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Ich war selbst schon vor Nero nach Rom zurückgekehrt und hatte sofort Claudia rufen lassen. »Ich habe dich gerächt«, sagte ich stolz. »Agrippina ist tot. Ich war selbst mit dabei. Ihr eigener Sohn befahl, sie zu töten. Beim Herkules, ich habe meine Schuld beglichen. Du brauchst dich deiner Erniedrigung nicht mehr zu schämen.«

Zur Bekräftigung meiner Worte reichte ich Claudia die kleine Fortunastatue, die ich von Agrippinas Nachttisch genommen hatte. Claudia starrte mich jedoch an wie ein Ungeheuer, hob abwehrend beide Hände und rief entsetzt: »Ich habe dich nicht geheißen, mich zu rächen. Du hast Blut an deinen Händen, Minutus!«

Ich trug wirklich einen blutigen Verband um die eine Hand und versicherte ihr nun verlegen, daß ich meine Hände nicht mit dem Blut Agrippinas besudelt, sondern mir nur in der Eile mit meinem eigenen Schwert den Daumenballen geritzt hatte. Es half mir jedoch nichts. Claudia beschimpfte mich, drohte mir mit dem Zorn ihres Jesus von Nazareth und benahm sich alles in allem kindisch und dumm. Zuletzt konnte ich nicht mehr an mich halten und fuhr sie an: »Wenn es so ist, wie du sagst, war ich nur ein Werkzeug deines Gottes. Nimm an, Christus selbst habe Agrippina für ihre Verbrechen bestraft. Außerdem sind die Juden das rachsüchtigste Volk der Welt, das habe ich selbst in ihren heiligen Schriften gelesen. Du vergeudest deine Tränen, wenn du um Agrippina weinst.«

»Manche haben Ohren und hören nicht!« rief Claudia zornig. »Hast du wirklich nicht ein Wort von alledem begriffen, was ich dich zu lehren versuchte?«

Ich schrie wütend zurück: »Verfluchte Claudia, du bist die undankbarste Frau der Welt. Ich habe bisher dein Geschwätz über Christus geduldig ertragen, aber jetzt schulde ich dir nichts mehr. Halt deinen Mund und geh aus meinem Haus!«

»Christus, verzeihe mir mein heftiges Gemüt«, murmelte Claudia mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich kann mich nicht mehr beherrschen.«

Sie schlug mich mit ihren harten Händen auf beide Wangen, daß es mir in den Ohren gellte, packte mich im Genick, drückte mich auf die Knie nieder und befahclass="underline" »Nun bitte den himmlischen Vater um Vergebung für deine furchtbare Sünde.«

Meine Selbstachtung hinderte mich, mit ihr handgreiflich zu werden. Außerdem waren ihre Arme von der Sklavenarbeit noch sehr kräftig. Ich kroch auf allen vieren aus dem Raum, und Claudia warf mir die Fortunastatue nach. Als ich wieder auf beiden Beinen stand, rief ich zitternd vor Zorn die Diener und befahl ihnen, Claudias Habseligkeiten zusammenzupacken und vor die Tür zu schaffen. Dann hob ich die Fortunastatue auf, deren linker Flügel verbogen war, und ging in den Tiergarten, um wenigstens vor Sabina mit meiner Tat zu prahlen. Zu meiner Verwunderung empfing sie mich freundlich und tätschelte mir sogar die Wangen, die von Claudias Ohrfeigen geschwollen waren. Sie nahm die Fortunastatue dankbar entgegen und hörte sich willig, wenn auch etwas zerstreut, meinen Bericht über die Geschehnisse in Baiae und Bauli an.

»Du bist ein Mann, Minutus, und tapferer, als ich glaubte«, sagte sie zuletzt. »Nur darfst du nicht überall und jedem erzählen, wie alles zuging. Die Hauptsache ist, daß Agrippina tot ist. Niemand trauert ihr nach. Und die Hure Poppaea hat nun auch ausgespielt, denn nach diesem Mord wird es Nero im Leben nicht wagen, sich von Octavia zu trennen. So viel glaube ich von Politik zu verstehen.«

Ich wunderte mich über diese Behauptung, aber ehe ich noch antworten konnte, legte mir Sabina zärtlich die Hand auf meinen Mund und flüsterte: »Es ist Frühling, Minutus. Die Vögel singen, die Blumen blühen, und die Erde erzittert von dem brunftigen Gebrüll der Löwen. Es rieselt mir so heiß durch meine Glieder. Außerdem meine ich, daß wir sowohl um des Geschlechts der Flavier als auch um deiner Familie willen ein Kind haben sollten. Ich glaube nicht, daß ich unfruchtbar bin, wenngleich du mich fortwährend beleidigst, indem du meinem Bett fernbleibst.«

Ihr Vorwurf war ungerecht. Ich dachte mir jedoch, daß sie mich, nach allem, was geschehen war, vielleicht mit anderen Augen ansah oder daß die Schilderung der Bluttat ihre Sinne gekitzelt hatte, denn es gibt ja genug Frauen, die beim Anblick entsetzlicher Dinge wie Feuersbrünste oder Blut, das in den Sand rinnt, in Erregung geraten.

