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Nero lachte laut auf, wurde aber gleich wieder ernst, nickte mehrere Male und sagte: »Lieber hätte ich es freilich gesehen, wenn du mit dem Lorbeerkranz auf der Speerspitze zu mir gekommen wärst, Bote. Ich kann mich nur wundern, wie gut du die Frauen kennst. Ich aber habe genug von ihren Launen. Es gibt noch andere Frauen außer Lollia Poppaea, und ich will sie in Ruhe lassen. Sie soll nur selbst aufpassen, daß sie mir nicht mehr so oft vor die Augen kommt wie bisher. Grüße sie und sage ihr, ihre Bedingungen sind mir zu hoch.«

»Sie hat doch gar keine Bedingungen gestellt«, wandte ich verwirrt ein.

Nero betrachtete mich mitleidig und sagte: »Es ist das beste, du kümmerst dich um deine wilden Tiere und deine eigene Gattin. Schick mir Tigellinus, damit er mir das Haar wäscht.«

So ungnädig entließ er mich. Doch ich verstand ihn gut. Er liebte Poppaea und war nun enttäuscht, weil sie ihn abwies. Ich eilte mit meiner guten Nachricht froh zu Poppaea zurück, aber zu meiner Verwunderung war Poppaea nicht zufrieden, ja sie zerschlug sogar eine kleine Glasbüchse, so daß die kostbare Salbe auf den Boden tropfte und mir von dem betäubenden Duft ganz wirr im Kopf wurde. Ihr Gesicht verzerrte sich zu einer häßlichen Fratze, und sie schrie: »Wir werden sehen, wer zuletzt gewinnt, er oder ich!«

Ich erinnere mich noch gut an den Tag im darauffolgenden Herbst, an dem ich beim Aufseher über die Aquädukte saß und starrsinnig durchzusetzen versuchte, daß neue und größere Bleileitungen zum Tiergarten gelegt würden. Wir hatten schon tagelang jenen heißen Wind gehabt, der roten Staub mit sich führt und Kopfschmerzen verursacht.

Wegen der Wasserverteilung gab es ständig Streit, weil die Reichen und Vornehmen ihre eigenen Leitungen von den Aquädukten zu ihren Thermen, Gärten und Teichen legen ließen. Durch den raschen Bevölkerungszuwachs herrschte in Rom Wassermangel. Der Aufseher über die Aquädukte befand sich daher in einer schwierigen Lage. Er war nicht um sein Amt zu beneiden, obwohl einer, der bedenkenlos genug war, sich während seiner Amtszeit bereichern konnte. Ich war jedoch der Ansicht, daß der Tiergarten eine Sonderstellung einnahm und daß ich keine Ursache hatte, ihm Geld zu geben, um meine berechtigten Forderungen durchzusetzen.

Ich forderte, er lehnte ab. Wir kamen keinen Schritt weiter, und es gelang uns gerade noch, eine rein äußerliche Höflichkeit zu bewahren. Ich hätte am liebsten aufgegeben und die Sache auf sich beruhen lassen, aber ich fürchtete den Zorn Sabinas. Schließlich sagte ich gereizt: »Ich kenne die Verordnungen der Ädilen und den Senatsbeschluß über das Wasser auswendig. Ich kann mich an Nero selbst wenden, obwohl er mit solchen Kleinigkeiten nicht gern belästigt werden will, und ich fürchte, die Sache geht für dich schlechter aus als für mich.« Der Aufseher, ein langweiliger Mensch, lächelte spöttisch und entgegnete mir: »Tu nur, was du für richtig hältst. Ich an deiner Stelle würde aber Nero nicht ausgerechnet in diesen Tagen mit dem Streit wegen der Wasserverteilung behelligen.«

Ich hatte mich lange nicht mehr um den Klatsch in der Stadt gekümmert und fragte daher, was denn Besonderes geschehen sei. »Weißt du es wirklich nicht, oder tust du nur so, als hättest du noch nichts gehört?« fragte er mißtrauisch. »Otho ist zum Prokonsul in Lusitanien ernannt und aufgefordert worden, so rasch wie möglich zu reisen. Heute morgen hat Nero seine Ehe aufgelöst, selbstverständlich auf Ansuchen Othos. Alle anderen Angelegenheiten wurden aufgeschoben, weil sich Nero natürlich zuerst einmal der armen, schutzbedürftigen Poppaea annehmen mußte, die ins Palatium übersiedelte.«

Es war wie ein Keulenschlag auf meinen ohnehin schmerzenden Kopf. »Ich kenne Poppaea Sabina!« rief ich. »Sie würde so etwas nie aus freiem Willen getan haben. Nero hat sie mit Gewalt ins Palatium bringen lassen.«

Der Aufseher schüttelte seinen grauen Kopf. »Ich fürchte, wir bekommen eine neue Agrippina an Stelle der alten, die übrigens Antonias Haus verlassen und sich aufs Land zurückziehen muß, nach Antium.«

