glutrote Risse auf. Der Wald brannte, soweit er blicken konnte, aber sie hatten trotz allem noch Glück im Unglück gehabt: Die Regenzeit hatte vor wenigen Tagen mit aller Macht eingesetzt, und der tropische Regenwald war vollgesogen mit Feuchtigkeit, so daß selbst das Höllenfeuer des Vulkans ihn nicht vollständig in Brand setzen konnte.

Vielleicht hatte er noch eine Chance. Er.

Der Gedanke erfüllte ihn beinahe mit Zorn. Es war einfach nicht gerecht! Für einen Moment haßte er sich fast selbst dafür, noch am Leben zu sein. Dann begriff er, wie absurd dieser Gedanke war und wie falsch. Denn er machte das, was Swanson für ihn getan hatte, zu einem Nichts. Er schämte sich für seine eigenen Gedanken.

Indianas Augen füllten sich mit Tränen, als er seinen Blick vom feuerspeienden Gipfel des Berges losriß und wieder seinen sterbenden Freund ansah.

Wären sie doch niemals hierhergekommen! Er hatte kein gutes Gefühl dabei gehabt, von Anfang an nicht, aber der Abenteurer in ihm war stärker gewesen als die schwache Stimme seiner Vernunft. Swanson hatte sich nicht einmal sonderlich anstrengen müssen, um ihn zu dieser improvisierten Expedition zu überreden. Die Vorstellung allein, im Krater dieses erloschenen Vulkans vielleicht etwas zu finden, das seit fünfhundert oder auch tausend Jahren keines Menschen Auge mehr erblickt hatte, hatte auch seine letzten Zweifel beseitigt.

Erloschener Vulkan …

Die Worte hallten wie böser Spott hinter Indianas Stirn nach. Der letzte Ausbruch dieses Vulkans war mehr als zweihundert Jahre her. Jedenfalls hatte man ihm das gesagt. Und dann mußte er ausgerechnet in dem Moment wieder ausbrechen, in dem sie sich dem Kraterrand näherten!

Er verscheuchte auch diesen Gedanken, fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht, um die Tränen fortzuwischen, von denen er sich vergeblich einzureden versuchte, daß sie nur durch Rauch und Hitze entstanden waren, und beugte sich wieder zu Swanson hinab. Dessen Lippen bewegten sich. Im ersten Moment hatte Indiana Mühe, die geflüsterten Worte überhaupt noch zu verstehen. Swansons Stimme war nur noch ein Hauch.