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Der Kies brodelte und spritzte zur Seite. Das Gras des Rasens stob auseinander. Zwei steinerne Blumentöpfe explodierten wie Bomben. Jack rannte den Hügel hinunter zum Tennisplatz. Eine riesige Woge aus aufplatzendem Gras und Erdklumpen verfolgte ihn.

Quintus Miller war so dicht hinter Jack, dass dieser es nicht wagte, zurückzusehen und sich ihm mit den letzten Tropfen Weihwasser bewaffnet zu stellen.

Jack rannte und rannte, bis er so schnell war, dass er nicht einmal hätte anhalten können, wenn er es denn gewollt hätte. Er überquerte den unter Wasser stehenden Tennisplatz. Seine Schuhe platschten durch die Pfützen. Der Asphalt wurde nur einen Meter hinter seinen Hacken aufgerissen. Er erreichte den Rand des überlaufenden Schwimmbeckens, versuchte auszuweichen, stolperte und fiel mit rudernden Armen seitwärts in die kalte, trübe, widerliche Brühe. Noch im Fallen dachte er: Was auch immer passiert, lass bloß nicht das Weihwasser los.

Die Kälte ließ ihn nach Luft ringen. Er kämpfte sich unter Wasser in Richtung Oberfläche durch, dabei entglitt ihm seine Taschenlampe. Sie verschwand als schwache Funzel in der Tiefe.

Da platzten die Fliesen am Pool auf und Quintus Miller tauchte mit einer enormen Explosion von Blasen, Dreck und aufgewühltem Schlamm ins Wasser ein. Jack schrie, schoss an die Oberfläche und sog gierig Luft ein. Doch Quintus erwischte ihn am Knöchel und zog ihn wieder hinab.

Jack wand sich und trat um sich, doch Quintus war entschlossen, ihn nicht gehen zu lassen. Er umschloss Jacks Hüfte, dann seinen Oberkörper und zog ihn nach hinten. Verzweifelt nach Luft ringend, fühlte Jack Quintus’ kräftige Finger, die sich auf der Suche nach den Augenhöhlen in sein Gesicht gruben.

Jack schlug mit der Perrier-Flasche nach Quintus, doch der Hieb ging daneben und diesmal ließ er sie fallen. Quintus’ Gegenangriff bestand darin, Jack an der Kehle zu packen und ihm die Daumen direkt unterhalb des Kiefers in den Hals zu bohren. Jacks Augen quollen hervor und Luftblasen drangen durch die zusammengebissene Zähne aus seinem Körper. Es fühlte sich an, als wollte Quintus sein ganzes Gesicht entzweibrechen.

Jack peitschte um sich – und berührte dabei etwas, das ihm schrecklich vertraut vorkam. Der ekelerregende Sack, in dem sich die unappetitlichen Überreste von Joseph Lovelittles zweiköpfigem Schäferhund befanden. Instinktiv zog er ihn an sich.

Er hat Angst vor Hunden. Sein Vater hetzte ihm den Wachhund der Familie auf den Hals, nachdem er seine Brüder und seine Mutter getötet hatte – hätte ihn fast umgebracht – Angst vor Hunden …

Während Jack erstes Wasser durch die Nase einatmete, zog er das Knie an und rammte es Quintus in die Brust – einmal, noch einmal und ein drittes Mal. Sein Angreifer lockerte den Griff, doch er drehte sich um ihn herum, um ihn an der Hüfte zu packen und seinen Oberkörper nach hinten zu ziehen.

Jack öffnete den Sack und fummelte angeekelt darin herum. Schließlich zerrte er den zweiköpfigen Hund an seinem wasserdurchtränkten Genick heraus. Er konnte ihn in der trüben Dunkelheit des Schwimmbeckens nicht genau sehen, doch Quintus würde ihn so deutlich vor seinem inneren Auge erkennen, als ob ein Flutlicht darauf schien.

Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Jack, dass es nicht klappen würde. Doch dann krümmte sich Quintus und verkrampfte. Er wirbelte von Jack weg, doch dieser konnte die epileptischen Anfälle deutlich wahrnehmen – genauso wie den sprudelnden Schrei absoluten Entsetzens.

Jack beförderte sich durch Treten an die Oberfläche des Pools, doch er hielt den monströsen Hund immer noch fest in der Hand. Die plätschernden Wellen, die in Richtung des Beckenrands schwappten, verrieten ihm, wohin Quintus verschwunden war. Der Himmel wurde langsam hell, auch wenn es immer noch regnete.

