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Schuld daran war selbstverständlich wieder einmal Paulus, der, wie ich jetzt erst erfuhr, seit einigen Jahren Uneinigkeit in Ephesus stiftete. Ihn hatte der Arzt des Silanus gemeint, und ich hatte es nicht erraten. Paulus hatte seine Anhänger dazu überredet, alle ihre astrologischen Kalender und Traumbücher im Wert von insgesamt ein paar Hunderttausend Sesterze auf dem Forum der Stadt zusammenzutragen und zu verbrennen, um seine, des Paulus, Gegner öffentlich zu beleidigen. Diese Bücherverbrennung hatte im abergläubischen Ephesus viel böses Blut gemacht, und auch die Gebildeten, die nichts auf Horoskope und Traumdeutung gaben, hielten es für unrecht, Bücher zu verbrennen, und fürchteten, man könnte nach der Sterndeuterei die Philosophie und die Dichtung zum Scheiterhaufen verdammen.

Ohnmächtiger Zorn ergriff mich, als mir wieder einmal Paulus als Friedensstörer genannt wurde. Ich hätte Ephesus am liebsten augenblicklich verlassen, aber Publius Celer verlangte von mir, daß ich den Befehl über die römische Garnison und die Reiterei der Stadt übernahm. Er fürchtete neue Aufstände.

Tatsächlich vergingen kaum ein paar Tage, als uns auch schon der Rat der Stadt die beunruhigende Nachricht sandte, daß durch alle Straßen der Stadt große Volkshaufen zum griechischen Theater zogen, um dort eine gesetzwidrige Versammlung abzuhalten. Die Silberschmiede hatten zwei der Weggefährten des Paulus auf offener Straße ergriffen, aber seine anderen Jünger hinderten Paulus mit Gewalt daran, sich selbst zum Theater zu begeben. Sogar die Väter der Stadt sandten ihm eine Warnung und legten ihm nahe, sich nicht unter die Menge zu mischen, denn das hätte zu Mord führen können.

Als es offenbar wurde, daß der Rat der Stadt der Lage nicht mehr Herr war, befahl mir Publius Celer, die Reiterei herauszuführen, und stellte selbst eine Kohorte Fußvolk an den Eingängen des Theaters auf. Er lächelte mit kühlen Augen und schiefem Mund und sagte, er warte schon seit einiger Zeit auf eine günstige Gelegenheit dieser Art, um diesem streitsüchtigen Volk einmal beizubringen, was römische Zucht und Ordnung sei.

Zusammen mit einem Hornisten und dem Kohortenführer betrat ich das Theater, um ein Zeichen zu geben, falls es zu Gewalttätigkeiten kam. In dem riesigen Theater herrschten Lärm und Unruhe, und viele der Anwesenden wußten offenbar nicht einmal, worum es ging, sondern waren einfach nach Art der Griechen mitgelaufen, um wieder einmal aus vollem Hals zu brüllen. Bewaffnet schien keiner zu sein, aber ich konnte mir vorstellen, was für eine Panik ausbrechen würde, falls das Theater mit Gewalt geräumt werden sollte.

Der Zunftälteste der Silberschmiede versuchte die Volksmenge zu beruhigen, um sprechen zu können. Zuvor hatte er sich jedoch solche Mühe gegeben, die Leute aufzuhetzen, daß er heiser geworden war und sich kaum verständlich zu machen vermochte. Ich begriff immerhin so viel, daß er den Juden Paulus beschuldigte, er habe nicht nur in Ephesus, sondern in der ganzen Provinz Asia das Volk zu dem Glauben verführt, die von Menschenhand gemachten Götter seien keine wirklichen Götter.

»Der Tempel der Artemis wird sein Ansehen verlieren und sie selbst, sie, die in Asia und der ganzen Welt verehrt wird, ihre Macht!« schrie er mit gebrochener Stimme.

Die gewaltige Zuhörermenge brüllte aus vollem Hals: »Groß ist die Artemis der Epheser!« Das Gebrüll währte so lange, daß mein Hornist unruhig wurde und schon blasen wollte, aber ich schlug seinen Arm nieder.

Einige Juden mit Quasten an den Mänteln drängten sich zur Bühne, stießen einen Kupferschmied nach vorn und riefen: »Laßt Alexander sprechen!« Ich nehme an, dieser Alexander wollte erklären, daß die rechtgläubigen Juden nichts mit Paulus zu schaffen hatten und daß dieser nicht einmal unter den Christen in Ephesus volles Vertrauen genoß.

Als die Zuhörer aber an seiner Kleidung erkannten, daß er Jude war, wollten sie ihn nicht zu Wort kommen lassen, und sie hatten insofern recht, als ja auch die rechtgläubigen Juden die Götterbilder und deren handwerkliche Anfertigung verurteilten. Um ihn am Reden zu hindern, brach das Volk wieder in den Ruf aus: »Groß ist die Artemis der Epheser!« Nun dauerte das Gebrüll, ich übertreibe nicht, volle zwei Striche auf der Wasseruhr.

