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Auch der Kommandant des Unterseebootes schien die Gefahr begriffen zu haben, in der sein Schiff schwebte. Die Soldaten hatten aufgehört, an ihren Schlauchbooten herumzubasteln, und warfen statt dessen Taue und Rettungsringe ins Wasser, während sich das Schiff bereits langsam von der Insel zu entfernen begann.

Indiana, Jonas und einer der Soldaten waren die letzten, die sich dem Punkt über dem Höhleneingang näherten, von dem aus Ganty gesprungen war, und Indiana drehte sich noch einmal um und blickte zum Dschungel zurück.

Er wünschte sich fast, es nicht getan zu haben.

Der Waldrand war nicht mehr leer.

Mindestens fünfzig Langohren waren aus dem Unterholz aufgetaucht und bildeten eine wie mit dem Lineal gezogene Linie vor dem Dschungel. Und in der Mitte dieser Kette, überragt von einem drei Meter hohen Koloß aus schwarzem Basalt, stand Sandstein. In den Händen hielt sie den Feuerkri stall.

Sie waren die ganze Zeit über da gewesen, das begriff Indiana plötzlich. Sie hatten sich eingebildet, ihnen entkommen zu sein, aber das stimmte nicht. Es hatte keine einzige Sekunde gestimmt. Sandstein und ihre Krieger mußten ihnen vom ersten Augenblick an gefolgt sein, und Indiana wußte jetzt auch, warum. Wenn schon nicht die Langohren selbst, so hatte doch ihre Herrin begriffen, daß es keineswegs der Zorn ihres Gottes war, der ihrer Insel den Untergang brachte, und sie war gekommen, um Rache zu üben. Das Höllenfeuer, das im Takt ihres Herzschlages im Inneren des Kristalls pulsierte, würde das Unterseeboot treffen und ebenso zerstören wie Delanos Kanonenboot.

Sandstein lachte; es war ein schriller, fast dämonischer Laut, der nichts Menschliches mehr an sich hatte. Dann trat sie einen Schritt vor und hob den glühenden Kristall mit beiden Händen in die Höhe.

Die Kanone des Unterseebootes stieß eine meterlange Feuer zunge aus. Die Granate heulte so dich über Indiana hinweg, daß er die Hitze des Geschosses spüren konnte, traf den steinernen Riesen hinter Sandstein und riß ihn und ein halbes Dutzend Langohren und Adele Sandstein selbst in Stücke. Der Kristall flog in hohem Bogen davon und fiel zu Boden. Das pulsierende rote Licht in seinem Herzen erlosch.

Und Jonas rannte los.

«Jonas — nein!«brüllte Indiana. Er ahnte, was Jonas vorhatte, und er wußte auch, daß er selbst zu spät kommen würde. Trotzdem stürzte er hinter ihm her, sammelte all seine verblie bene Kraft zu einem gewaltigen Hechtsprung — und verfehlte ihn.

Seine weit vorgestreckten Hände griffen ins Leere. Er fiel schwer zu Boden, versuchte sich hochzustemmen und stöhnte vor Schmerz auf, als er seinen linken Arm betastete. Sein Handgelenk war verstaucht, wenn nicht gebrochen.

«Jonas, tun Sie es nicht!«schrie er verzweifelt.»Um Gottes willen — rühren Sie ihn nicht an!«

Aber es war zu spät. Jonas hatte den Feuerkristall erreicht, bückte sich mit einer hastigen Bewegung und hob ihn auf. Im Inneren des blutroten Balles begann ein düsteres Licht zu pulsieren.

Vielleicht wäre es auch jetzt noch nicht zu spät gewesen, hätten sich in diesem Augenblick nicht einige der überlebenden Polynesier-Krieger umgewandt, um sich auf Jonas zu werfen und ihm ihr Heiligtum zu entreißen. Pfeile und Speere flogen in seine Richtung. Eines der Geschosse traf seine Schulter und schleuderte ihn zu Boden. Doch auch bei diesem Sturz ließ er den Kristall nicht los.

Indiana schloß im letzten Moment die Augen, aber es war wie unten in der Höhle — das Licht drang mühelos durch seine geschlossenen Lider, so daß er trotzdem jedes noch so winzige Detail der furchtbaren Szene sah. Ein roter, pulsierender Strahl brach aus dem Kristall in Jonas’ Händen, traf die heranstür menden Langohren und verbrannte sie zu Asche.

Aber es blieb nicht bei diesem einen Blitz. Jonas kam tor kelnd auf die Füße. Er schrie wie von Sinnen und hielt den Kristall hoch über seinem Kopf. Blitz auf Blitz züngelte aus dem Kristall. Der rote Tod fuhr wie eine Sense aus Licht unter die Polynesier, selbst als sich diese in heller Panik zur Flucht wandten, und tötete jeden einzelnen Mann, als wäre Jonas in einen Blutrausch geraten, in dem er kein Halten mehr kannte.

