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Ein schepperndes Geräusch erklang, als eine der Mülltonnen umgestoßen wurde, dann sprang ein Schatten blitzschnell auf Indiana zu und versuchte, ihn von den Füßen zu reißen. Im letzten Moment wich er dem Angriff aus und duckte sich. Etwas zischte haarscharf über seinen Kopf hinweg, fegte seinen Hut herunter und riß Funken aus der Wand hinter ihm, und fast gleichzeitig traf ein Faustschlag seine Schulter und ließ ihn zurücktaumeln.

Aber noch im selben Moment hatte er seine Peitsche gelöst und holte aus.

Indiana Jones begriff einen kleinen Moment zu spät, daß eine Peitsche in einer nicht einmal eineinhalb Meter breiten Gasse eine erbärmliche Waffe war. Er holte aus, aber die geflochtene Schnur prallte gegen die Wand, lange bevor er wirklich Schwung holen konnte. Und die Zeit, sich eine andere Taktik zurechtzulegen, hatte er nicht. Der schattenhafte Angreifer fuhr herum, schlug ein zweites Mal nach ihm — und diesmal traf er.

Indiana taumelte unter einem heftigen Schlag zurück, stieß ein zweites Mal sehr unsanft gegen die Wand und brach in die Knie. Sein Kopf dröhnte. Seine linke Gesichtshälfte war taub, und er konnte nicht mehr richtig sehen. Der Kerl mußte entweder Kräfte wie ein Ochse haben, oder er hatte mit einer Waffe zugeschlagen.

Eine Hand packte Indiana an den Rockaufschlägen, riß ihn mit einem Ruck wieder in die Höhe und warf ihn zum dritten Mal gegen die Wand. Sein Hinterkopf prallte gegen hartes Mauerwerk, und der Schmerz ließ bunte Sterne und Kreise vor seinen Augen tanzen. Aber das machte ihn auch wütend.

Er ließ die nutzlose Peitsche fallen, duckte sich instinktiv, als er einen weiteren Hieb mehr spürte, als daß er ihn kommen sah, und machte einen Schritt zur Seite. Ein dunkles Krachen erklang, gefolgt von einem nur noch halb unterdrückten Schmerzenslaut. Und Indiana gestattete sich den Luxus eines flüchtigen Grinsens, als er sich vorstellte, daß die Faust, die eigentlich sein Gesicht hätte treffen sollen, mit ziemlicher Wucht gegen die Wand gekracht sein mußte.

Aber der Triumph hielt nicht lange vor. Er konnte seinen Gegner in der Dunkelheit immer noch nicht richtig erkennen, aber er sah zumindest, daß es sich um einen wahren Riesen handeln mußte. Ein Kerl von weit mehr als zwei Metern Größe und einer Schulterbreite, die jeder Beschreibung spottete. Und wenn ihm der Hieb gegen die Wand weh getan hatte, dann hatte das seine Wut höchstens noch geschürt. Indiana mußte sich plötzlich unter einem wahren Hagel von Schlägen ducken und taumelte rückwärts vor dem Angreifer zurück. Zwei, drei der wütenden Schwinger durchbrachen seine Deckung, und er hatte jedes Mal mehr Mühe, auf den Beinen zu bleiben.

Sein Fuß verhakte sich an etwas. Er stolperte, kämpfte eine Sekunde lang mit wild rudernden Armen um sein Gleichgewicht und stürzte schließlich nach hinten. Es gelang ihm zwar, den Sturz abzufangen und ihm wenigstens seine größte Wucht zu nehmen, aber der andere nutzte die sekundenlange Schwäche aus, um sich sofort auf ihn zu werfen und seinen Körper mit den Knien an den Boden zu pressen. Ein riesiges, irgendwie sonderbares Gesicht tauchte über Indiana auf, und eine noch riesigere Faust ballte sich zum entscheidenden Schlag.

Indianas wild herumtastende Hände ergriffen etwas Hartes. Blindlings packte er es, raffte jedes bißchen Kraft zusammen, das er noch fand, und schlug zu.

Es gab ein Geräusch wie ein Paukenschlag, als der Mülleimerdeckel höchst unsanft im Gesicht des Angreifers landete. Im ersten Moment fürchtete Indiana schon, nicht einmal dieser Hieb würde den Riesen aufhalten — aber dann begann die Gestalt über ihm zu wanken. Er hörte ein leises, seufzendes Stöhnen, und nach einer weiteren Sekunde kippte der Kerl einfach von ihm herunter und blieb liegen.

Indiana rappelte sich mühsam auf, wich vorsichtshalber drei, vier, fünf Schritte von der reglosen Gestalt zurück und rang keuchend nach Atem. Er war alles andere als ein Schwächling, aber er wußte, daß er den ungleichen Kampf nur noch sekundenlang durchgestanden hätte.