Ich achtete nicht auf seine gehässigen Andeutungen. Das Einzige, was ich klar erfaßte, war der Name Agrippina. Ich vergaß meine durstigen Tiere und das ausgetrocknete Becken der Flußpferde. Agrippina war, so glaubte ich, die einzige, die Poppaea Sabina vor Neros verruchten Absichten zu retten vermochte. So viel Einfluß mußte eine Mutter auf ihren Sohn haben, daß sie ihn daran hindern konnte, die schönste Frau Roms öffentlich zu schänden. Ich mußte Poppaea beschützen, da sie offenbar nicht mehr imstande war, sich selbst zu schützen.

Vor Erregung ganz von Sinnen, eilte ich zu dem alten Haus der Antonia auf dem Palatin, wo des Umzugs wegen ein großes Durcheinander herrschte, so daß mir niemand den Zutritt verwehrte. Agrippina raste vor Zorn. Octavia war bei ihr, das schweigsame Mädchen, dessen einzige Freude ihre Stellung als Gemahlin des Kaisers war. Auch ihre schöne Halbschwester Antonia, die Tochter des Claudius aus dessen erster Ehe, war anwesend und mit ihr ihr zweiter Gatte, der gleichgültige, schwerfällige Faustus Sulla. Als ich unerwartet unter sie trat, verstummten sie plötzlich. Agrippina begrüßte mich und rief mit schriller Stimme: »Was für eine Freude und Überraschung nach so vielen Jahren! Ich glaubte schon, du habest alles vergessen, was ich für dich getan habe, und seist ebenso undankbar wie mein Sohn. Desto mehr freue ich mich nun darüber, daß du als einziger Ritter in ganz Rom gekommen bist, um von einer armen Verbannten Abschied zu nehmen.«

Ich rief verzweifelt: »Es mag sein, daß ich unsere Freundschaft vergessen habe, aber darüber können wir ein andermal reden. Rette Poppaea Sabina aus Neros lüsternen Händen und stelle sie unter deinen Schutz! Dein Sohn macht nicht nur die unschuldige Poppaea, sondern auch sich selbst in ganz Rom unmöglich.«

Agrippina starrte mich an, schüttelte den Kopf und sagte: »Ich habe getan, was möglich war, ich habe geweint und geflucht, um meinen Sohn aus den Händen dieses liederlichen, niederträchtigen Weibes zu retten. Zur Belohnung bekam ich den Befehl, Rom zu verlassen. Poppaea hat ihren Willen durchgesetzt und beißt sich nun fest wie eine Laus.«

Ich versuchte ihr zu erklären, daß Poppaea lediglich wünsche, in Ruhe gelassen zu werden, aber Agrippina lachte nur höhnisch. Sie konnte von anderen Frauen nur das Schlimmste glauben.

»Dieses Weib hat Nero mit seinen schamlosen Künsten um den Verstand gebracht«, sagte sie. »Nero ist so veranlagt, und ich habe bisher mein Bestes getan, um es zu verbergen. Wer er wirklich ist, das zeigt seine unglückselige Neigung für niedrige, gemeine Vergnügungen. Ich habe begonnen, meine Erinnerungen zu schreiben, und werde sie in Antium beenden, und ich gedenke nichts zu verschweigen. Ich habe alles für meinen Sohn geopfert und sogar ein Verbrechen begangen, das nur er selbst mir vergeben kann. Ja, ich will es nun offen aussprechen, da es doch alle wissen.«

Ihr Blick wurde eigentümlich starr, und sie hob die Hände, wie um Geister abzuwehren. Dann betrachtete sie Octavia, streichelte ihr die Wangen und weissagte: »Ich sehe schon den Todesschatten über deinem Gesicht. Deine Wangen sind kalt. Aber noch kann alles vorübergehen, wenn nur Nero von seinem Wahn geheilt wird. Nicht einmal der Kaiser kann der Meinung des Senats und des Volkes trotzen. Die glatthäutige kleine Hure hat sich verrechnet. Auf Nero kann sich niemand verlassen. Er ist ein gemeiner Heuchler, ein Schauspieler durch und durch.« Als ich die trotz ihrer Blässe schöne Antonia betrachtete, tauchte ein Schatten aus der Vergangenheit in meiner Erinnerung auf. Ich dachte an ihre Halbschwester Claudia, die ihren Spott mit meiner Liebe zu ihr getrieben hatte. Ich muß durch Agrippinas unsinnige Anklagen gegen Poppaea völlig verwirrt gewesen sein, denn plötzlich sagte ich, ohne mich zu bedenken, zu ihr: »Du hast deine Erinnerungen erwähnt. Erinnerst du dich noch an Claudia? Was ist mit ihr? Hat sie sich gebessert?«