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Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als er plötzlich erbleichte und einen Schritt zurücktrat, denn man meldete ihm, ein Freigelassener Agrippinas, ein gewisser Agerinus, habe ihm eine Botschaft auszurichten. »Ein Mörder!« rief Nero, ergriff sein Schwert und verbarg es unter seinem Mantel.

Er hatte im Grunde nichts zu befürchten, denn die durch den Blutverlust und von der Anstrengung des Schwimmens erschöpfte Agrippina hatte ihre Möglichkeiten überdacht und eingesehen, daß ihr nichts anderes blieb, als gute Miene zum bösen Spiel zu, machen und so zu tun, als ahnte sie nichts von dem Mordanschlag. Agerinus trat zitternd ein und brachte mit einem leichten Stottern seine Botschaft vor: »Die Götter und der Schutzgeist des Kaisers haben mich vor dem Tode bewahrt. Sosehr es dich erschrecken wird, von der Gefahr zu hören, die deiner Mutter drohte, sollst du mich einstweilen nicht aufsuchen. Ich brauche Ruhe.«

Als Nero erkannte, daß er von Agerinus nichts zu fürchten hatte, gewann er die Fassung zurück, ließ heimlich das Schwert dem Boten vor die Füße fallen, sprang zurück, zeigte anklagend auf die Waffe und rief: »Ich nehme euch alle zu Zeugen dafür, daß meine eigene Mutter ihren Freigelassenen geschickt hat, um mich zu ermorden!«

Wir stürzten vor und ergriffen Agerinus, ohne auf seine verzweifelten Einwände zu achten. Nero befahl, ihn gefangenzusetzen, aber Anicetus, kaum daß er mit ihm den Raum verlassen hatte, hielt es für klüger, ihm das Schwert in den Hals zu stoßen. Ich beschloß, Anicetus zu begleiten, um mich zu vergewissern, daß er seinen Auftrag auch wirklich zu Ende führte. Nero eilte uns nach, glitt im Blut des Agerinus aus und rief erleichtert: »Meine Mutter trachtet mir nach dem Leben. Niemand wird sich darüber wundern, daß sie sich selbst das Leben nahm, als ihr Verbrechen aufgedeckt wurde. Handelt danach!«

Auch Obaritus schloß sich uns an, um seinen Fehler wiedergutzumachen. Anicetus befahl seinem nächsten Untergebenen, Herculeius, in der Kaserne Alarm zu schlagen. Wir holten unsere Pf erde und ritten los. Eine Schar Seesoldaten lief barfuß vor uns her und trieb brüllend und die Schwerter schwingend die Menge auseinander, die nach Bauli unterwegs war, um Agrippina zu huldigen, und uns am Vorwärtskommen hinderte.

Als wir in Bauli ankamen, graute der Morgen. Anicetus befahl seinen Leuten, das Haus zu umzingeln. Wir schlugen die Tür ein und verjagten die Sklaven, die Widerstand zu leisten versuchten. Der Schlafraum war spärlich erhellt. Agrippina lag mit einem warmen Umschlag um die eine Schulter in ihrem Bett. Eine Dienerin, die gerade nach ihr gesehen hatte, floh Hals über Kopf. Agrippina hob die Hand und rief nach ihr: »So verläßt auch du mich!«

Anicetus schloß die Tür hinter uns, damit nicht zu viele Zuschauer nachdrängten. Agrippina grüßte uns mit matter Stimme und sagte: »Wenn ihr gekommen seid, um auch nach meinem Befinden zu erkundigen, so sagt meinem Sohn, daß ich mich schon ein wenig erholt habe.«

Dann erst sah sie unsere Waffen. Ihre Stimme wurde fester, und sie rief drohend: »Wenn ihr aber gekommen seid, um mich zu töten, so glaube ich nicht, daß es auf Befehl meines Sohnes geschieht. Er würde nie einen Muttermord begehen!«

Anicetus, Herculeius und Obaritus traten an ihr Lager, standen täppisch da und wußten nicht, was sie tun sollten, so gebieterisch wirkte Agrippina noch als Kranke. Ich selbst drückte mit dem Rücken die Tür zu. Endlich versetzte Herculeius Agrippina mit seinem kurzen Befehlsstab einen Schlag auf den Kopf, jedoch so ungeschickt, daß sie nicht das Bewußtsein verlor. Er hatte die Absicht gehabt, sie bewußtlos zu schlagen, um ihr dann die Pulsadern aufzuschneiden, so daß die Behauptung, sie habe Selbstmord verübt, wenigstens den Anschein von Wahrscheinlichkeit gehabt hätte.

Agrippina gab nun alle Hoffnung auf. Sie entblößte den Unterleib, spreizte die Beine auseinander und schrie Anicetus zu: »Stoße dein Schwert in den Schoß, der Nero geboren hat!«

Der Zenturio zog sein Schwert und stieß zu. Danach hieben und stachen auch die anderen auf Agrippina ein, so daß sie viele Wunden erhielt, ehe sie röchelnd den letzten Atemzug tat.

