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«Da draußen ist irgend etwas«, sagte Ganty plötzlich.

Ihre Aufmerksamkeit wandte sich wieder dem Ozean zu. Im Verlauf der letzten Stunde war es merklich dunkler geworden, denn Vulkanasche und Staub verfinsterten den Himmel, so daß es Indiana schwerfiel, irgend etwas zu erkennen, was weiter als hundert oder hundertfünfzig Meter entfernt war. Die Flotte aus Schilfbooten war zu einer Ansammlung verschwommener Schemen geworden, gerade noch an der Grenze des überhaupt Sichtbaren, so daß man sie eigentlich nur noch erkannte, wenn man wußte, daß sie da waren.

Und trotzdem glaubte nach einigen Minuten auch er, dort draußen eine Bewegung wahrzunehmen.

Es war nicht so, daß er sie wirklich sah, es war eher das Gefühl, daß sich irgend etwas Riesiges, Lautloses und Unsicht bares der Insel näherte. Und er war mit diesem Gefühl nicht allein. Außer Ganty und Jonas blickten auch die meisten anderen mit einer Mischung aus Neugier und allmählich immer größer werdender Beunruhigung auf den Ozean hinaus.

«Was ist das?«flüsterte Nancy. Ihre Stimme zitterte. Aber sie war nicht die einzige, die Angst hatte, sie war nur die einzige, der man es so deutlich anmerkte.

Niemand antwortete. Draußen auf dem Meer geschah etwas.

Indiana konnte immer noch nicht genau erkennen, was es war, aber einige Schilfboote änderten plötzlich ihren Kurs und begannen in alle Richtungen davonzurudern, wobei sich zwei oder drei der Insel sogar wieder näherten. Was immer dort vom Meer herkam, es mußte die Polynesier in helle Panik versetzen.

Plötzlich begann das Wasser zwischen den winzigen Booten zu schäumen. Sprudelnde Luftblasen stiegen auf, und darunter wuchs ein kolossaler, schwarzer Schatten heran. Augenblicke später durchbrachen der Turm und gleich darauf auch das Deck eines Unterseebootes die Meeresoberfläche.

Indiana sog erschrocken die Luft zwischen den Zähnen ein, als er die Hoheitszeichen an dem Turm erkannte. Es war ein Unterseeboot der deutschen Marine!

«Dieser verdammte Hund«, murmelte Ganty.

«Wer?«fragte Jonas.

«Delano!«Ganty lachte vollkommen humorlos.»Er hat uns alle reingelegt, verstehen Sie nicht? Jonas hat nicht der HENDERSON Signale gegeben, sondern dem Schiff dort! Wahrscheinlich hat es die ganze Zeit über vor der Insel gelegen und auf ein Zeichen gewartet! Dieser verdammte Hund!«

«Worüber regen Sie sich denn bloß auf?«fragte Jonas scharf.

«Das dort draußen sind wenigstens keine menschenfressen den Wilden.«

«Sind Sie sicher?«fragte Ganty leise.

Jonas blickte ihn beinahe wütend an, antwortete aber nicht mehr, sondern blickte wieder aufs Meer hinaus.

Die Druckwelle des auftauchenden U-Bootes hatte mehrere Schilfboote kentern lassen. Die Polynesier schwammen in panischer Angst vor dem stählernen Giganten davon, einige auf die Insel zu, andere aber auch direkt in die offene See hinaus, als zögen sie den sicheren Tod in den Wellen der bloßen Nähe des eisernen Ungeheuers vor, das das Meer da ausgespien hatte.

Das U-Boot selbst bewegte sich ganz langsam weiter auf die Insel zu, ohne von den Polynesien oder der Flotte aus winzigen Schilfbooten Notiz zu nehmen.

«Warum beeilen sie sich nicht?«murmelte Nancy.»Mein Gott, wir … wir werden alle sterben, ehe sie hier sind!«Ihre Stimme wurde schrill. Indiana begriff, daß sie ganz kurz davor stand, hysterisch zu werden.

«Keine Angst«, sagte er beruhigend.»Sie schaffen es schon noch.«

«Wir sollten sie lieber warnen«, fügte Barlowe hinzu.»Es nutzt uns nicht viel, wenn sie auf ein Riff auflaufen und stranden. Mit einem leckgeschlagenen Boot kommen wir nicht von hier fort!«

«Das wird bestimmt nicht passieren«, sagte Jonas überzeugt.

«Der Kapitän versteht sein Handwerk.«

«Woher wissen Sie das?«fragte Indiana.

