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„Oberhäuptling“, sagte einer der zurückgekehrten Späher, indem er seine Stimme mühsam zu einem Flüstern senkte. „Die Trolle – sie sind überall in den Hügeln. Und warten nur auf Euren Befehl.“

„Den Feuern nach zu schließen, sind zurzeit nicht mehr Menschen in der Nähe als sonst“, erklärte ein anderer. „Sie rechnen nicht mit einem Angriff.“

Angesichts dessen, was er nun tun musste, schmerzte Baines Herz. „Macht Meldung bei Vol’jin und sagt ihm, dass seine Leute angreifen können. Sobald sie die Allianz in ein Gefecht verstrickt haben, werden wir das Große Tor öffnen und ihnen mit unseren eigenen Waffen den Rest geben.“

Der Späher nickte, wandte sich um und rannte den Hügel hinauf bis zu der Stelle, wo ihn die Mauer kreuzte. Baine ließ seinen Blick derweil über die versammelte Menge der Tauren schweifen, deren Umrisse im Licht der wenigen Fackeln aber kaum auszumachen waren. Da standen mehrere Dutzend Krieger und noch zahlreiche andere versammelt, die wichtige Pflichten erfüllen würden, sobald der Kampf in ein paar Sekunden begann: Druiden, Schamanen, Heiler und andere Kämpfer aller Arten.

Er hob den Arm, sodass die anderen ihn auch sehen konnten, und wartete. Sein Herzschlag beschleunigte sich: eins, zwei, drei …

Da erschallten die blutdürstigen Kampfschreie der Trolle. Sie griffen an. Baines Arm sauste nach unten, und während auf der anderen Seite des Tores das Klirren von Waffen, die trotzigen Rufe der Menschen und das dumpfe Donnern einer Balliste hörbar wurde, erklang auf dieser Seite das Grunzen und Stöhnen der beiden Tauren, die, während ihre stämmigen Körper vor Anstrengung zitterten, an den dicken Tauen zerrten. Und dann ächzte das Tor.

Die Soldaten der Nordwacht waren völlig überrumpelt, als die Taurenkrieger aus dem Spalt hervorstürmten und sich brüllend ins Kampfgetümmel warfen. Die Menschen und Zwerge hatten nicht den Hauch einer Chance; sie waren ihren felltragenden und grün- oder blauhäutigen Gegnern zahlenmäßig weit unterlegen. Ihre Waffen mochten zwar gefährlich sein, aber man musste sie doch erst ausrichten und vorbereiten. Bei ihrer verzweifelten und zum Scheitern verurteilten Gegenwehr hatten sie weder für das eine noch für das andere Zeit.

Ein leichtsinniger Soldat stürmte auf Baine selbst zu und brüllte dabei: „Für die Allianz!“ Sein schlichtes Schwert war nicht mehr als militärische Standardausrüstung – und zerbrach, als Baine seinen Streitkolben schwang. Die Klingenspitze flog davon und blitzte noch kurz im schwachen Licht auf, bevor sie von den Schatten verschluckt wurde. Aber da hatte der Taure bereits ein zweites Mal ausgeholt. Der Kettenpanzer des Menschen bot ihm keinerlei Schutz gegen die stumpfe Waffe, und sein Körper wurde von der Wucht des Hiebes durch die Luft geschleudert.

Hier und da ertönten noch ein paar Rufe von Tauren und Trollen, dann verstummte das Klirren der Waffen.

„Trolle, haltet ein!“, befahl Vol’jin.

„Tauren, zu mir!“, donnerte Baine.

Kurze Zeit herrschte Stille, dann erfüllten Triumphschreie die Nachtluft. Baine blickte sich um. Es war vorbei, nur ein paar Augenblicke, nachdem es überhaupt begonnen hatte.

„Ein gutes Vorzeich’n für den Angriff“, erklärte Vol’jin.

Es dauerte nicht lange, ein paar Späher auszuwählen, die den Weg voraus auskundschaften sollten, während sich der Rest der Armee aus Tauren und Trollen neu formierte und zum Marsch gegen die Feste Nordwacht aufbrach. Vol’jin lenkte seinen Raptor neben Baines Kodo, als sie sich in Bewegung setzten.