Als wir uns vergewissert hatten, daß sie tot war, steckten wir rasch einige kleine Gegenstände, die sich im Raum befanden, als Andenken zu uns. Anicetus befahl den Dienern, die Leiche zu waschen und für den Scheiterhaufen herzurichten. Ich selbst nahm eine kleine goldene Fortunastatue mit, die neben dem Bett stand und von der ich glaubte, sie sei dieselbe, die Kaiser Gajus seinerzeit immer bei sich gehabt hatte. Später erfuhr ich, daß sie es nicht war, und das betrübte mich.

Ein Eilbote ritt zu Nero, um ihm Agrippinas Selbstmord zu melden. Nero, der bereits mit Senecas Hilfe einen Bericht an den Senat über den auf ihn verübten Mordanschlag abgefaßt hatte, eilte sofort nach Bauli, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, daß Agrippina tot war. So wenig traute er Anicetus.

Er traf so früh ein, daß die Diener noch damit beschäftigt waren, den nackten Leichnam zu waschen und zu salben. Nero untersuchte die Wunden mit einem Finger und sagte: »Seht nur, wie schön meine Mutter bis zuletzt noch war.«

Im Garten wurde Holz zu einem Scheiterhaufen geschichtet, und Agrippinas Leichnam wurde ohne Zeremonien auf ein Liegesofa gebettet und hinaufgehoben. Als der Rauch aufzusteigen begann, bemerkte ich plötzlich, was für ein strahlender Morgen über Bauli heraufgezogen war. Das Meer leuchtete tiefblau, die Vögel zwitscherten, und im Garten blühten die Blumen des Frühlings in prächtigen Farben. Auf den Wegen war jedoch niemand zu sehen. Die Leute waren verwirrt und hielten sich in ihren Häusern verborgen, da sie nicht wußten, wie das Geschehen zu deuten sei.

Der Scheiterhaufen brannte noch, als plötzlich ein Trupp Kriegstribunen und Zenturionen in vollem Galopp heranpreschte. Nero sah die Soldaten vor den Pferden zur Seite weichen und blickte sich entsetzt nach einem Fluchtweg um. Die Reiter sprangen jedoch aus den Sätteln, stürzten auf ihn zu, drückten ihm die Hände und dankten den Göttern, daß er dem verbrecherischen Anschlag seiner Mutter entronnen war.

Die Reiter waren vom Präfekten Burrus ausgesandt worden, der dem Volk zeigen wollte, wie man sich zu verhalten habe. Er selbst kam nicht, weil er sich zu sehr schämte. Als die Überreste von Agrippinas Leichnam aus der Asche gesammelt und im Garten vergraben worden waren, ließ Nero die Erde über dem Loch glätten. Er gönnte seiner Mutter keinen Grabhügel, weil er fürchtete, ein solcher könnte zu einer Art Pilgerstätte für politisch Unzufriedene werden.

Wir stiegen zu dem Tempel in Bauli hinauf, um den Göttern ein Dankopfer für Neros wunderbare Rettung darzubringen, aber im Tempel hörte Nero plötzlich Hörner und laute Klagerufe erschallen. Er behauptete sogar, es sei dunkel geworden, obwohl die Sonne hell schien.

Agrippinas Tod war weder für den Senat noch für das Volk eine Überraschung. Man war darauf vorbereitet, daß sich etwas Außergewöhnliches ereignet hatte, denn in Agrippinas Todesnacht war ein Unwetter, wie man es seit Jahren nicht mehr erlebt hatte, über Rom niedergegangen. Der Senat hatte schon im voraus Versöhnungsopfer beschlossen. Als die Todesnachricht eintraf, wurden sie in Dankopfer verwandelt, und so tief war der seit langem gegen Agrippina aufgestaute Haß, daß der Senat beschloß, ihren Geburtstag künftig zu den Unglückstagen zu rechnen.

Nero hatte ohne Grund Unruhen befürchtet. Als er endlich aus Neapolis eintraf, wurde er wie ein Triumphator empfangen. Die Senatoren waren festlich gekleidet. Die Frauen und Kinder der vornehmsten Familien begrüßten ihn mit Lobgesängen und streuten ihm Frühlingsblumen auf den Weg. Zu beiden Seiten des Weges waren in aller Eile Schaugerüste errichtet worden.

Als Nero zum Kapitol hinaufging, um sein eigenes Dankopfer darzubringen, war es, als wäre ganz Rom aus einem Alptraum erwacht, und gern glaubten an diesem strahlenden Tag alle Senecas lügnerischem Bericht über Agrippinas Selbstmord. Den Alten war der bloße Gedanke an einen Muttermord so entsetzlich, daß sie ihn von sich wiesen.