Jonas fuhr ganz leicht zusammen, hatte sich aber sofort wieder in der Gewalt.»Das sagt mir die Logik, Indy«, antwor tete er lächelnd.»Nur weil die Deutschen unsere Feinde sind, sind sie nicht automatisch blöd. Würden Sie einem Dummkopf das Kommando über ein Unterseeboot geben?«

«Nein«, erwiderte Indiana.»Aber Sie haben immerhin einem Dummkopf die Gewalt über ihr ganzes Volk gegeben.«

Die Worte waren eine ganz bewußte Provokation, aber wenn sie wirkte, so hatte sich Jonas so gut in der Gewalt, daß er sich nichts von seinen wahren Gefühlen anmerken ließ. Er lächelte nur und sagte:»Ich würde Hitler nicht unbedingt als Dumm kopf bezeichnen. Er ist vielleicht verrückt, aber kein Narr.«

Indiana ersparte sich eine Antwort. Er war nicht sicher, ob er nach allem nicht allmählich anfing, Gespenster zu sehen. Aber er nahm sich auf jeden Fall vor, Jonas ein wenig gründlicher im Auge zu behalten als bisher.

Das Turmluk des Unterseebootes wurde geöffnet. Eine Gestalt erschien hinter der Turmverkleidung, und Augenblicke später flammte ein starker Scheinwerfer auf und tauchte die Steilküste in fast unangenehme Helligkeit. Eine Stimme rief etwas, das Indiana nicht verstehen konnte, aber einer der deutschen Soldaten antwortete in seiner Muttersprache, und nach einigen Augenblicken begann sich das Deck des Bootes mit Gestalten zu füllen. Schlauchboote wurden herangeschafft und in aller Hast aufgeblasen.

Der Vulkan brüllte den Eindringlingen ein zorniges Willkommen entgegen und spie Flammen und Rauch. Glühende Trümmer regneten rings um das Unterseeboot vom Himmel und ließen das Wasser aufspritzen wie Granatenschläge. Die Soldaten auf dem Deck des U-Bootes duckten sich er schrocken, und auch Indiana und die anderen sahen sich instinktiv nach einer Deckung um.

Einer der SS-Soldaten verlor die Nerven und sprang ins Wasser. Die brüllende Gischt verschlang ihn. Er tauchte nicht wieder auf.

Und plötzlich hörte Indiana einen Laut, der ihm das Blut in den Adern gerinnen ließ. Entsetzt fuhr er herum und schrie auf, als er den Krater sah.

Der Berg schleuderte noch immer Funken und geschmolzenes Gestein gegen den Himmel, aber inmitten dieses lodernden Infernos wälzte sich auch eine gewaltige, grauweiße Dampf wolke empor, und das fürchterliche Zischen, das Indiana gehört hatte, wurde immer lauter.

«Das Wasser dringt ein!«schrie Ganty mit überschnappender Stimme.»Das ist das Ende! Um Gottes willen — springt!«

Indiana begriff einen Sekundenbruchteil zu spät, was Ganty vorhatte. Er versuchte ihn zurückzuhalten, aber er kam zu spät.

Ganty nahm zwei Schritte Anlauf, stieß sich mit aller Kraft ab und sprang ins Wasser hinab.

Wie der SS-Soldat vor ihm ging er auf der Stelle unter, und Indiana war für einen Moment überzeugt, daß auch er nie wieder auftauchen würde. Aber er hatte entweder mehr Glück oder seine Position besser gewählt: statt in die Tiefe gezogen oder von der Brandung gegen die Felsen geworfen und zerschmettert zu werden, tauchte er nach einigen Augenblicken wieder auf und begann mit kräftigen Stößen auf das U-Boot zuzuschwimmen. Schließlich begriff Indiana, was ihn gerettet hatte: Aus der Höhle, in der der unterirdische» Hafen «der Langohren lag, ergoß sich eine starke Unterströmung ins Meer, die Ganty nutzte, um der Brandung zu entkommen. Er näherte sich sehr schnell dem Unterseeboot und kletterte mit Hilfe eines Seiles, das ihm entgegengeworfen wurde, auf das Deck hinauf.

Ein furchtbarer Erdstoß riß Indiana von den Füßen. Er stürzte, wälzte sich blitzschnell auf den Rücken und keuchte vor Entsetzen. Der Vulkan schien hinter ihnen regelrecht zu explodieren. Häusergroße Trümmerstücke flogen in den Himmel hinauf, und der Kampf zwischen Flammen und Dampf war zu einem Inferno geworden. Die Insel brach auseinander. Nicht irgendwann, nicht in einer Stunde, sondern jetzt.

«Springt!«schrie er.»Schwimmt zum Boot!«

Seine Stimme ging im Brüllen des Vulkans einfach unter, aber auch die anderen hatten gesehen, was Ganty getan hatte, und folgten seinem Beispiel. Einer nach dem anderen riskierte den Sprung in die kochenden Fluten hinab; immerhin eine winzige Chance gegen den sicheren Tod, der sie hier erwartete.