Das ist keine philosophische Rasse — diese Engländer: Bacon bedeutet einen Angriff auf den philosophischen Geist überhaupt, Hobbes, Hume und Locke eine Erniedrigung und Werth-Minderung des Begriffs» Philosoph «für mehr als ein Jahrhundert. Gegen Hume erhob und hob sich Kant; Locke war es, von dem Schelling sagen durfte: je méprise Locke«; im Kampfe mit der englisch-mechanistischen Welt-Vertölpelung waren Hegel und Schopenhauer (mit Goethe) einmüthig, jene beiden feindlichen Brüder-Genies in der Philosophie, welche nach den entgegengesetzten Polen des deutschen Geistes auseinander strebten und sich dabei Unrecht thaten, wie sich eben nur Brüder Unrecht thun. — Woran es in England fehlt und immer gefehlt hat, das wusste jener Halb-Schauspieler und Rhetor gut genug, der abgeschmackte Wirrkopf Carlyle, welcher es unter leidenschaftlichen Fratzen zu verbergen suchte, was er von sich selbst wusste: nämlich woran es in Carlyle fehlte — an eigentlicher Macht der Geistigkeit, an eigentlicher Tiefe des geistigen Blicks, kurz, an Philosophie. — Es kennzeichnet eine solche unphilosophische Rasse, dass sie streng zum Christenthume hält: sie braucht seine Zucht zur» Moralisirung «und Veranmenschlichung. Der Engländer, düsterer, sinnlicher, willensstärker und brutaler als der Deutsche — ist eben deshalb, als der Gemeinere von Beiden, auch frömmer als der Deutsche: er hat das Christenthum eben noch nöthiger. Für feinere Nüstern hat selbst dieses englische Christenthum noch einen ächt englischen Nebengeruch von Spleen und alkoholischer Ausschweifung, gegen welche es aus guten Gründen als Heilmittel gebraucht wird, — das feinere Gift nämlich gegen das gröbere: eine feinere Vergiftung ist in der That bei plumpen Völkern schon ein Fortschritt, eine Stufe zur Vergeistigung. Die englische Plumpheit und Bauern-Ernsthaftigkeit wird durch die christliche Gebärdensprache und durch Beten und Psalmensingen noch am erträglichsten verkleidet, richtiger: ausgelegt und umgedeutet; und für jenes Vieh von Trunkenbolden und Ausschweifenden, welches ehemals unter der Gewalt des Methodismus und neuerdings wieder als» Heilsarmee «moralisch grunzen lernt, mag wirklich ein Busskrampf die verhältnissmässig höchste Leistung von» Humanität «sein, zu der es gesteigert werden kann: so viel darf man billig zugestehn. Was aber auch noch am humansten Engländer beleidigt, das ist sein Mangel an Musik, im Gleichniss (und ohne Gleichniss — ) zu reden: er hat in den Bewegungen seiner Seele und seines Leibes keinen Takt und Tanz, ja noch nicht einmal die Begierde nach Takt und Tanz, nach» Musik«. Man höre ihn sprechen; man sehe die schönsten Engländerinnen gehn — es giebt in keinem Lande der Erde schönere Tauben und Schwäne, — endlich: man höre sie singen! Aber ich verlange zu viel…..
Es giebt Wahrheiten, die am besten von mittelmässigen Köpfen erkannt werden, weil sie ihnen am gemässesten sind, es giebt Wahrheiten, die nur für mittelmässige Geister Reize und Verführungskräfte besitzen- auf diesen vielleicht unangenehmen Satz wird man gerade jetzt hingestossen, seitdem der Geist achtbarer, aber mittelmässiger Engländer — ich nenne Darwin, John Stuart Mill und Herbert Spencer — in der mittleren Region des europäischen Geschmacks zum Übergewicht zu gelangen anhebt. In der That, wer möchte die Nützlichkeit davon anzweifeln, dass zeitweilig solche Geister herrschen? Es wäre ein Irrthum, gerade die hochgearteten und abseits fliegenden Geister für besonders geschickt zu halten, viele kleine gemeine Thatsachen festzustellen, zu sammeln und in Schlüsse zu drängen: — sie sind vielmehr, als Ausnahmen, von vornherein in keiner günstigen Stellung zu den» Regeln«. Zuletzt haben sie mehr zu thun, als nur zu erkennen — nämlich etwas Neues zu sein, etwas Neues zu bedeuten, neue Werthe darzustellen! Die Kluft zwischen Wissen und Können ist vielleicht grösser, auch unheimlicher als man denkt: der Könnende im grossen Stil, der Schaffende wird möglicherweise ein Unwissender sein müssen, — während andererseits zu wissenschaftlichen Entdeckungen nach der Art Darwin's eine gewisse Enge, Dürre und fleissige Sorglichkeit, kurz, etwas Englisches nicht übel disponiren mag. — Vergesse man es zuletzt den Engländern nicht, dass sie schon Ein Mal mit ihrer tiefen Durchschnittlichkeit eine Gesammt-Depression des europäischen Geistes verursacht haben: Das, was man» die modernen Ideen «oder» die Ideen des achtzehnten Jahrhunderts «oder auch» die französischen Ideen «nennt — Das also, wogegen sich der deutsche Geist mit tiefem Ekel erhoben hat — , war englischen Ursprungs, daran ist nicht zu zweifeln. Die Franzosen sind nur die Affen und Schauspieler dieser Ideen gewesen, auch ihre besten Soldaten, insgleichen leider ihre ersten und gründlichsten Opfer: denn an der verdammlichen Anglomanie der» modernen Ideen «ist zuletzt die âme française so dünn geworden und abgemagert, dass man sich ihres sechszehnten und siebzehnten Jahrhunderts, ihrer tiefen leidenschaftlichen Kraft, ihrer erfinderischen Vornehmheit heute fast mit Unglauben erinnert. Man muss aber diesen Satz historischer Billigkeit mit den Zähnen festhalten und gegen den Augenblick und Augenschein vertheidigen: die europäische noblesse — des Gefühls, des Geschmacks, der Sitte, kurz, das Wort in jedem hohen Sinne genommen — ist Frankreich's Werk und Erfindung, die europäische Gemeinheit, der Plebejismus der modernen Ideen — Englands.-