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Jaina dachte an Kael’thas Sonnenwanderer und Arthas Menethil, und obwohl es ihr sonst eigentlich gar nicht ähnlich sah, überkam sie dabei ein Hauch von Verbitterung. Beide Männer waren so klug und wundervoll gewesen, und beide hatten sie geliebt. Den einen hatte sie respektiert und bewundert, die Liebe des anderen hatte sie in vollen Zügen erwidert. Doch dann waren beide dem Ruf der dunklen Mächte und den Schwächen ihrer eigenen Natur erlegen. Sie lächelte, allerdings ohne jede Leichtigkeit.

„Ich fürchte, ich habe kein glückliches Händchen, wenn es darum geht, einen Lebensgefährten zu wählen“, meinte sie, dann zwang sie ihre Verzweiflung und Trauer zurück und legte ihre kleine, blasse Hand in seine Pranke. „Aber bei der Wahl meiner Freunde habe ich mehr Glück.“

Die beiden saßen noch lange, lange nebeneinander.

4

Als Jaina nach ihrem Treffen mit Thrall in Richtung Theramore zurückruderte, begann es zu regnen. Und obwohl die Kälte und Nässe ihr Unbehagen bereiteten, war sie doch froh darum, denn bei solch schlechtem Wetter würden sich nur die wenigsten Leute vor die Tür wagen. Sie machte das kleine Boot bei den Docks fest, wobei sie auf dem glitschigen Holz kurz um ihr Gleichgewicht kämpfen musste, dann huschte sie, unbemerkt im Schutze des beständigen Regens, zu dem Geheimeingang des Turms, der durch Magie verborgen blieb. Kurz darauf war sie schon wieder in ihrem gemütlichen Begrüßungszimmer, wo sie zitternd ein Feuer entzündete, indem sie einen Zauber murmelte und mit den Fingern schnippte. Anschließend trocknete sie mit demselben Zauber ihre Kleider und nahm den Umhang ab.

Nachdem sie Tee aufgebrüht hatte, nahm sie sich ein paar Plätzchen und stellte sie mitsamt der Kanne auf einen kleinen Tisch, dann machte sie es sich vor dem Feuer bequem. Ihre Gedanken kreisten noch immer um das, was Thrall gesagt hatte. Er hatte einen so … zufriedenen Eindruck gemacht. So ruhig. Doch wie konnte er jetzt ruhig sein? Es ließ sich nicht daran rütteln: In gewisser Weise hatte er seinem Volk den Rücken gekehrt, und weil er die Zügel ausgerechnet an Garrosh weitergereicht hatte, sahen sie nun einem unausweichlich erscheinenden Krieg entgegen. Wenn Anduin doch nur älter wäre, dann könnte er ihr jetzt ein wertvoller Verbündeter sein. Aber die Jugend war ohnehin schon viel zu kurz, und Jaina bedauerte sofort, dass sie einen solchen Wunsch auch nur einen Moment lang gehegt hatte. Anduin sollte keinen Tag dieser kostbaren Zeit verpassen.

Was Thrall betraf – Go’el; es würde noch eine Weile dauern, bevor sie sich an diesen neuen Namen gewöhnt hatte –, so war er jetzt verheiratet. Was bedeutete das für die Horde? Wollte er vielleicht, dass sein Sohn oder seine Tochter eines Tages den Thron bestieg? Würde er wieder die Führung der Horde übernehmen, falls ihm seine Aggra ein Kind gebar?

„Habt Ihr mir auch ein paar Plätzchen übrig gelassen, Lady?“ Es war eine weibliche Stimme, jugendlich, ein wenig schrill.

Jaina lächelte, drehte sich aber nicht herum. Sie war so in ihre Gedanken vertieft gewesen, dass sie das charakteristische Summen des Teleportationszaubers gar nicht gehört hatte. „Kinndy, falls du Plätzchen möchtest, kannst du dir gern welche backen.“

Ihre Schülerin lachte fröhlich und hüpfte Jaina gegenüber auf einen Stuhl, der neben dem lodernden Feuer stand. Dann griff sie nach einer Teetasse und einem der angesprochenen Plätzchen. „Aber meine sind nur Lehrlings-Plätzchen. Eure sind Meister-Plätzchen. Die schmecken viel besser.“

„Ich bin sicher, du kommst bald dahinter, wie man die Schokoladenstückchen richtig unter den Teig mischt“, erklärte Jaina, noch immer mit unbewegtem Gesichtsausdruck. „Und deine Apfelriegel sind doch schon aller Ehren wert.“