Selbst als es keine lebenden Ziele mehr für ihn gab, spie der Kristall immer weiter Flammen und Licht, die den Waldrand auf mehr als hundert Meter Länge in Brand setzten.

«Jonas!«stöhnte Indiana.»Hören Sie auf!«

Jonas erstarrte. Die Flut bösen, roten Lichtes versiegte, während er sich ganz langsam zu Indiana herumdrehte. Sein Gesicht war verzerrt. In seinen Augen brannte ein Feuer, das kaum weniger verzehrend und höllisch war wie die Blitze des Feuerkristalls. Das Gesicht, in das Indiana blickte, war das Gesicht eines Wahnsinnigen.

Trotzdem versuchte er noch einmal, mit ihm zu reden.»Jo nas!«sagte er beschwörend.»Werfen Sie ihn weg! Wehren Sie sich! Sie können es!«

Jonas stöhnte. Sein Blick flackerte, und für einen winzigen Moment wich das höllische Feuer darin einem Ausdruck abgrundtiefen Entsetzens und Schreckens, einem Gefühl von der gleichen Tiefe und dem Grauen, wie es auch Indiana verspürt hatte, als er den Kristall in Händen hielt.

«Kämpfen Sie!«sagte er beschwörend.»Kämpfen Sie dage gen, Jonas! Werfen Sie dieses verdammte Ding ins Meer!«

Er konnte den qualvollen Kampf, der sich hinter Jonas’ Stirn abspielte, beinahe sehen. Jonas wimmerte wie unter unerträgli chen Schmerzen, begann zu schwanken und krümmte sich.

Und er verlor den Kampf.

Indiana war auf die Füße gesprungen und lief auf ihn zu. Der Ausdruck von Schmerz und Qual in Jonas’ Augen erlosch, eine Sekunde, ehe Indiana ihn erreichte. Von einem Herzschlag auf den anderen blickte er in die Augen eines Wesens, das nur noch wie ein Mensch aussah, aber keiner mehr war.

Der Kristall in Jonas’ Händen begann zu pulsieren. Ein blutrotes, düsteres Licht glühte im Rhythmus seines Herzschla ges in seinem Inneren auf, und Indiana war fast sicher, daß nun er an der Reihe war, von dem roten Licht verzehrt zu werden.

Aber Jonas tötete ihn nicht. Indiana erfuhr nie, warum er sein Leben verschonte, aber er tat es. Statt ihn mit einem Blitz niederzustrecken, beschränkte sich Jonas darauf, Indiana den Kristall mit solcher Wucht gegen die Schläfe zu schmettern, daß er auf der Stelle das Bewußtsein verlor.

Dreißig Meter unter dem Meer Eine Stunde später

Er kam wieder zu sich, als man ihn an Bord des U-Bootes brachte, aber Indiana erinnerte sich an das, was in der darauf folgenden Stunde geschehen war, nur wie an einen Traum: schemenhaft und verschwommen. Das Boot war sofort in See gegangen und wohl auch getaucht, denn er erinnerte sich, nicht lange danach ein unheimliches Grollen und Dröhnen vernom men zu haben, gefolgt von einer Erschütterung, die das Boot wild hin und her warf und den stählernen Rumpf wie ein lebendes Wesen, das Schmerzen litt, aufstöhnen ließ. Danach war der Bootsrumpf lange Zeit vom Schrillen der Alarmglok-ken und aufgeregten Stimmen und den Geräuschen rennender Menschen erfüllt gewesen, aber schließlich war wieder Ruhe eingekehrt, und erst dann hatte Indiana wirklich verstanden, was geschehen war: Die Insel der Langohren existierte nicht mehr.

Indiana fand erst richtig ins Bewußtsein zurück, als die Tür geöffnet wurde und irgend jemand die winzige Kabine betrat, in der er sich befand. Ganz flüchtig schoß ihm durch den Kopf, welchen Luxus die» Einzelzelle «darstellte, in die man ihn gebracht hatte. Mit all den zusätzlichen Passagieren und Gefangenen mußte in dem Unterseeboot eine geradezu uner trägliche Enge herrschen.

Er öffnete die Augen. Im ersten Moment sah er nichts als bunte Schlieren und Bewegung, aber dann gewahrte er einen hellen Fleck über sich, der rasch zum Gesicht eines dunkelhaa rigen Mannes gerann, den er nicht kannte. Einen Augenblick später konnte er auch die Uniform erkennen, die der Unbe kannte trug.