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«Wer …?«begann er, aber der alte Mann hob die Hand und schnitt ihm das Wort ab.

«Du mußt gehen, weißer Mann. Schnell. Ich kann dich nicht mehr lange schützen.«

«Mossadera?«flüsterte Indiana.»Du bist …?«

Der alte Mann lächelte.»Geh«, sagte er.»Nimm das weiße Mädchen und geh, solange du es noch kannst.«

Und wie um seine Worte zu unterstreichen, erzitterte die Höhle unter einem weiteren gewaltigen Schlag, und diesmal brach ein ganzer Teil der Decke zusammen und riß das, was von der Altarplattform geblieben war, mit sich in die Tiefe.

Indiana fuhr herum, ergriff Joanas Hand und rannte los. Dicht gefolgt von Anita und dem alten Mann stürmten sie die Treppe wieder hinauf, und hinter ihnen stieg kochendes, zischendes Gestein in die Höhle, verschlang die Höhle und den Tempel und die Stufen der Treppe fast schneller, als sie vor ihm davonlaufen konnten. Es war so heiß, daß der Stein rings um sie herum Blasen zu werfen begann und wie weiches Wachs in der Sonne schmolz, aber irgend etwas schützte sie. Irgendeine Macht, so alt und vielleicht noch stärker als die Quetzalcoatls, ließ sie weiterleben, und sie gab ihnen die Kraft, weiterzustürmen, obwohl Indiana schon nach wenigen Schritten das Gefühl hatte, in der nächsten Sekunde einfach zusammenbrechen zu müssen. Eingehüllt in eine Woge aus brennender Luft taumelten sie aus dem Ausgang der Pyramide heraus.

Indiana wollte sich in die Richtung wenden, aus der sie gekommen waren, aber der alte Mann deutete nach rechts, und er folgte der Geste, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken. Hinter ihnen begann das ganze gewaltige Gebäude zu zerbrechen. Gezackte Risse wie erstarrte rot-glühende Blitze spalteten seine Oberfläche, und auch aus seinen Flanken begann glühende Lava zu tropfen. Selbst die große Höhle, die sich über ihnen spannte, bebte, und auch hier regneten Steine, Felstrümmer und Glut von der Decke, verfehlten sie aber wie durch ein Wunder. Sie durchquerten die Höhle, verfolgt von Rissen im Boden, in denen Glut wie weißflüssige Schlangen nach ihnen züngelte, geduckt unter einem Bombardement aus glühendem Stein und gepeinigt vom unablässigen Grollen und Krachen des Berges, der rings um sie herum zusammenzubrechen begann. Es wurde zu einem Wettlauf mit dem Tod, und daß sie ihn gewannen, war nicht ihr Verdienst, sondern einzig das des alten Mannes, dessen unfaßbare Kräfte sie schützten.

Irgendwann, nach Stunden, wie es Indiana vorkam, taumelten sie keuchend ins Freie und fanden sich am Ufer des Kratersees wieder. Das Flugzeug schaukelte vor ihnen auf den Wellen, die das brodelnde Wasser schlug. Gewaltige Gasblasen stiegen aus der Tiefe des Kraters empor und zerplatzten, und über dem Wasser hing grauer Dampf.

Indiana wollte einfach weiterstürmen, aber als sein Fuß das Wasser berührte, schrie er auf vor Schmerz und prallte zurück. Der See kochte. Weißer Schaum zischte auf den Wellen, und hier und da glühte es rot und drohend aus seiner Tiefe.

Im Zickzack rannten sie am Ufer entlang auf das Flugzeug zu und erreichten es wie durch ein Wunder abermals unverletzt. Joana riß sich los und kletterte hastig durch die offenstehende Tür der Cessna, aber Indiana blieb noch einmal stehen und drehte sich um.

Anita und der alte Mann standen hinter ihm. Anita wirkte erschöpft und war verletzt, aber Indiana entdeckte auf ihrem Gesicht nicht die mindeste Furcht, und obwohl ihm der Gedanke selbst aberwitzig erschien, wußte er, daß ihr nichts geschehen würde; so wenig wie diesem alten Mann, der älter, viel viel älter war, als er bisher geglaubt hatte.