Auf einmal stand Publius Celer mit blankem Schwert neben mir und herrschte mich an: »Warum läßt du nicht das Signal blasen? Wir jagen die ganze Versammlung im Handumdrehen auseinander!«

Ich sagte warnend: »In dem Gedränge würden einige Hundert Menschen niedergetrampelt werden.« Der Gedanke schien ihm zu behagen, deshalb fügte ich rasch hinzu: »Sie preisen ihre eigene Artemis. Es wäre sowohl eine Lästerung als auch eine politische Dummheit, eine Versammlung aus diesem Grunde auseinanderzutreiben.«

Als der oberste Richter der Stadt uns an einer der Eingangstüren stehen und zögern sah, winkte er uns verzweifelt zu und bedeutete uns, zu warten. Sein Ansehen war so groß, daß das Volk sich allmählich beruhigte, als er die Bühne betrat, um zu sprechen.

Nun wurden die beiden Christen nach vorn gestoßen. Man hatte sie geschlagen und ihnen die Kleider zerrissen, aber Schlimmeres war ihnen nicht geschehen. Die Juden bespuckten sie, um zu zeigen, was sie von ihnen hielten. Der Richter ermahnte jedoch das Volk, nicht unüberlegt zu handeln, und erinnerte es daran, daß die Stadt Ephesus das vom Himmel herabgefallene Abbild der Göttin Artemis zu verehren habe und keine anderen. Seiner Meinung nach waren die Anhänger des Juden Paulus weder Tempelschänder noch auch nur Lästerer.

Die Vernünftigsten unter den Zuhörern schielten nach meinem roten Helmbusch und dem Hornisten und begannen sich einen Weg aus dem Theater zu bahnen. Einen Augenblick stand alles auf des Messers Schneide, dann aber erinnerten sich viele der Gebildeteren abschreckender Beispiele aus der Geschichte und beeilten sich, das Theater zu verlassen. Publius Celer knirschte mit den Zähnen. Wenn es ihm vergönnt gewesen wäre, einen scheinbaren Aufstand niederzuschlagen, hätte er nach alter römischer Sitte einen Brand legen und die Werkstätten der Silberschmiede plündern können. So blieb ihm nichts anders übrig, als das Theater zu besetzen und die letzten der Aufwiegler und der Juden, die noch nicht gehen wollten, verprügeln zu lassen. Das war aber auch alles, was an diesem Tag geschah.

Später machte er mir bittere Vorwürfe und sagte: »Wir könnten beide steinreich sein, wenn du nicht so unentschlossen gewesen wärst. Nach der Niederwerfung eines Aufstandes stünden wir obenan auf der Rolle des Ritterstandes. Als Ursache des Aufruhrs hätten wir die schlappe Regierung des Silanus angeben können. Man muß die Gelegenheit im Flug ergreifen, sonst versäumt man sie für alle Zeit.«

Paulus hielt sich eine Weile versteckt und mußte dann aus der Stadt fliehen. Nachdem ich ihm auf Umwegen eine ernste Warnung hatte zugehen lassen, hörten wir, daß er nach Makedonien gereist war. Nach seinem Fortgang wurde es allmählich ruhig in der Stadt, und die Juden hatten an anderes zu denken. Es befanden sich unter ihnen übrigens viele aus Rom verbannte Handwerker, die auf Grund der allgemeinen Begnadigung bei Frühjahrsbeginn zurückzukehren gedachten.

Einstweilen tobten die Winterstürme, und im Hafen lag nicht ein einziges Schiff, das bereit gewesen wäre, nach Italien abzusegeln. Publius Celer hatte jedoch einen tiefen Groll gegen mich gefaßt. Um nicht bleiben und mit ihm streiten zu müssen, suchte ich weiter und machte schließlich ein kleines Schiff ausfindig, das, mit Götterbildern schwer befrachtet, unter dem Schutz der Artemis die Fahrt nach Korinth anzutreten wagte. Wir hatten das Glück, den Nordstürmen zu entgehen, mußten aber unterwegs mehrere Male in Inselhäfen Schutz suchen.

Hierax Lausius hatte mich als tot betrauert, da er so lange nichts von mir gehört hatte. Er war noch dicker geworden, trug den Kopf sehr hoch und hatte sich beim Sprechen einen feierlichen Tonfall angewöhnt. Er war mit der fülligen griechischen Witwe verheiratet und hatte zwei elternlose Knaben ins Haus genommen, um für ihre Erziehung zu sorgen und ihr Eigentum zu verwalten. Stolz zeigte er mir seinen Fleischladen, der im Sommer durch Quellwasser aus dem Berg kühl gehalten wurde. Er hatte auch Anteile an Schiffen erworben und kaufte handwerklich ausgebildete Sklaven, um eine eigene Bronzegießerei zu gründen. Als ich ihm von den Unruhen in Ephesus erzählte, nickte er verständnisvoll und sagte: »Ja, wir haben auch hier unsere Zwistigkeiten. Du erinnerst dich gewiß, daß Paulus nach Jerusalem reiste, um vor den Ältesten Rechenschaft abzulegen. Sie fanden seine Lehre zu verworren und verweigerten ihm, soviel wir hörten, ihre Zustimmung. Kein Wunder, daß er nun in seinem Zorn noch hitziger predigt. Es ist vielleicht wirklich etwas von der Kraft Christi auf ihn übergegangen, da er ja einige Wunderheilungen zustande gebracht hat, aber die vernünftigen Christen halten sich lieber von ihm fern.«