Die Fliesen am anderen Ende des Pools krachten und splitterten entzwei, als Quintus von Krämpfen geschüttelt das Wasser verließ und in die Erde zurückkroch. Jack nahm die Verfolgung auf und erreichte bald die Leiter. In diesem Moment hörte er etwas ganz dicht neben sich klirren. Es war die Perrier-Flasche, die auf der Wasseroberfläche schwamm und gegen den Rand prallte. Er nahm sie an sich – hätte sie am liebsten geküsst.

Jack schwang sich die Leiter hinauf, so gut das mit seinen klatschnassen Klamotten eben ging, und setzte Quintus über das Gras nach. Wie ein Schild oder einen grässlichen Talisman hielt er den missgebildeten Hund mit den zwei Köpfen ausgestreckt vor sich.

Quintus erreichte die niedrige Ziegelsteinmauer, welche die Wiese von den Bäumen trennte. Das Schieben und Schleifen im Mauerwerk verriet Jack, dass Quintus sich zwischen zwei Reihen von Steinstufen in einem etwa vier Meter großen Abschnitt der Mauer befand. Er fühlte sich an einen Mann mit chronischer Erkältung erinnert, der sich unter seiner Bettdecke verkroch.

Jack legte den Hundekadaver ganz in der Nähe ab und öffnete dann zielstrebig die Flasche mit dem Weihwasser. Er ging einmal um den Mauerabschnitt herum, sprach sein Gebet und verteilte das Wasser.

»Quintus!«, schrie er. »Kannst du mich hören, Quintus? Du sitzt in der Falle, hier kommst du nicht mehr raus!«

Es kam keine Antwort, doch die Steine rieben trocken gegeneinander, als ob jemand mit einem Mund voller Sand mit den Zähnen knirschte.

»Quintus, wo ist Karen? Was hast du mit ihr angestellt, Quintus? Ich werde nicht zulassen, dass du sie opferst, Quintus! Hast du mich verstanden?«

Du erbärmlicher Wurm, ließ sich Quintus’ schroffe Stimme plötzlich vernehmen. Ich kann sie nicht opfern, weil sie längst tot ist. Du hast mir keine Zeit gelassen, du mit deinem Weihwasser und deinen stümperhaften Gebeten! Ich habe sie wegen dir getötet!

»Du lügst!«, schrie Jack in Richtung Mauer. »Du hältst sie irgendwo versteckt!«

Ich wünschte, es wäre so. Aber sie ist tot, Jack. Zermatscht wie Tomaten.

Jack sog zweimal schnell und zitternd die Luft ein: »Oh Herr, sorg dafür, dass dieser Sünder in der Mauer eingesperrt bleibt, denn er hat alles verdient, was bald auf ihn zukommt, Amen.«

Mit steifen Gliedern drehte er sich herum und stapfte wieder Richtung The Oaks zurück. Er war zu erschöpft, um zu rennen. Am hinteren Ende des Gewächshauses hatte er einen Schuppen gesehen. Und wo ein Schuppen war, fand sich in der Regel auch Werkzeug.

Die kleine Hütte war mit einem Schloss verriegelt, doch alles war so morsch, dass er die Tür mit Leichtigkeit aus ihren rostigen Angeln treten konnte. Im Inneren fand er haufenweise Blumentöpfe, einen Rasenmäher aus grauer Vorzeit, Benzinkanister, Unmengen von Pflanzstäben aus Bambus und genau das, was er jetzt brauchte – eine Spitzhacke.

Erschöpft machte er sich über die Wiese wieder auf den Weg zur Mauer, in die Quintus eingesperrt war. Die Sonne schimmerte schwach durch die Wolken und glänzte auf dem regendurchtränkten Gras.

Jack lockerte mit der Hacke die beiden oberen Reihen der Mauersteine. Dann nahm er sich die nächsten vor und setzte sein Werk fort, bis die Absperrung in sich zusammenfiel.

Quintus fing an zu toben. Bleib weg, du Arschloch! Bleib bloß weg! Ich werde dich dafür töten, ich werde dich in Stücke reißen!

Doch Jack reagierte gar nicht darauf. Er war viel zu erschöpft, um sich eine Antwort zurechtzulegen, setzte einfach unverdrossen sein Werk fort und hämmerte weiter auf die Mauerreste ein, bis er Quintus in die hinterste Ecke zurückgedrängt hatte.

Nein!, schrie Quintus. Wenn du mich anrührst, bringe ich dich um!

Jack schwang die Hacke erneut. Plock. Die Ziegelsteine schlugen dumpf gegeneinander, als sie auf die Wiese polterten. »Jetzt hast du keine Rückzugsmöglichkeit mehr, Quintus. Tja, das war’s dann wohl.«