„Nachdem wir Orgrimmar wieder verließ’n“, erzählte der Troll, „sind einige der Orcs, die nickt’n, als der alte Etrigg seine Meinung zum besten gab … von der Bildfläche verschwund’n.“

Es war, als würde ein Stromschlag durch Baines Körper jagen. „Garrosh lässt die Leute hinrichten, die eine andere Meinung haben?“

„So weit ist es noch nich’. Aber die Kor’kron und vor allem dieser grauhäutige Kerl, die schleich’n durch die Straß’n und wart’n nur drauf, dass sie was hör’n, was ihnen nich’ gefällt, und dann – na ja, dann sperr’n sie die Übeltäter sofort ein. Manchen Orcs statt’n sie auch Überraschungsbesuche ab. Dieser Pilzverkäufer zum Beispiel, der musste seinen Laden für ein paar Tage schließ’n, und als er sich wieder zeigte, war er grün und blau, so als wär er in ’ne Schlägerei gerat’n und hätt ordentlich was eingesteckt. Tja, und dann gibt’s noch die … die gar nich’ mehr auftauch’n.“

„Politische Gefangene?“

Vol’jin nickte. „Wir Trolle halten lieber gleich ganz den Mund.“

Baine schnaubte. „Vielleicht, wenn jemand Garrosh erzählen würde, was die Kor’kron da treiben … er ist ein Hitzkopf … aber sicher würde er nie den Befehl zu so etwas geben.“

Vol’jin stieß einen abfälligen Laut aus und winkte mit seinem langen Arm ab. „Niemand kommt an Garrosh ran. Ich hab’ gehört, dass sogar Etrigg ihn nur noch sieht, wenn Garrosh gerade der Sinn danach steht, und dann ist der Häuptling immer von sein’n Leibwächtern umgeb’n. Die ganze Zeit posaunt er: ‚Die Horde kann dies, die Horde kann das‘ – so voller Zuversicht, obwohl es eigentlich gar kein’n Grund dafür gibt. Ich weiß nich’, ob er wirklich weiß, was da um ihn rum passiert, aber ich kann auch nich’ mit Bestimmtheit sagen, dass er’s nich’ weiß. Sei es, wie es sei … ich hab’ dieser Tage jedenfalls mehr Angst vor Orgrimmar als vor dem düsterst’n Voodoo.“

„Dann … kann ihn niemand aufhalten. Wenn man nicht zu ihm durchdringen, nicht vernünftig mit ihm reden kann, dann wird dieser Wahnsinn immer weiter um sich greifen.“

„So sieht’s aus, mein Freund.“

Baine brummte leise, während er zu seinen Truppen blickte. Eine Idee nahm in seinem Kopf Gestalt an. Sie war tollkühn, sie war gewagt, und sie könnte ihn seinen Kopf kosten.

Doch sie mochte das Volk der Tauren retten.

Vielleicht sogar die ganze Horde.

„Warum nur können wir nichts finden?“

Die Worte kamen wie aus eigenem Willen über Jainas Lippen, und sie wünschte sie zurück in ihren Mund, kaum dass sie sie ausgesprochen hatte. Kalec, Tervosh und Kinndy – Letztere war inzwischen wieder aus Dalaran zurückgekehrt, im Gepäck zwei Truhen voller Schriftrollen, magischer Gegenstände und Bücher, die die Kirin Tor für nützlich hielten – blickten alle von den Wälzern hoch, in die sie vertieft gewesen waren, und starrten sie an.

Sie biss sich auf die Lippe. „Tut mir leid“, sagte sie. „Ich … bin normalerweise nicht so unbeherrscht.“

Tervosh setzte ein gütiges Lächeln auf. „Nein, Lady, das seid Ihr wirklich nicht“, meinte er. „Aber dies hier ist ja auch keine normale Situation.“

Für gewöhnlich war sie ebenso idealistisch wie pragmatisch. Arthas hatte sie seinerzeit als „praktisch denkend“ bezeichnet, und genau diese Kombination war es, die sie zu einer so talentierten Magierin machte. Ihr neugieriger Geist kreiste so lange methodisch um ein Problem, bis sie die Lösung fand, und diese Einstellung erwies ihr auch bei ihren diplomatischen Pflichten gute Dienste. Während sie sich nämlich einerseits Gedanken über den Ausgang ihrer Arbeit machte, arbeitete sie gleichzeitig beharrlich auf ihr Ziel hin, mit Betonung auf arbeiten. Es war nicht ihre Art, einfach mit dem Fuß aufzustampfen und so quengelnde Fragen zu stellen wie Warum können wir nur nichts finden?

„Der Erzmagier hat recht“, meinte Kalecgos. „Wir stehen alle unter einem großen Druck. Vielleicht sollten wir eine kurze Pause einlegen.“

„Wir haben schon fürs Mittagessen eine Pause gemacht“, entgegnete Kinndy.

„Aber das war vor vier Stunden“, erinnerte Kalec sie. „Seitdem haben wir uns nicht mehr gestreckt oder uns bewegt oder sonst irgendetwas getan, außer in Bücher zu starren. Vielleicht sind unsere Sinne inzwischen schon so abgestumpft, dass wir es nicht einmal registrieren würden, wenn wir auf einen nützlichen Hinweis stießen.“