Venus wurde aus dem Schaum des Meeres geboren. Perlen sind eine würdige Gabe für Venus, wenngleich der Glanz der allerreinsten dieser bescheidenen parthischen Perlen nicht mit dem Schimmer Deiner Haut verglichen werden darf, den ich nicht vergessen kann. Ich hoffe, diese Perlen werden Dich an unsere Freundschaft erinnern. Gewisse Zeichen sagen mir, daß die Weissagung, von der Du mir einst sprachst, bald in Erfüllung gehen wird.«
Ich war offenbar der erste, der die Vorzeichen richtig zu deuten verstand, denn Poppaea ließ mich sogleich zu sich rufen, dankte mir für das schöne Geschenk und versuchte mich auszuhorchen, woher ich gewußt hätte, daß sie schwanger war, denn sie hatte selbst erst vor wenigen Tagen Gewißheit erhalten. Ich konnte mich nur auf mein etruskisches Erbe ausreden, dem ich bisweilen seltsame Träume verdankte. Zuletzt sagte Poppaea: »Nach dem traurigen Tod seiner Mutter war Nero eine Zeitlang nicht Herr seiner selbst und wollte sich von mir lossagen. Aber nun ist alles wieder gut. Er braucht wirkliche Freunde, die ihm zur Seite stehen und seine politischen Pläne unterstützen.«
Die brauchte Nero in der Tat, denn seit er Octavia vor dem Senat der Unfruchtbarkeit angeklagt und seine Absicht angedeutet hatte, sich von ihr scheiden zu lassen, herrschten in der Stadt gefährliche Unruhen. Er hatte versuchsweise eine Statue Poppaeas auf dem Forum, nahe dem Brunnen der Vestalinnen, aufstellen lassen. Ein Volkshaufe warf sie um, bekränzte die Standbilder Octavias und zog johlend den Palatin hinauf, so daß die Prätorianer zu den Waffen greifen mußten, um ihn auseinanderzujagen.
Ich vermutete, daß Seneca seine geschickten Finger mit im Spiel hatte, denn diese Kundgebungen schienen nach einem bestimmten Plan zu verlaufen. Nero bekam es jedoch mit der Angst zu tun und ließ Octavia zurückrufen, die auf seinen Befehl schon nach Kampanien unterwegs war. Eine jubelnde Menge folgte ihrer Sänfte, und in den Tempeln auf dem Kapitolinischen Hügel wurden Dankopfer dargebracht, als sie ins Palatium zurückgekehrt war.
Tags darauf schickte Nero nach zwei Jahren zum erstenmal wieder nach mir. Eine der Dienerinnen hatte Octavia des Ehebruchs mit einem alexandrinischen Flötenbläser namens Eucerus bezichtigt, und Tigellinus hatte sofort eine geheime Verhandlung angesetzt, bei der Octavia selbst nicht zugegen war.
Ich wurde als Zeuge vernommen, da ich Eucerus kannte, und ich konnte nichts anderes sagen, als daß der Klang der Flöte allein schon dazu angetan sei, dem Menschen leichtfertige Gedanken einzuflößen. Ich hatte mit eigenen Augen gesehen, wie Octavia Eucerus wehmütig seufzend betrachtete, als er einmal bei Tisch spielte. Aber, fügte ich um der Gerechtigkeit willen hinzu, Octavia seufzte auch bei anderen Anlässen und war überhaupt, wie jedermann wußte, meist traurig gestimmt.
Octavias Sklavinnen wurden einer peinlichen Befragung unterzogen. Mir wurde unbehaglich zumute, als ich zusah. Einige waren bereit zu gestehen, vermochten aber nicht anzugeben, wann, wo und unter welchen Umständen der Ehebruch stattgefunden habe. Tigellinus griff in das Verhör ein, das nicht nach seinem Wunsch ging, und fragte ein sehr reizvolles Mädchen ungeduldig: »Sprach denn nicht die ganze Dienerschaft über diesen Ehebruch?«
Das Mädchen erwiderte spöttisch: »Wenn man alles glauben will, was geredet wird, dann ist Octavias Scham unvergleichlich keuscher als dein Mund, Tigellinus.«
Diese Worte lösten ein solches Gelächter aus, daß das Verhör abgebrochen werden mußte. Das Laster des Tigellinus war allgemein bekannt, und nun hatte er auch noch seine Unkenntnis in juristischen Dingen unter Beweis gestellt, indem er der Sklavin durch seine plumpe Frage eine Antwort förmlich in den Mund legte, die offenkundig nicht der Wahrheit entsprach. Das Mitgefühl der Richter galt den Sklavinnen, und sie ließen nicht zu, daß Tigellinus die peinliche Befragung gegen die Gesetzesvorschriften so weit trieb, daß die armen Frauen bleibenden Schaden hätten nehmen können.
Die Verhandlung wurde auf den nächsten Tag aufgeschoben, an dem als einziger Zeuge mein alter Freund Anicetus auftrat. Mit gespielter Verlegenheit berichtete er, indem er Ort und Zeit genau angab, daß Octavia bei einem Badeaufenthalt in Baiae ein überraschendes Interesse für die Flotte gezeigt und den Wunsch geäußert hatte, die Kapitäne und Zenturionen kennenzulernen.
