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Er hatte keine Ahnung, was mit Telda geschehen war – oder mit der weißhaarigen Hexenmeisterin – oder mit überhaupt irgendeinem der tapferen Besatzungsmitglieder der Wellenlöwe. Doch dann musste er sich verbittert eingestehen, dass das nicht stimmte; er wusste, welches Schicksal zumindest einen Teil der Seemänner ereilt hatte, mehr noch, er hatte gesehen, wie viele von ihnen ihr grausiges Ende fanden. Ihm blieb nur die Hoffnung, dass Garrosh und sein hünenhafter Schwarzfelsorc diesen guten Männern und Frauen in den Bäuchen der Kraken Gesellschaft leisteten.

Ein paar Schiffe waren noch unbeschädigt, und sie feuerten weiter auf die vielarmigen Monster. Doch, beim Licht, da waren so viele dieser verfluchten Bestien, und jede von ihnen richtete ein Unmaß an Zerstörung an. Schreie und das Knirschen berstenden Holzes erfüllten die Luft. Varian erkannte, dass ihn Panik und Verzweiflung zu überwältigen drohten, und eisern drängte er diese nutzlosen Störenfriede zurück. Sie konnten ihm nicht helfen; noch nicht einmal Zorn oder Hass würden ihn jetzt weiterbringen. Er sprang zu den Überresten eines weiteren Schiffes hinüber, den Blick nun fest auf die verbliebenen Galeonen seiner Flotte gerichtet. Im Augenblick musste er sich mehr vor fehlgeleiteten Kugeln aus seinen eigenen Kanonen in Acht nehmen als vor den Kraken; für die einen wäre er ein leichtes Ziel, für die anderen nur ein Krümel auf einer Festtafel. Tatsächlich kümmerten sich die gewaltigen Meeresungeheuer nicht weiter um ihn, und durch schiere Willenskraft schaffte er es, nahe an eines der Schiffe, die Lady des Meeres, heranzukommen. Nun bildete er mit den Händen einen Trichter vor dem Mund und schrie.

Ein Worge, der über das Deck eilte, hörte den Ruf, und seine scharfen Augen huschten in Varians Richtung, anschließend eilte er zur Reling und winkte mit einem seiner muskelbepackten Wolfsarme. „Majestät! Wir schicken sofort jemanden, um …“

„Zieht euch zurück! Sofort!“, brüllte Varian. Falls sie blieben und weiter gegen die Kraken kämpften, würden von der einst so mächtigen Flotte nur noch eine Liste von Namen und trauernde Familien übrig bleiben. „Das ist ein Befehl! Zieht euch zurück, jeder von euch!“

„Wir können ein Ruderboot schicken, um Euch …“

„Nein! Ich werde zur Küste schwimmen, so wie die anderen auch“, rief der König. „Nehmt die Schiffe und bringt euch in Sicherheit, solange ihr noch könnt!“

Verzweifelt starrte der Worge zu ihm hinüber und legte die Ohren unglücklich an den Kopf. Ein paar Sekunden später begann die Lady des Meeres, sich langsam nach Steuerbord zu drehen – nach Osten, zurück in Richtung Sturmwind.

Doch die Kraken wollten sie nicht davonkommen lassen. Vor Varians Augen setzten sie den fliehenden Schiffen nach. Der Sieg der Horde würde also doch ein eindeutiger sein.

Der König warf die Schultern zurück und stieß einen gutturalen, aus Zorn und Trauer geborenen Schrei aus. Das durfte – konnte! – nicht geschehen! Sie hatten es nur mit vier Schiffen zu tun gehabt! Und doch hatte Garrosh sie vernichtend geschlagen.

Varian beabsichtigte nicht länger, zur Küste zu schwimmen, wie er es dem Worgen versprochen hatte. Er wollte sich nicht davonstehlen und überleben, um den Kampf an einem anderen Tag fortzusetzen. Vermutlich hätte er es versucht, wäre die Flotte entkommen. Doch jetzt – jetzt gab es keine Hoffnung mehr. Es gab gar nichts mehr, nur noch die Chance auf ein glorreiches Ende, während er so viele Feinde wie möglich mit sich in den Tod nahm. Die Kraken sollten sich heute nicht nur am Fleisch der Allianz laben.