„Freut mich, dass Ihr das so seht“, sagte Kinndy Funkenleuchter. Selbst für einen Gnom war sie außergewöhnlich kess, und so, wie sie ihre hellrosafarbenen Haare zu Zöpfen nach hinten gebunden hatte, wirkte sie viel jünger als zweiundzwanzig – was nach den Maßstäben ihrer Rasse aber ohnehin nur eine Jugendliche aus ihr machte. Es wäre leicht gewesen, sie als munteres kleines Ding abzutun, das zwar süß, aber substanzlos war, ebenso wie die Zuckerwatte, an die ihr rosafarbenes Haar erinnerte. Aber blickte man erst in ihre großen blauen Augen, so konnte man dort einen wachen Geist erkennen, der ihr unschuldiges Gesicht Lügen strafte. Jaina hatte sie vor mehreren Monaten als ihre Schülerin angenommen; nicht, dass sie wirklich eine Wahl gehabt hätte.

Rhonin, der die Kirin Tor durch den Nexus-Krieg geführt hatte und auch jetzt noch ihr Oberhaupt war, hatte Jaina kurz nach dem Kataklysmus zu sich gebeten. Sie hatte ihn noch nie zuvor so nachdenklich gesehen wie an jenem Tag, als er sie im Purpursalon empfangen hatte, einem besonderen Raum, der – soweit Jaina wusste – nur durch ein Portal zu erreichen war. Nachdem er zwei Gläser mit prickelndem dalaranischem Wein gefüllt hatte, hatte er sich neben sie gesetzt und sie durchdringend gemustert.

„Rhonin“, hatte sie leise gefragt, ohne auch nur an dem köstlichen Getränk zu nippen. „Was habt Ihr? Ist etwas geschehen?“

„Nun, mal überlegen“, entgegnete er. „Todesschwinge treibt sein Unwesen; die Dunkelküste ist ins Meer gestürzt …“

„Mit Euch, meine ich?“

Er lächelte schmallippig über seinen eigenen, dunklen Humor. „Mit mir ist alles in Ordnung, Jaina. Na ja, zumindest fast alles – ich habe da eine Sorge, die würde ich gern mit Euch teilen.“

Sie zog die Brauen so zusammen, dass eine kleine Furche auf ihrer Stirn entstand, und stellte das Glas ab. „Mit mir? Warum gerade ich? Ich gehöre nicht zum Rat der Sechs. Ich bin nicht mal mehr ein Mitglied der Kirin Tor.“ Einst hatte sie zu ihnen gehört, als sie noch eng mit ihrem Meister Antonidas zusammengearbeitet hatte. Doch nach dem Ende des Dritten Krieges, als sich die verstreuten Mitglieder der Kirin Tor wieder neu formiert hatten, war es nicht mehr dasselbe für sie gewesen.

„Und genau aus diesem Grund muss ich mit Euch sprechen“, erklärte er. „Jaina, wir haben alle unendlich viel ertragen müssen. Wir waren so beschäftigt damit, zu – nun, zu kämpfen und zu planen und unsere Schlachten zu schlagen. So sehr, dass wir versäumt haben, einer anderen, vermutlich noch wichtigeren Pflicht nachzukommen.“

Ein verwirrtes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Malygos zu bekämpfen und uns davon zu erholen, dass die Welt wie eine Ratte im Maul einer Dogge gebebt hat, erscheint mir ziemlich wichtig.“

Rhonin nickte. „Das ist es. Aber mindestens ebenso wichtig ist es, die nächste Generation auszubilden.“

„Was hat das mit mir – oh!“ Entschlossen schüttelte sie das goldene Haupt. „Rhonin, ich würde Euch ja gerne helfen, aber ich kann nicht nach Dalaran kommen. Ich habe meine eigenen Probleme in Theramore, und auch, wenn der Kataklysmus Horde und Allianz gleichermaßen geschwächt hat, gibt es dort noch so viel …“

Er hob die Hand, um sie zu unterbrechen. „Ihr versteht nicht, worauf ich hinauswill“, sagte er. „Ich werde Euch nicht bitten, in der Violetten Zitadelle zu bleiben. Hier haben wir genug Leute – aber draußen in der Welt sind zu wenige.“

„Oh!“, entfuhr es ihr noch einmal. „Ihr … wollt, dass ich einen Schüler nehme.“

„Das ist unser Wunsch. Falls Ihr dazu bereit wärt. Ich habe da schon eine ganz spezielle junge Dame im Auge, und ich möchte, dass Ihr sie Euch einmal anseht. Sie hat große Möglichkeiten, sie ist klug, und sie besitzt eine unersättliche Neugier, was die Welt jenseits der engen Grenzen von Eisenschmiede und Dalaran betrifft. Ich glaube, Ihr zwei würdet gut zueinander passen.“