Ich betrachtete meine Gattin und fand an ihr nichts auszusetzen, obgleich ihre Haut nicht so weiß war wie die Poppaeas. Wir lagen ein paar Nächte beisammen, was wir lang nicht mehr getan hatten, aber das Entzücken, das ich zu Beginn unserer Ehe empfunden hatte, kehrte nicht zurück. Auch Sabina war steif und hölzern und gestand mir schließlich, daß sie nur eine Pflicht erfüllte und keine Freude daran hatte, obwohl die Löwen die Nächte hindurch dumpf brüllten.

Acht Monate später wurde unser Sohn geboren. Ich fürchtete, wir würden ihn aussetzen müssen, wie man es mit den zu früh Geborenen zu tun pflegt, aber er war gesund und wohlgestaltet, und nach der glücklichen Entbindung herrschte große Freude im Tiergarten. Ich lud unsere vielen hundert Angestellten zu einem großen Festmahl zu Ehren meines Erstgeborenen ein, und ich hätte nie geglaubt, daß die rohen Tierbändiger zu einem Kind so sanft und zärtlich sein könnten.

Des dunkelhäutigen Epaphroditus konnten wir uns kaum erwehren. Er war ständig bei dem Kind, um es zu streicheln und zu tätscheln, versäumte darüber die Fütterung der Tiere und seine übrigen Pflichten und wollte unbedingt die Kosten für eine Amme übernehmen. Ich ging zuletzt darauf ein, weil ich begriff, daß er mich durch sein Anerbieten ehren wollte.

Claudia ließ jedoch nicht von mir ab. Als ich einige Tage nach unserem Streit nichts Böses ahnend in mein Haus auf dem Aventin zurückkehrte, fand ich dort alle Diener und sogar den alten Barbus im Atrium versammelt. Mitten unter ihnen saß der jüdische Wundertäter Kephas, der einige mir gänzlich unbekannte junge Männer mitgebracht hatte.

Einer von ihnen verdolmetschte die aramäischen Worte des Kephas. Tante Laelia tanzte entzückt umher und klatschte in die Hände. Ich fühlte einen solchen Zorn in mir aufsteigen, daß ich schon daran dachte, die Diener auspeitschen zu lassen, aber Claudia erklärte mir rasch, daß Kephas unter dem Schutz des Senators Pudens Publicola stand und in dessen Haus wohnte, so daß er nicht mit den anderen Juden jenseits des Tibers zusammentraf und neue Unruhen vermieden wurden. Pudens war ein kindischer Greis, aber ein echter Valerius, und deshalb schwieg ich.

Kephas entsann sich unserer Begegnung in Korinth und sprach mich freundlich bei meinem Namen an. Er war nicht gekommen, um mich zu seinem Glauben zu bekehren, sondern wollte, daß ich mich mit Claudia aussöhnte. Ich weiß selbst nicht, wie es zuging, aber zuletzt reichte ich Claudia zu meiner eigenen Verwunderung wirklich die Hand und küßte sie, und dann nahm ich sogar an ihrem gemeinsamen Mahl teil, denn schließlich konnte ich in meinem eigenen Haus tun und lassen, was ich wollte.

Mehr will ich von diesem beschämenden Ereignis nicht berichten. Ich fragte Barbus später, ob er von Mithras abgefallen und Christ geworden sei. Er wollte mir nicht geradeheraus antworten, sondern murmelte nur: »Ich bin alt. In den Nächten plagt mich der Rheumatismus aus meinen Legionsjahren so fürchterlich, daß ich bereit bin, alles zu tun, um nur die Schmerzen loszuwerden, und wenn ich den früheren Fischer Kephas sehe, lassen sie jedesmal nach. Ich brauche nur von seinem Brot zu essen und von seinem Wein zu trinken, um tagelang keine Beschwerden zu haben. Die Priester des Mithras konnten mir nicht helfen, obwohl sie sich sonst besser als alle anderen auf die Krankheiten eines alten Legionärs verstehen.«