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So genau ich aber alle Frauen musterte, Claudia befand sich nicht unter ihnen. Ich entdeckte sie erst am folgenden Tag im Quartier der Seewache in Puteoli. Sie war gealtert. Die Haare und die Augenbrauen hatte man ihr des Ungeziefers wegen geschoren. Sie trug einen zerlumpten Sklavinnenmantel, denn sie verrichtete Sklavenarbeit in der Küche.

Nur ihre Augen sagten mir, daß ich Claudia vor mir hatte. Sie selbst erkannte mich auf den ersten Blick wieder, ließ es sich aber nicht anmerken. Es war nicht schwer, sie gegen einen Beutel Silber auszutauschen. Ich hätte sie auch umsonst haben können, um aber die Spuren zu verwischen, hielt ich es für das beste, mir durch das Bestechungsgeld Stillschweigen zu erkaufen.

Als wir uns in der besten Herberge der Stadt allein gegenüberstanden, waren Claudias erste Worte: »Du hast bestimmt sehr eifrig nach mir gesucht, mein lieber Minutus, sonst hättest du mich nicht so schnell gefunden. Seit unserem letzten Zusammensein sind ja erst sieben Jahre vergangen. Was willst du von mir?«

Auf meine inständigen Bitten erklärte sie sich endlich bereit, ordentliche Kleider anzuziehen, eine Perücke aufzusetzen und sich mit Augenschwärze Brauen auf die Stirn zu malen. Sie war, dank der Beschäftigung in der Küche, ziemlich dick geworden und sehr gesund.

Von ihren Erlebnissen in Misenum wollte sie nicht sprechen. Ihre Hände waren hart wie Holz, und sie hatte eine dicke Hornhaut auf den Fußsohlen. Die Sonne hatte sie dunkelbraun gebrannt, und man sah trotz der Kleidung und der Perücke auf den ersten Blick, daß sie eine Sklavin war. Je länger ich sie betrachtete, desto fremder wirkte sie auf mich.

Zuletzt sagte ich verzweifelt: »Agrippina, niemand anders als Agrippina ist an deinem Schicksal schuld. Ich wollte dein Bestes und wandte mich in meiner Dummheit an sie, um ein Wort für dich einzulegen.«

»Habe ich mich beklagt?« fragte Claudia scharf. »Alles, was mir angetan wurde, geschah mit Gottes Willen, um meinen Hochmut zu strafen und mich zu demütigen. Glaubst du, ich wäre noch am Leben, wenn nicht Christus meinem Herzen Kraft gegeben hätte?«

Wenn der Aberglaube der Christen ihr geholfen hatte, die Erniedrigung und den Sklavendienst zu ertragen, wollte ich ihr nicht widersprechen. Ich begann daher vorsichtig von mir selbst zu erzählen, und um ihr Vertrauen wiederzugewinnen, berichtete ich von meiner Begegnung mit Paulus und Kephas in Korinth und von meinem Freigelassenen Hierax Lausius, der Christ geworden war und großen Einfluß unter den anderen Christen hatte. Claudia hörte mir, den Kopf in die Hand gestützt, aufmerksam zu. Ihre dunklen Augen hellten sich auf, und sie sagte lebhaft: »Wir sind hier in Puteoli mehrere Brüder und Schwestern, die Jesus als den Christus anerkennen. Auch unter den Seeleuten gibt es Brüder, die sich bekehrten, als sie hörten, daß Jesus von Nazareth über das Wasser gegangen ist. Ich wäre sonst nicht aus dem geschlossenen Haus in Misenum herausgekommen.«

»Das Leben der Seeleute ist voller Gefahren«, sagte ich. »In Puteoli und Neapolis wird alles abgeladen, was aus dem Osten kommt. Es wundert mich daher nicht, daß die Juden auch den neuen Glauben hierhergebracht haben.«

Claudia sah mich forschend an: »Und du, Minutus?« fragte sie. »Glaubst du an etwas?«

Ich dachte eine Weile nach, schüttelte den Kopf und bekannte: »Nein, Claudia. Ich glaube an nichts mehr. Ich bin verhärtet.«

»Dann muß ich dir den rechten Weg zeigen«, sagte sie entschlossen und preßte ihre harten Handflächen gegeneinander. »Deshalb bist du hierhergeführt worden, deshalb hast du mich nach so vielen Jahren gesucht, um mich von der Sklaverei loszukaufen. Nach Misenum war die Sklaverei gewiß die größte Gnade, die Gott mir zuteil werden ließ.«

»Ich bin von niemandem geführt worden«, wandte ich gereizt ein. »Ich habe aus eigenem freiem Willen nach dir zu suchen begonnen, sobald ich aus Agrippinas Mund hörte, wie grausam sie mich getäuscht hatte.«