Anicetus hatte ihre Absicht mißverstanden und eine Annäherung gewagt, die jedoch von Octavia mit Bestimmtheit abgewiesen worden war. Da hatte er sie, von verbrecherischer Lust verblendet, mit einem Betäubungstrank eingeschläfert und mißbraucht, gleich darauf aber seine Untat bitter bereut. Das Gewissen, behauptete er, zwinge ihn nun, sein Verbrechen zu gestehen, und er könne nur noch die Barmherzigkeit des Kaisers erflehen. Daß Anicetus ein Gewissen besaß, das hatte bis zu jenem Tage wohl nicht einmal er selbst geahnt, aber die Richter sprachen die Scheidung aus. Octavia wurde auf die Insel Pandataria verbannt, Anicetus nach Sardinien versetzt. Nero verfaßte, diesmal ohne Senecas Hilfe, eine wortreiche Mitteilung über das Geschehene an den Senat und das Volk von Rom. Er deutete darin an, Octavia habe im Vertrauen auf Burrus gehofft, die Prätorianer auf ihre Seite zu bekommen. Um sich auch der Unterstützung durch die Flotte zu versichern, habe sie deren Befehlshaber Anicetus verführt und als sie schwanger geworden war, ihre Leibesfrucht auf verbrecherische Weise abgetrieben.
Diese Mitteilung machte einen glaubwürdigen Eindruck auf alle, die Octavia nicht persönlich kannten. Ich selbst las sie mit einiger Verwunderung, denn ich war bei der geheimen Verhandlung zugegen gewesen, aber ich sagte mir, daß eine gewisse Übertreibung aus politischen Gründen nötig sein mochte, nämlich wegen der Gunst, die Octavia beim Volk genoß.
Um Kundgebungen zu vermeiden, ließ Nero unverzüglich die Standbilder Octavias in der ganzen Stadt zerstören, aber die Leute zogen sich in ihre Häuser zurück wie in Zeiten allgemeiner Trauer, und der Senat war nicht einmal beschlußfähig, so viele waren der Sitzung ferngeblieben. Im übrigen gab es über Neros Mitteilung, die ein bloßer Bericht, nicht ein Vorschlag war, keinen Beschluß zu fassen.
Zwölf Tage später vermählte sich Nero mit Poppaea Sabina, aber es wurde kein sehr frohes Fest, obwohl die Hochzeitsgeschenke einen ganzen Saal im Palatium füllten.
Nero ließ wie üblich ein genaues Verzeichnis der Geschenke anlegen und für jedes einen Dankbrief schreiben. Einem Gerücht zufolge wurden außerdem auf einer eigenen Liste alle Senatoren und Ritter vermerkt, die nichts geschickt hatten oder unter dem Vorwand, krank zu sein, der Hochzeit ferngeblieben waren. Daher trafen zugleich mit den Geschenken aus den Provinzen zahllose verspätete Hochzeitsgaben aus Rom mit vielen Erklärungen und Entschuldigungen ein. Der Rat der Juden in Rom sandte Poppaea einige mit Tauben verzierte Goldbecher im Gesamtwert von einer halben Million Sesterzen.
An Stelle der Standbilder Octavias wurden in ganz Rom Statuen Poppaeas aufgestellt. Tigellinus ließ sie Tag und Nacht durch seine Prätorianer bewachen, und mancher, der sie in aller Unschuld bekränzen wollte, erhielt zum Dank einen Stoß mit dem Schild oder einen Hieb mit der flachen Klinge.
Eines Nachts stülpte jemand der Riesenstatue Neros auf dem Kapitolinischen Hügel einen Sack über den Kopf. Am Morgen sprach ganz Rom davon, und jeder wußte, was dieser Streich zu bedeuten hatte. Nach dem Gesetz unserer Väter muß ein Vater oder Muttermörder zusammen mit einer Schlange, einer Katze und einem Hahn in einem Sack ertränkt werden. Soviel ich weiß, war dies das erstemal, daß jemand öffentlich andeutete, Nero habe seine Mutter ermordet.
Mein Schwiegervater Flavius Sabinus war wegen der gedrückten Stimmung, die in Rom herrschte, in großer Sorge. Als er erfuhr, daß man auf einem der Marmorböden im Palatium eine lebende Kreuzotter gefunden hatte, befahl er, alle verdächtig erscheinenden Personen anzuhalten. So kam es, daß man zum Beispiel die Gattin eines wohlhabenden Ritters festnahm, die auf einem Abendspaziergang ihre Katze auf dem Arm trug und daß ein Sklave, der mit einem Hahn, den er für die Gesundheit seines Hausvaters opfern wollte, zum Aeskulaptempel unterwegs war, die Rute zu schmecken bekam. Solche Vorfälle erweckten allgemeine Heiterkeit, obwohl mein Schwiegervater gewiß in gutem Glauben handelte und nichts Böses beabsichtigte. Nero nahm ihm jedoch diese Albernheiten so übel, daß er ihn für eine Weile seines Amtes enthob.