Er wollte sich wieder umwenden und ebenfalls ins Flugzeug steigen, aber er spürte, daß noch etwas zu tun war. Abermals wandte er sich um, trat dem alten Mann entgegen und sah ihn an.

«Ihr könnt uns begleiten«, sagte er wider besseren Wissens.»Das Flugzeug ist groß genug.«

Mossadera schüttelte mit einem sanften Lächeln den Kopf.»Uns wird nichts geschehen«, sagte er.»Mach dir keine Sorgen um uns, weißer Mann. Bring das Mädchen in Sicherheit. «Er hob die Hand.

Indiana starrte seine schmalen, faltigen Finger einen Moment lang an, dann versenkte er die Hand in die Jackentasche und schloß sie um das, was er darin trug. Für einen Moment fragte er sich, wieso es ihm nicht aufgefallen war; spätestens an Bord des Schiffes. Aber vielleicht hatte es so kommen müssen. Vielleicht hatte irgend etwas dafür gesorgt, daß er es nicht merkte, damit die Dinge ihren vorgegebenen Lauf liefen.

Langsam zog er die Hand wieder hervor, betrachtete einen Moment lang die winzige, unscheinbare Kette, von deren Gliedern jedes einzelne die Form einer winzigen Schlange hatte, die sich selbst in den Schwanz biß, und ließ sie schließlich in die Handfläche des alten Mannes fallen.

«Bedauerst du es?«frage Mossadera.

Indiana dachte einen Moment lang über diese Frage nach, dann schüttelte er den Kopf.»Nein«, sagte er ehrlich.»Es gibt Dinge, die besser vergessen bleiben.«

Der alte Maya-Zauberer lächelte auf eine schwer zu deutende Art und sah auf die Kette in seiner Hand, den magischen Gegenstand, in den er selbst vor Jahrhunderten Quetzalcoatls Zauberkraft gebannt hatte. Und während er das tat, begann sie sich zu verwandeln. Die einzelnen Glieder schienen zusammenzulaufen, verbanden sich zu einem einzigen, golden schimmernden Schlangenkörper, aus dessen Schädel zwei winzige Flügel wuchsen. Eine Sekunde später war er verschwunden, und die Hand des alten Mannes war leer.

«Geh«, sagte Mossadera.»Nimm meinen Segen und den meiner Tochter und geh. Und vergiß niemals, weißer Mann, was deine eigenen Worte waren: Es gibt Geheimnisse, die besser auf ewig ungelöst bleiben.«

Langsam drehte sich Indiana um und ging auf das wartende Flugzeug zu. Joana hatte den Motor bereits gestartet und wartete ungeduldig darauf, daß er in die Kabine kletterte, und der See begann immer heftiger zu zittern und zu brodeln. Für eine Sekunde fragte er sich, ob sie es noch schaffen würden, aber schon im gleichen Moment wußte er, wie die Antwort lauten mußte. Und ohne die mindeste Hast stieg er an Bord des Flugzeugs und blickte den alten Maya und seine Tochter an, bis Joana das Flugzeug gewendet hatte und die beiden Gestalten im grauen Dunst über dem See verschwunden waren.

Zehn Minuten später jagte die Cessna mit aufheulendem Motor aus der gewaltigen Dampfwolke hervor, die sich aus dem Krater des erloschen geglaubten Vulkans erhob, und nur Augenblicke danach explodierte der Berg in einer brüllenden Feuerwolke, deren Donner noch Hunderte von Meilen entfernt zu hören war. Indiana empfand ein leises Bedauern bei dem Gedanken, daß nunmehr unwiderruflich alles vernichtet war, was von der Magie dieses uralten Volkes die Jahrhunderte überlebt hatte. Aber gleichzeitig dachte er noch einmal daran, was er selbst gesagt und Mossadera wiederholt hatte: daß es Geheimnisse gab, die besser ungelöst blieben.

Für alle Zeiten.