Er trug noch immer Schalamayne, und nun schloss er die Finger fest um den Griff und zog das Schwert. Anschließend blickte er sich um, auf der Suche nach Hordekämpfern, die sich, wie er, auf eines der Wrackteile gerettet hatten. Da – ein klatschnasser Taure klammerte sich an ein gewölbtes Trümmerstück, das aussah, als wäre es einmal Teil eines Rumpfes gewesen. Er versuchte, sich ganz aus dem Wasser zu ziehen, doch es gelang ihm nicht. Mit einem Zischen und katzenhafter Geschmeidigkeit sprang Varian von Wrackteil zu Wrackteil und landete breitbeinig auf dem Rumpfabschnitt. Sein Schwert sauste hinab, Blut spritzte auf. Es besprenkelte sein Gesicht und fügte dem salzigen Geschmack in seinem Mund ein kupfriges Aroma hinzu.

Das wäre schon mal einer.

Der König von Sturmwind blickte sich nach einem zweiten Opfer um, doch in diesem Moment fiel ganz plötzlich ein Schatten über ihn. Er hob den Kopf und sah die Silhouette eines …

Eines Drachen?

Das Wasser um ihn herum sprudelte auf und nahm dabei Form und Festigkeit an. Es war wie eine Gestalt, die sich auf und ab hüpfend über die Wellen hinwegbewegte, ein blaugrünes Wesen mit einem kleinen Kopf, hasserfüllten Augen und zwei mit Fesseln gebundenen Armen. Ein Wasserelementar – nein, nein, nicht nur einer. Da waren Hunderte von ihnen, die alle wie aus dem Nichts auf der Meeresoberfläche auftauchten.

Sie warfen sich gegen die Kraken, die die Allianzflotte verfolgt hatten. Eines der Ungeheuer hatte sich so weit aus dem Wasser geschoben, dass man seine großen, flachen Augen sehen konnte. Es stieß einen markerschütternden, schrecklichen Schrei aus, als Dutzende entschlossener Elementarwesen auf es einstürmten. Varian konnte gerade noch rechtzeitig beiseitespringen, als ein wild umherwirbelnder Tentakel mit einem ohrenbetäubenden Donnern auf die Wellen herniedersauste. Er erkannte, dass er nun im Wasser sicherer wäre als an der Oberfläche. Also holte er tief Luft und tauchte unter.

Hier bot sich ihm ein faszinierendes Spektakel. Die riesigen Kraken schlugen mit ihren Fangarmen um sich, während die kleineren Elementare wie ein Schwarm um sie herumwirbelten. Kurz darauf färbten Fahnen dunklen Rots das Wasser, wunderschön trotz all der Brutalität, als die Wasserwesen die Meeresungeheuer im wahrsten Sinne des Wortes in Stücke rissen. Varian tauchte fort von den Trümmern der Schiffe, in Richtung des offenen Meeres. Dort kämpfte gerade ein weiterer Kraken ums Überleben, sein träges Gehirn war vermutlich mehr überrascht als verängstigt, dass irgendetwas den Mut hatte, ihn anzugreifen. Ein zweiter trieb an der Oberfläche, und zwei abgerissene Tentakel tanzten auf den Wellen um ihn herum.

Varians Lungen begannen zu brennen, also schwamm er mit kräftigen Zügen zurück nach oben. Doch kaum dass er die Wasseroberfläche durchbrochen und keuchend eingeatmet hatte, packte ihn plötzlich etwas und riss ihn nach oben. Er wollte schon um sich schlagen, da rief ihm eine vertraute Stimme etwas zu.

„Varian!“

Natürlich – die Wasserelementare … Er drehte sich im Griff des blauen Drachen herum und sah Jaina in der anderen Vorderpfote der riesigen Kreatur. Ihr weißes Haar bauschte sich im Wind, ihre Augen aber waren noch immer von diesem merkwürdigen arkanen Glühen erfüllt. Doch da war noch etwas – ein Ausdruck der Trauer, der Resignation auf ihrem Gesicht und zugleich auch ein Gefühl des Friedens, das zuvor noch nicht dort gewesen war.

Sie deutete nach unten, und er schüttelte beim Anblick des Spektakels in der Tiefe den Kopf. Er konnte keine Hordeschiffe mehr sehen, dafür aber mehrere seiner eigenen, die sich in Küstennähe versammelt hatten, bereit dazu, in die Schlacht einzugreifen, sollte noch jemand versuchen zu fliehen. Die Kraken – Varian zählte acht – stellten nicht länger eine Bedrohung dar. Ihre gewaltigen Körper trieben leblos auf den Wellen, glänzend im Sonnenlicht. Dennoch spürte Varian ein Gefühl des Verlusts, als er erkannte, wie viele Schiffe die grotesken Meeresungeheuer zerstört hatten, auch wenn einige noch übrig waren.

Die Wasserelementare, die noch immer Jainas Willen gehorchten, wirkten von diesem Blickwinkel aus winzig, als sie auf neue Befehle ihrer Herrin warteten.