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Seneca nahm diese Sache sehr übel auf und fand, Nero müsse seine Wildheit auf andere Weise austoben. Er ließ daher den Zirkus des Kaisers Gajus am Rand des Vatikanischen Hügels instand setzen und stellte ihn Nero zur Verfügung. Dort konnte sich dieser nun endlich, mit zuverlässigen Freunden als Zuschauer, nach Herzenslust in der Kunst üben, ein Viergespann zu lenken.

Agrippina schenkte ihm dazu ihre Gärten, die sich bis zum Janiculum erstreckten. Seneca hoffte, daß die Wettkämpfe, in denen sich Nero mehr oder weniger heimlich übte, seine für einen Kaiser übertriebene Vorliebe für Musik und Gesang aufs rechte Maß zurückführen würden. Binnen kurzer Zeit wurde Nero ein kühner, unerschrockener Wagenlenker. Er hatte ja die Pferde schon als Kind geliebt.

Um die Wahrheit zu sagen, brauchte er sich freilich auf der Rennbahn selten umzusehen oder zu befürchten, daß andere seinen Wagen umwarfen, aber es gehört doch einiges dazu, ein iberisches Viergespann im Zirkus zu wenden, ohne die Herrschaft über die Pferde zu verlieren, und so mancher hat sich schon auf der Rennbahn den Hals gebrochen oder ist fürs Leben zum Krüppel geworden, weil er vom Wagen stürzte und die um den Leib geschlungenen Zügel nicht rechtzeitig zu kappen vermochte.

In Britannien hatte sich Flavius Vespasian ernstlich mit Ostorius überworfen, und er erhielt den Befehl, zurückzukehren. Der junge Titus hatte sich in seinem Dienst ausgezeichnet, indem er eines Tages mutig den Befehl über eine Abteilung Reiterei übernahm und seinem von Briten umzingelten Vater zu Hilfe eilte. Vespasian meinte allerdings, er hätte sich auch ohne fremde Hilfe herausgehauen.

Seneca betrachtete den ständigen Kleinkrieg in Britannien als nutzlos und gefährlich und vertrat die Ansicht, daß die Anleihen, die er den britischen Königen gewährt hatte, eher dazu angetan seien, den Frieden im Lande herzustellen, als Straffeldzüge, die nur die Staatskasse belasten. Nero ließ Vespasian ein paar Monate lang das Konsulsamt ausüben, machte ihn zum Mitglied eines hochgestellten Priesterkollegiums und ließ ihn danach für die übliche Amtsdauer zum Prokonsul in Afrika wählen.

Als wir in Rom zusammentrafen, musterte er mich eine Weile, lächelte dann verschmitzt und sagte: »Du hast dich in diesen Jahren sehr verändert, Minutus Manilianus, und ich meine nicht nur die Narben in deinem Gesicht. Als du noch in Britannien warst, hätte ich mir nicht träumen lassen, daß wir eines Tages miteinander verwandt sein würden, weil du meine Nichte geheiratet hast. Aber ein junger Mann bringt es in Rom natürlich viel weiter, als wenn er sich in Britannien einen Rheumatismus fürs Leben holt und sich bald hier, bald dort nach der Sitte der Briten verheiratet.«

Ich hatte meine Ehe im Land der Icener beinahe schon ganz vergessen, und Vespasian erinnerte mich nun zu meinem Unbehagen an die peinlichen Dinge, die ich dort erlebt hatte. Ich flehte ihn an, darüber zu schweigen, und er sagte tröstend: »Welcher Legionär hat nicht irgendwo einen Bankert! Aber deine Hasenpriesterin Lugunda hat nicht wieder geheiratet. Sie erzieht deinen Sohn nach römischer Art, so zivilisiert sind die vornehmsten Icener nun schon.«

Diese Worte schmerzten mich, denn Sabina zeigte keine Neigung, mir ein Kind zu gebären, und wir waren schon lange nicht mehr mit dieser Absicht beieinander gelegen. Ich verjagte jedoch die störenden Gedanken an Lugunda, wie ich es bisher getan hatte. Vespasian versprach bereitwillig, meine britische Ehe geheimzuhalten, da er, wie er sagte, das herbe Wesen seiner Nichte Sabina kannte.

Auf einem Fest, das mein Schwiegervater zu Ehren seines Bruders Vespasian gab, traf ich zum erstenmal Lollia Poppaea. Es hieß, ihre Mutter sei einst die schönste Frau Roms gewesen und habe die Aufmerksamkeit des Claudius in solchem Maße erregt, daß Messalina es für angebracht hielt, sie aus der Zahl der Lebenden verschwinden zu lassen. Doch was wurde nicht alles über Messalina geredet!

