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„Kalecgos, darf ich Euch meine Schülerin vorstellen, Kinndy Funkenleuchter.“

„Guten Tag“, sagte Kinndy, während sie sich selbst ein wenig Tee einschenkte. „Ich habe gehört, wie Ihr draußen mit Erzmagier Tervosh gesprochen habt. Da bin ich neugierig geworden.“

„Es freut mich, Euch kennenzulernen, Schülerin Funkenleuchter. Ich bin sicher, jeder, den Lady Prachtmeer ihrer Mentorschaft für wert hält, muss ein würdiger Lehrling sein.“

Kinndy roch an dem Tee und trank einen Schluck. „Vergebt mir, mein Herr“, meinte sie. „Nach all dem, was in jüngster Zeit geschehen ist, sind ich und die anderen dalaranischen Magier ein wenig … misstrauisch, was Euren Scharm betrifft. Ich meine, Ihr wisst schon – der Krieg, der Versuch, alle Magier abzuschlachten, dies alles.“

Innerlich zuckte Jaina zusammen. Eine zweiundzwanzigjährige Schülerin beschuldigte hier vor ihren Augen den ehemaligen Aspekt des blauen Drachenschwarms, dass er die Verantwortung für die Taten seines Vorgängers trage, wenn nicht gar, dass er selbst verräterische Absichten hege.

„Kinndy, Kalecgos ist ein Drache des Friedens. Er ist nicht wie Malygos. Er …“

Kalec hob die Hand und unterbrach sie höflich. „Das ist schon in Ordnung. Niemand weiß besser als ich, was mein Volk jenen angetan hat, die auf dieser Welt ebenfalls der arkanen Magie mächtig sind. Ich bin inzwischen daran gewöhnt, dass jeder, der … nun, der kein blauer Drache ist, mir mit derselben Einstellung begegnet wie … Kinndy.“ Er schenkte dem Gnomenmädchen ein schmales Lächeln. „Ich bin kein Aspekt mehr, aber doch noch immer der Anführer meines Schwarms, und als solcher war es in jüngster Zeit eine meiner Hauptaufgaben zu beweisen, dass nicht alle von uns den Nexuskrieg wollten. Und darauf hinzuweisen, dass wir seit dem Tod von Malygos keinerlei Versuche unternommen haben, andere, die das Arkane beherrschen, zu kontrollieren oder zu manipulieren.“

„Aber ist nicht genau dies die Aufgabe des Schwarms?“, hakte Kinndy nach. „Wurde der Aspekt nicht mit eben dieser Pflicht betraut? Und füllt Ihr nicht in gewisser Weise noch immer dieses Amt aus, auch wenn Eure Fähigkeiten nun verschwunden sind?“

Ein abwesender Ausdruck trat in Kalecgos Augen, und als er antwortete, war seine Stimme sanfter und tiefer als zuvor, wenngleich es immer noch unverkennbar seine eigene war. „Die Magie muss geregelt, verwaltet und kontrolliert werden. Aber ebenso muss sie geschätzt und respektiert werden. Man darf sie nicht horten. Das ist der Widerspruch, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.“

Jaina spürte, wie ein Schauder über ihren Rücken rann, und selbst Kinndy wirkte mit einem Mal kleinlaut. Kalecgos Augen wurden wieder hell und aufmerksam, als er sie beide anblickte. „Das waren die Worte, die einst Norgannon sprach, der Titan, der Malygos die Kräfte eines Aspekts verlieh.“

„Womit Ihr all meine Vorbehalte bestätigt hättet“, sagte Kinndy.

Inzwischen war offensichtlich, dass Kalecgos keinen Anstoß an den Worten des Gnomenmädchens nehmen würde, und so lehnte sich Jaina auf den Polstern zurück. Es war wohl das Beste, wenn sie sich aus dieser Sache heraushielt, damit die beiden sie allein klären konnten; fürs Erste wollte sie sich damit begnügen, zuzuhören und zu beobachten.

„Es hängt immer davon ab, wie man die Worte interpretiert“, meinte Kalecgos. „Malygos hat es so verstanden, dass er der höchste Wächter über die Magie ist. Weil ihm nicht gefiel, wie andere die Magie benutzten, beschloss er, die gesamte arkane Macht für sich und seinen Schwarm zu beanspruchen – in dem Glauben, dass nur er sie wirklich wertschätzen und respektieren konnte. Ich hingegen ziehe es vor, nur meine eigene Magie zu regulieren, zu verwalten und zu kontrollieren. Ich will den anderen mit meinem Beispiel vorangehen, sie ermutigen, die Magie ebenfalls zu schätzen und zu respektieren. Denn, Kinndy – wenn man etwas wirklich schätzt und respektiert, dann möchte man es auch richtig nutzen. Dann möchte man es nicht nur für sich beanspruchen, sondern teilen. Diesem Ziel habe ich mich verschworen, als ich zum Wächter über die Magie in dieser Welt wurde. Jetzt bin ich kein Aspekt mehr, nur noch der Anführer eines Schwarms, und, Kinndy, Ihr könnt mir glauben, in dieser neuen Rolle weiß ich jede Unterstützung durch die Kirin Tor oder jeden anderen, der mir helfen will, sehr zu schätzen.“

Kinndy dachte darüber nach und ließ dabei einen ihrer Füße baumeln, der auch hier nicht den Boden berührte. Die Gnomen-Kultur schätzte kaum ein Gut höher als die Logik, und ihr methodisch arbeitendes Gehirn würde gewiss anerkennen, was Kalec gerade gesagt hatte. Nach einer Weile nickte sie.