Claudia sah mich mitleidig an und sagte: »Minutus, du hast keinen eigenen Willen und hast nie einen gehabt, sonst wäre alles anders gekommen. Ich verlasse die Christen in Puteoli nicht gern, aber ich sehe ein, daß ich mit dir nach Rom gehen und Tag und Nacht auf dich einwirken muß, bis du deinen Hochmut ablegst und Untertan in Christi heimlichem Reiche wirst. Sieh mich nicht so entsetzt an. Bei ihm allein findet man wahren Frieden und wahre Freude in dieser verworrenen Welt, die bald untergehen wird.«

Ich dachte mir, daß Claudia nach all dem Schweren, das sie erlebt hatte, wohl nicht mehr ganz bei Sinnen war, und widersprach ihr deshalb nicht. Wir reisten zusammen auf einem Frachtschiff, das wilde Tiere an Bord hatte, nach Antium und von dort aus nach Ostia. In Rom angekommen, führte ich sie heimlich in mein Haus auf dem Aventin. Ich stellte sie als Dienerin an, und Tante Laelia gewann sie lieb und hielt sie für ihre einstige Amme. Sie war in ihren Gedanken ganz in ihre Kindheit zurückgekehrt und am glücklichsten, wenn sie mit Puppen spielen durfte.

Es verging jedoch kein Tag, an dem Claudia mir nicht mit ihrem Jesus von Nazareth in den Ohren lag. Ich floh in mein Haus im Tiergarten. Dort machte mir wieder Sabina mit ihrer Bosheit das Leben unerträglich. Sie wurde immer hochmütiger, seit einer ihrer Verwandten eine führende Stellung in der Finanzverwaltung erhalten hatte, wodurch sie nicht mehr so sehr auf mein Geld angewiesen war. Sie war in Wirklichkeit die Vorsteherin des Tiergartens, sie bestimmte, was für Tiere gekauft werden mußten, und plante die Vorführungen im Amphitheater. Sie trat sogar selbst öffentlich auf, um zu zeigen, was für eine geschickte Löwenbändigerin sie war.

Ich glaube, Neros Leben war damals ebenso unerträglich wie meines. Als er seine Mutter nach Antium verbannte und Lollia Poppaea als seine Geliebte ins Palatium holte, kam er vom Regen ; in die Traufe. Das Volk nahm ihm die Zurücksetzung Octavias übel, und Poppaea weinte und jammerte und verlangte, er solle sich von Octavia trennen. Sie erschreckte ihn durch die Behauptung, Agrippina zettle eine Verschwörung gegen ihn an, was vielleicht nicht ganz frei erfunden war. Jedenfalls mußte Nero Antonias Gatten Faustus Sulla nach Massilia verbannen. Antonia folgte ihm, und es vergingen fünf Jahre, ehe ich sie wiedersah.

Seneca sprach sich mit Nachdruck gegen eine Scheidung aus, und der alte Burrus sagte öffentlich, wenn Nero sich von Octavia trenne, dann müsse er auch auf die Mitgift verzichten, das heißt ; auf den Rang des Imperators. Und Poppaea hatte kein Verlangen danach, mit Nero nach Rhodos zu gehen und dort ihr Leben als Gattin eines Künstlers zu beschließen.!

Agrippina beschwor vielleicht durch ihre Machtlüsternheit und ; Eifersucht ihr Schicksal selbst herauf. Sie besaß Reichtümer genug, die sie nach ihrem zweiten Gatten und nach Claudius geerbt hatte, und war trotz der Verabschiedung des Pallas noch immer sehr einflußreich. Wirkliche Freunde hatte sie freilich keine mehr, aber mehr als eine politische Verschwörung fürchtete Nero, sie könnte in ihrer Unbesonnenheit tatsächlich ihre Erinnerungen veröffentlichen, die sie in Antium mit eigener Hand niederschrieb, weil sie nicht einmal dem zuverlässigsten Sklaven zu diktieren wagte. Agrippina hatte selbst dafür gesorgt, daß man in Rom von diesen Erinnerungen wußte, und es gab daher so manchen, der ihr den Tod wünschte, weil er auf die eine oder andere Art mit in ihre Machenschaften verwickelt gewesen war.

Ich selbst klagte Agrippina in meinen Gedanken dessen an, daß sie mein Leben zerstört hatte, als ich noch jung war und Claudia liebte. Alles Schlimme, das mir widerfahren war, legte ich ihr zur Last. Einmal besuchte ich die alte Locusta in ihrem kleinen Haus. Sie lächelte mich an, soweit eine Totenmaske zu lächeln vermag, und sagte offenherzig, daß ich nicht der erste sei, der sie in dieser Sache zu sprechen wünsche. Vor mir waren schon andere bei ihr gewesen.