Aber hätte und wenn, dachte er — er hatte gewonnen, und das allein zählte. Und dieser Umstand versöhnte ihn schon wieder ein bißchen mit dem Pech, das er vorher gehabt hatte.

«Siehst du, Freund«, sagte er feixend zu dem Bewußtlosen.»Manchmal triumphiert der Geist doch über die brutale Gewalt.«

Oder auch nicht.

Das letzte, was Indiana Jones für die nächsten zwei oder auch drei Stunden bewußt wahrnahm, war der Anblick des gleichen Mülleimerdeckels, mit dem er den Angreifer niedergeschlagen hatte. Nur, daß er plötzlich in der Hand eines zweiten riesigen Schattens lag und sich schnell, sehr schnell auf sein Gesicht zubewegte.

Rasend schnell sogar.

Selbst am nächsten Morgen hatte er noch Kopfschmerzen. Irgendwann im Laufe der Nacht war er in der schmutzigen Gasse aufgewacht und hatte sich zum Hotel geschleppt, wo ihn ein höchst verschreckter Portier in Empfang genommen und auf sein Zimmer geführt hatte. Nicht, ohne ihn mindestens zwanzig Mal zu fragen, ob er die Polizei oder einen Arzt oder besser gleich beides holen solle, was Indiana nur mit Mühe und Not hatte verhindern können.

Irgendwann, lange nach Sonnenaufgang, war er dann mit dröhnendem Kopf und einem widerwärtigen Geschmack im Mund wachgeworden, völlig angezogen und noch mit Hut und Stiefeln auf dem Bett liegend. Und dann, nachdem er ins Bad getaumelt war und den Kopf fünf Minuten lang unter eiskaltes Wasser gehalten hatte, hatte er eine Überraschung erlebt.

Er war nicht ausgeraubt worden.

Seine Uhr war noch da, seine Brieftasche mit allen Papieren und dem Kreditbrief der Bank of America, den er als Reserve für Notfälle stets mit sich führte, und auch der übrige Inhalt seiner Taschen.

Dafür hatten die Angreifer ihm das Hemd in Fetzen gerissen.

Er verstand das nicht — warum hatten sich die beiden Strauchdiebe solche Mühe mit ihm gemacht, um ihm dann nicht einmal seine Wertgegenstände abzunehmen?

Aber so lange er auch darüber nachdachte, er fand keine Antwort. Vielleicht hatte er die beiden ja mit seinem unerwartet heftigen Widerstand so eingeschüchtert, daß sie froh gewesen waren, davonzukommen, und ihn einfach liegengelassen hatten.

Er ahnte, daß das nicht die ganze Wahrheit war, aber er fühlte sich viel zu miserabel, um jetzt weiter über diese Frage nachzudenken. Die nächste halbe Stunde verbrachte er damit, lang und ausgiebig und eiskalt zu duschen und seine ramponierte Kleidung wieder in Ordnung zu bringen. Als er sich endlich wieder halbwegs menschlich fühlte, war es fast elf. Und der Blick auf die Uhr erinnerte ihn wieder daran, daß am vergangenen Abend noch mehr geschehen war, als der mißglückte Raubüberfall auf ihn.

Er hatte eine Verabredung mit José. Und da sich dessen Hotel nahezu am anderen Ende der Stadt befand und sein Magen mittlerweile hörbar knurrte, sollte er vielleicht nicht noch mehr Zeit damit vertrödeln, hier herumzustehen und sich selbst leid zu tun.

Indiana suchte das letzte bißchen Bargeld zusammen, das er noch in seinen verschiedenen Kleidungsstücken fand — alles in allem nicht einmal zehn Dollar —, verließ das Zimmer, ging in die Halle hinunter und betrat einen Frühstücksraum, in dem zwei übellaunig aussehende Kellner gerade damit beschäftigt waren, das letzte Geschirr abzuräumen. Nachdem er einen von ihnen mit einer zusammengefalteten Fünfdollarnote dazu überredet hatte, ihm doch noch ein Frühstück zu servieren — kalten Kaffee, pappige Brötchen und zwei Scheiben Wurst, die eindeutig älter waren als der Whisky im PALLADIUM —, schlang er alles lustlos herunter und verließ das Hotel. Er hatte jetzt noch eine halbe Stunde Zeit, um zur Bank zu gehen und dann noch pünktlich zu seiner Verabredung mit José zu kommen. Knapp, aber er konnte es schaffen.

Wie immer, wenn man wirklich eines braucht, war kein Taxi in der Nähe, und um ihm den Tag vollends zu vergällen, hatte sich der Himmel mit dunklen Wolken überzogen; es sah nach Regen aus. Indiana seufzte ergeben, rammte die Hände in die Jackentaschen, zog die Schultern hoch und ging los.