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Einen Herzschlag lang sah es aus, als würde ein beschämter Ausdruck über Garroshs braunes Gesicht huschen, doch dann kehrte die Wildheit in seine Züge zurück, und der Orc wirbelte herum, um sich wieder an die versammelte Menge zu wenden.

„Das ist der Wille eures Kriegshäuptlings“, erklärte er geradeheraus. „Das ist der Plan. Erst die Feste Nordwacht, dann Theramore, und dann vertreiben wir die Nachtelfen und nehmen uns, was ihnen gehört. Was die Bedenken bezüglich der Allianz betrifft“, fuhr er mit einem Seitenblick in Sylvanas’ Richtung fort, „versichere ich euch, dass wir jede ihrer Bemühungen schnell zerschlagen werden. Ich bin für eure Loyalität in dieser Sache dankbar, aber etwas anderes habe ich auch nicht von der großen Horde erwartet. Kehrt nun in eure Städte zurück und bereitet euch vor. Bald schon werdet ihr wieder von mir hören. Für die Horde!“

Der inbrünstige Jubel, der diesen Worten so oft folgte, erfüllte auch in diesem Augenblick die Festung. Baine stimmte in die Rufe mit ein, aber seinem Herzen war nicht nach Triumphgeschrei zumute. Nicht genug damit, dass Garroshs Plan in gefährlichem Maße skrupellos war – was an sich schon ausreichen würde, um ihn zu missbilligen –, nein, er fußte auch noch auf Verrat und Hass. Die Erdenmutter könnte einem solchen Unterfangen nie ihren Segen geben.

Ein letztes Mal schwenkte Garrosh Blutschrei über seinem Kopf, und als der Wind dabei durch die Löcher in der Klinge pfiff, schien die Waffe zu singen. Anschließend senkte der Kriegshäuptling die Axt und verließ den Raum. Der Schwarzfelsorc – Malkorok, so hatte Garrosh ihn genannt – ging unmittelbar hinter ihm, noch vor Etrigg und selbst vor den Kor’kron. Die Orcs, die entlang der Wände der Festung Stellung bezogen hatten, nahmen Haltung an, dann folgten sie ihrem Anführer nach draußen.

Nun begann sich die Menge auch aufzulösen. Als Baine sah, wie sich ein blauhäutiger, rothaariger Trollanführer auf ihn zuschob, verlangsamte er seine Schritte.

„Du hast ihn gereizt“, sagte Vol’jin ohne Umschweife.

„Ja. Das … war nicht klug.“

„Nein, war es nich’. Darum hab ich den Mund gehalt’n. Ich muss an meine Leute denk’n.“

„Ich verstehe.“ Die Trolle lebten nicht weit von Orgrimmar entfernt und würden Garroshs Zorn darum viel unmittelbarer spüren, sollten sie ihn erzürnen. Baine machte Vol’jin keinen Vorwurf. Er musterte den Troll. „Aber ich weiß, was dein Herz dir sagt.“

Vol’jin seufzte traurig und nickte. „Wenn wir diesen Pfad beschreit’n, wird uns das nichts Gutes bring’n.“

„Sag mir, weißt du, wer dieser Malkorok ist?“

Der Troll schnaubte. „Ein Schwarzfels. Man sagt, er kann das Sonn’nlicht in Durotar noch immer nich’ aussteh’n, weil er so lang im Berg Schwarzfels gelebt und Rend gedient hat.“

„Dachte ich mir schon“, brummte Baine.

„Er hat sich von Rend losgesagt und um Vergebung für seine früher’n Verbrech’n gebet’n. Garrosh hat ihn in seine Reih’n aufgenomm’n, und er bietet jedem dasselbe an, der schwört, ihn mit seinem Leb’n zu schütz’n. Tja, und jetzt hat er dies’n hübsch’n, groß’n Hund mit den scharf’n Zähn’n, der ihn bewacht.“

„Aber – wie kann man so jemandem vertrauen?“

Vol’jin lachte kurz. „Es gibt Leute, die würd’n sag’n: Wie kann man einem Grimmtotem vertrau’n? Und doch lässt du die, die dir Treue schwör’n, in Donnerfels leb’n.“

Baine zog die Brauen zusammen. Er musste an Tarakor denken, einen schwarzen Bullen, der unter Magatha gedient hatte. Er hatte den Angriff gegen Baine geführt, später aber für sich und seine Familie um Vergebung gebeten. Baine hatte ihm verziehen und es nie bereut, ebenso wenig wie bei den anderen, denen er diese Gnade erwiesen hatte. Doch irgendwie war ein Grimmtotem nicht das Gleiche wie ein Schwarzfelsorc für ihn.