Poppaeas Vater Lollius hatte als junger Mann dem Freundeskreis des Verschwörers Sejanus angehört und war deshalb in ewige Ungnade gefallen. Lollia Poppaea war mit einem ziemlich unbedeutenden Ritter namens Crispinus vermählt und hatte den Namen ihres Großvaters mütterlicherseits, Poppaeus Sabinus, angenommen, da der Name ihres Vaters einen schlechten Klang hatte. Dieser Großvater hatte den Konsulsrang innegehabt und seinerzeit sogar einen Triumph gefeiert.

Poppaea war also mit Flavius Sabinus verwandt, wenn auch auf eine so verzwickte Weise, daß mir nie recht klargeworden ist, wie. Tante Laelias Gedächtnis hatte schon sehr gelitten. Sie brachte die verschiedensten Personen durcheinander und konnte mich auch nicht aufklären. Als ich Poppaea begrüßte, sagte ich zu ihr, ich bedauerte, daß meine Gattin Sabina mit ihr leider nur den Namen gemeinsam habe.

Poppaea sperrte unschuldsvoll ihre großen rauchgrauen Augen auf, die, wie ich später bemerkte, die Farbe je nach Stimmung und Beleuchtung wechselten, tat, als hätte sie nicht verstanden, was ich meinte, und fragte: »Findest du, ich sei nach einem einzigen Kindbett so alt und unansehnlich geworden, daß ich mich nicht mehr mit der jungfräulichen Artemis Sabina vergleichen kann? Wir sind gleichalt, deine Sabina und ich.« Mir wurde heiß, als ich ihr in die Augen sah, und ich sagte rasch: »Nein, ich meine, daß du die züchtigste verheiratete Frau bist, die mir in Rom begegnet ist, und ich muß deine Schönheit bewundern, nun da ich dich zum erstenmal ohne Schleier sehe.«

Poppaea erwiderte mit einem scheuen Lächeln: »Ich muß in der Sonne immer einen Schleier tragen, weil meine Haut so empfindlich ist. Ich beneide deine Sabina, die kräftig und braungebrannt wie eine Diana mit der Peitsche in der Hand im Sonnenglast in der Arena stehen kann.«

»Sie ist nicht meine Sabina, wenn wir auch nach der längeren Formel getraut sind«, sagte ich bitter. »Sie ist eher die Sabina der Löwen und der Tierbändiger. Sie kennt keine Scham, ihre Lieblingsgesellschaft ist nicht anständig, und ihre Sprache wird von Jahr zu Jahr gröber.«

»Vergiß nicht, daß wir miteinander verwandt sind, sie und ich«, mahnte mich Poppaea Sabina. »Aber abgesehen davon bin ich nicht die einzige Frau in Rom, die sich darüber wundert, daß ein fein empfindender Mann wie du sich ausgerechnet Sabina ausgesucht hat, obwohl er andere hätte haben können.«

Ich wies mit finsterer Miene auf meine Umgebung und deutete an, daß es noch mehr Gründe für eine Ehe gebe als nur gegenseitige Zuneigung. Flavia Sabinas Vater war Präfekt von Rom, und ihr Onkel hatte das Triumphrecht. Ich weiß nicht, wie es kam, aber Poppaeas scheue Gegenwart erregte mich, und ich begann von diesem und jenem zu plaudern. Es dauerte nicht lang, und Poppaea gestand mir errötend, wie sehr sie unter der Ehe mit einem eitlen Prätorianerzenturio litt.

»Von einem wirklichen Mann verlangt man ja mehr als nur ein hochfahrendes Wesen, einen blinkenden Brustharnisch und einen roten Helmbusch«, sagte sie beziehungsvoll. »Ich war ein unschuldiges Kind, als ich mit ihm vermählt wurde. Ich bin, wie du siehst, sehr zart, und meine Haut ist so empfindlich, daß ich mein Gesicht jeden Tag mit in Eselsmilch getunktem Weizenbrot behandeln muß.«

Ganz so zart, wie sie behauptete, war sie auch wieder nicht; das fühlte ich, als sie, ohne es zu bemerken, ihre eine Brust in meine Armbeuge drückte. Ihre Haut war so strahlend weiß, daß ich dergleichen nie zuvor gesehen hatte. Ich wußte nicht, womit ich sie vergleichen sollte, denn ich bin kein Dichter. Ich murmelte etwas von Gold und Elfenbein, aber ich glaube, daß mein Blick deutlicher als alles andere ausdrückte, wie sehr mich ihre junge Schönheit bezauberte.

Wir konnten nicht so lange miteinander plaudern, wie ich gern gewollt hätte, da ich meinen Pflichten als Schwiegersohn nachkommen mußte. Ich tat es jedoch zerstreut und vermochte an nichts anderes zu denken als an Poppaeas rauchgraue Augen und schimmernde Haut, und als ich die Schutzgeister des Hauses anrief und die uralten Beschwörungen hersagte, geriet ich ins Stottern.