„Dann erzählt uns mal, was für eine Gefahr das ist, die jedes Wesen auf Azeroth bedroht“, forderte sie. Sie würde sich nicht für ihr Benehmen entschuldigen, aber zumindest hatte sie ihr Misstrauen dem Anführer des blauen Drachenschwarmes gegenüber überwunden.

Auch Kalec schien diesen Wandel in ihrer Haltung zu bemerken, und als er antwortete, richtete er seine Worte an beide Frauen. „Ich nehme an, Ihr seid vertraut mit dem, was man die Fokussierende Iris nennt. Seit langer Zeit schon befindet sie sich in der Obhut des blauen Drachenschwarms.“

„Malygos hat diese Iris benutzt, um die Sognadeln zu erschaffen, die die Leylinien von Azeroth zum Nexus umgeleitet haben“, sagte Kinndy. Jaina kam ein schrecklicher Verdacht, aber selbst jetzt noch hoffte sie, dass sie sich irrte.

„Ja“, nickte Kalec. „Das war die Iris. Und nun wurde dieses uralte Relikt gestohlen.“

Jaina starrte ihn voller Grauen an. Kinndy sah aus, als müsste sie sich gleich übergeben. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie sich dann erst Kalecgos fühlen musste. Der erste Gedanke, der nach seinen Worten durch ihren Geist raste, platzte aus ihr heraus.

„Danke – danke, dass Ihr bereit seid, uns um Hilfe zu bitten“, sagte sie. Dann streckte sie aus einem Impuls heraus den Arm vor und drückte seine Hand. Er blickte erst auf ihre Hand hinab, danach zu ihrem Gesicht hoch. Dann nickte er.

„Ich habe nicht übertrieben, als ich sagte, diese Gefahr betreffe uns alle“, erklärte er. „Ich sprach mit Rhonin darüber, dann bin ich direkt hierher geflogen. Ihr, junge Dame“, fuhr er mit einem Blick zu Kinndy fort, „seid erst der dritte Nicht-Drache, der davon erfährt.“

„Ich – fühle mich geehrt“, stammelte Kinndy. Die Abneigung, mit der sie Kalec eingangs begegnet war, hatte sich inzwischen in Luft aufgelöst, und nun enthielt sie sich weiterer Bemerkungen über „Lügen“ oder Übertreibungen. Kalecgos sagte die Wahrheit.

„Was könnt Ihr uns über den Diebstahl erzählen?“, fragte Jaina, um die Unterhaltung endlich auf die praktischen Aspekte ihres Problems zu lenken – was sie wussten, was es noch herauszufinden galt, und hoffentlich auch, was sie tun konnten, um das Schlimmste zu verhindern.

In knappen Worten erklärte ihnen Kalecgos die Lage, und mit jedem Satz wurde Jainas Herz schwerer. Unbekannte Feinde sollten die Iris gestohlen haben, nachdem sie fünf Drachen überwältigt hatten?

„Hat Rhonin dir Unterstützung angeboten?“, fragte sie, erschrocken über den schwachen, hoffnungslosen Klang ihrer eigenen Stimme. Kinndys Gesicht war so bleich wie Pergament geworden, sie hatte schon seit einer ganzen Weile nichts mehr gesagt.

Kalecgos schüttelte unter dem blauschwarzen Haar den Kopf. „Nein, jedenfalls noch nicht. Ich konnte spüren, in welche Richtung die Iris gebracht wurde – zwar nur schwach, aber die Verbindung war da. Darum bin ich nach Kalimdor gekommen – und zu Euch, Jaina.“ In einer beschwörenden Geste breitete er die Hände aus. „Ich bin der Anführer der blauen Drachen. Wir kennen uns mit Magie aus. Wir haben unsere alten Bücher, die noch viel älter sind als alle Schriften, die Ihr kennt. Aber wir verfügen nicht über Eure Mittel. Ich bin nicht so arrogant zu glauben, wir wüssten alles. Ich bin mir durchaus der Tatsache bewusst, dass Magier, die nicht als Drachen geboren wurden, Entdeckungen gemacht haben, zu denen kein Drache je in der Lage war. Darum bitte ich Euch, mir zu helfen – falls Ihr dazu bereit seid.“