„Vielleicht sind es nur Vorurteile“, meinte er. „Ich habe eine höhere Meinung von Tauren als von Orcs.“

„In letzter Zeit“, flüsterte Vol’jin, nachdem er sich versichert hatte, dass niemand sie belauschte, „hab’ ich das auch.“

Garrosh wartete draußen, damit diejenigen, die diese Gelegenheit nutzen wollten, ihm die Treue zu schwören, dies ohne unnötige Umstände tun konnten. Jetzt gerade kniete ein weiblicher Goblin vor ihm und plapperte irgendetwas vor sich hin, da sagte Malkorok plötzlich: „Da ist er.“

„Bring ihn her!“

Er unterbrach die Goblinfrau, tätschelte ihren Kopf und erklärte: „Ich akzeptiere deinen Eid.“ Dann schob er sie mit seinem Fuß aus dem Weg, als Malkorok zurückkam, neben sich den Anführer der Blutelfen. Lor’themar neigte in einer Geste des Respekts das bleiche, blonde Haupt.

„Ihr wolltet mich sprechen, Kriegshäuptling?“

„Ja, das wollte ich“, brummte Garrosh, während er den Blutelfen ein paar Schritte von den anderen fortführte, sodass sie sich unter vier Augen unterhalten konnten. Malkorok stellte sich vor sie und verschränkte die mächtigen grauen Arme vor der Brust, um dafür zu sorgen, dass niemand sie störte. „Von all den Anführern, mit Ausnahme allenfalls von Gallywix – der mich aber nur unterstützt, weil er einen Profit wittert –, bist du der einzige, der seinen Kriegshäuptling nicht anzweifelt. Nicht einmal, wenn Sylvanas versucht, an dein Mitgefühl zu appellieren. Ich weiß das zu schätzen, Elf. Du sollst wissen, dass deine Loyalität zur Kenntnis genommen wird.“

„Die Horde hat mein Volk aufgenommen und unterstützt, als sonst niemand uns helfen wollte“, entgegnete Lor’themar. „Das werde ich nicht vergessen. Und darum gilt meine Loyalität – und die meiner Leute – ganz und gar der Horde.“

Unruhe breitete sich in Garrosh aus, als ihm auffiel, wie der Blutelf die Betonung auf das letzte Wort legte. „Ich bin der Kriegshäuptling der Horde, Lor’themar. Und als solcher bin ich die Horde.“

„Ihr seid der Kriegshäuptling“, bestätigte Lor’themar bereitwillig. „Ist das alles, was Ihr von mir wolltet? Meine Leute warten ungeduldig darauf, nach Hause zurückzukehren und die Vorbereitungen für den Krieg zu treffen.“

„Gewiss“, sagte Garrosh. „Du darfst gehen.“

Der Blutelf hatte nichts Aufwieglerisches gesagt, dennoch wollte Garroshs Nervosität nicht weichen, als er dem Meer aus Rot und Gold nachblickte, das in Richtung der Tore von Orgrimmar verschwand.

„Den sollten wir im Auge behalten“, meinte er, an Malkorok gewandt.

„Wir sollten sie alle im Auge behalten“, erwiderte der Schwarzfelsorc.

3

„Ich erinnere mich noch an diesen schmutzigen Mantel“, sagte das Bild von Prinz Anduin Wrynn mit einem Grinsen.

Lady Jaina Prachtmeer erwiderte das Lächeln. Sie und ihr „Neffe“, die einander zwar nicht durch Blut, aber durch eine tiefe Zuneigung verbunden waren, unterhielten sich mittels eines verzauberten Spiegels, den Jaina für gewöhnlich gut verborgen hinter einem Bücherschrank aufbewahrte. Sprach man den richtigen Zauber, verschwand die Reflexion des jeweiligen Raumes von seiner Oberfläche, und was gerade noch ein simpler Spiegel gewesen war, verwandelte sich in ein Fenster. Es war eine Variation des Zaubers, der es Magiern erlaubte, sich und andere von einem Ort an einen anderen zu teleportieren.

Anduin war einst unerwartet aufgetaucht, als Jaina von einem ihrer geheimen Treffen mit dem damaligen Kriegshäuptling Thrall zurückgekehrt war. Schlau, wie er war, hatte der Prinz schnell erkannt, was da vor sich ging, und nun teilten sie dieses Geheimnis.

„Ich konnte dich noch nie täuschen“, erklärte Jaina. „Wie ergeht es dir unter den Draenei?“ Doch sie wusste schon, was er ihr sagen würde, bevor er auch nur den Mund öffnete, um eine Antwort zu geben. Anduin war gewachsen – und nicht nur körperlich. Selbst im Spiegel, wo er nur eine Ansammlung blauer Farbtöne war, konnte sie sehen, dass sein Kiefer entschlossen vorragte und seine Augen in einem ruhigeren und weiseren Schein glänzten.