Die anderen aber fragten sich mit vollem Recht, wer sich in seinem eigenen Haus noch sicher fühlen durfte, wenn die Sklaven des Pedanus wirklich begnadigt wurden. Unsere Väter hatten dieses Gesetz geschaffen und damit zu erkennen gegeben, daß sie – mit Recht – auch solchen Sklaven mißtrauten, die im Hause geboren worden waren und ihrem Herrn von Kind auf anhingen. Wir haben heute überdies Sklaven aus den verschiedensten Völkern mit fremden Sitten und fremden Göttern.
Soviel ich weiß, wurde bei dieser Gelegenheit zum erstenmal der Verdacht laut ausgesprochen, daß sich unter den Senatoren selbst Männer befänden, die einem fremden Glauben ergeben seien und nun ihre Glaubensfreunde zu verteidigen versuchten. Bei der Abstimmung siegten jedoch zum Glück für Rom die Anhänger des Gesetzes.
Die Volksmenge, die das Haus des Pedanus umringt hatte, sammelte Steine auf und drohte, die ganze Nachbarschaft in Brand zu stecken. Die Prätorianer mußten zu Hilfe geholt werden, und Nero erließ eine strenge Bekanntmachung. Längs der Straßen, durch die die fünfhundert zum Hinrichtungsplatz geführt wurden, nahmen mehrere Reihen Prätorianer Aufstellung.
Das Volk warf Steine und rief Schimpfworte, aber zu einem regelrechten Aufruhr kam es nicht. Eine beträchtliche Anzahl der Sklaven des Pedanus schien den Christen anzugehören, denn in der Menge gingen andere Christen umher und warnten vor Gewalttaten, da nach ihrer Lehre Böses nicht mit Bösem vergolten werden darf.
Die Vorfälle brachten das eine Gute mit sich, daß mein Schwiegervater wieder in sein Amt eingesetzt wurde. Der Senat, und das Volk hatten einen neuen Gesprächsgegenstand, und auch Poppaeas Schwangerschaft begann nun ein gewisses Mitgefühl zu erwecken.
Nero wollte, daß sein Kind in Antium zur Welt komme, wo er selbst geboren worden war. Vielleicht dachte er, ein solches glückliches Ereignis könne das Landgut, das er nach Agrippina geerbt hatte, von allen traurigen Erinnerungen befreien. Außerdem betrachtete er das heiße, von üblen Gerüchen erfüllte sommerliche Rom als keinen gesunden Ort für die Entbindung.
Ich hatte das Glück, noch einmal mit Poppaea zusammenzutreffen, bevor sie sich nach Antium begab. Die Schwangerschaft hatte sie nicht häßlich gemacht. Ihre Augen hatten einen stillen Glanz, der dem ganzen Gesicht einen sanften, fraulichen Ausdruck verlieh.
Ich fragte sie vorsichtig: »Ist es wahr, daß du den Gott der Juden verehrst? Man behauptet es in Rom, und es heißt auch, du habest Nero dazu gebracht, die Juden auf Kosten anderer zu begünstigen?«
»Du mußt selbst zugeben, daß die Weissagung der Juden sich erfüllt hat«, antwortete Poppaea. »In meinen schwersten Stunden gelobte ich, immer ihren Gott zu verehren, der so mächtig ist, daß es nicht einmal ein Bild von ihm geben darf. Und ebenso mächtig ist Moses. Ich würde es nicht wagen, nach Antium zu reisen, um dort zu gebären, ohne einen jüdischen Arzt mitzunehmen. Auch einige alte jüdische Frauen nehme ich mit, aber vorsichtshalber natürlich auch einen gründlich ausgebildeten griechischen und einen römischen Arzt.«
»Hast du auch von Jesus von Nazareth, dem König der Juden, gehört?« fragte ich.
Poppaea schnaubte durch die Nase und sagte auf ihre launische Art: »Ich weiß, daß es unter den Juden allerlei Heilige gibt. Sie haben strenge Gesetze, aber eine gottesfürchtige Frau in meiner Stellung braucht sich nicht viel um die Gesetze zu kümmern, solange sie nur den behörnten Moses verehrt und kein Blut trinkt.«
Ich erkannte, daß sie ebenso dunkle Vorstellungen vom Glauben der Juden hatte wie alle anderen Römer, die einen Gott ohne Abbild nicht begreifen können. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Wenn Poppaea gewußt hätte, wie sehr die Juden Paulus verabscheuten, würde sie Nero und mir kaum dafür gedankt haben, daß wir ihn freigelassen hatten, damit er weiter bittere Zwietracht unter den Juden säen konnte.
Poppaea reiste also nach Antium, und ich hoffte von Herzen, sie möge recht bald ihr Kind gebären. Nero war während der Wartezeit eine anstrengende Gesellschaft. Sang er, mußte er gelobt werden. Lenkte er sein Viergespann, mußte man seine unvergleichliche Geschicklichkeit preisen. Er trank ganze Nächte hindurch und wählte seine Freunde nicht sehr sorgfältig aus. Auch mit Acte traf er heimlich wieder zusammen, und er knüpfte Beziehungen zu vornehmen Frauen an, die es mit der Heiligkeit der Ehe nicht so genau nahmen. Tigellinus führte ihm seine Knaben zu. Als wir uns einmal darüber unterhielten, berief sich Nero auf das Vorbild der Griechen und brachte die folgende erstaunliche Rechtfertigung vor: »Als mir der Blitz den Becher aus der Hand schlug, wurde ich heilig. Es war ein Zeichen dafür, daß ich nach meinem Tode zum Gott erhöht werden soll. Die Götter sind aber zwiegeschlechtig. Ich könnte mich nicht wirklich göttergleich fühlen, wenn ich nicht zum Zeitvertreib auch hübsche Knaben lieben dürfte, und Poppaea ist es lieber, ich spiele mit Knaben als mit ehrgeizigen Frauen. Sie meint, sie braucht dann wenigstens nicht eifersüchtig zu sein und zu befürchten, ich könnte versehentlich die eine oder andere schwängern.«
Meinen Sohn Jucundus sah ich nur selten. Barbus hatte mein Haus verlassen und war zu Tullia gezogen, da er sich für den Mentor des Knaben ansah. Das war nötig, denn Tullia verwöhnte Jucundus und ließ ihn tun und treiben, was er wollte. Mir wurde er immer mehr entfremdet.
In Sabinas Haus im Tiergarten war ich nur geduldet, wenn sie gerade Geld brauchte. Der kleine Lausus war mir noch fremder als Jucundus. Seine Haut war merkwürdig dunkel und sein Haar kraus. Ich verspürte keine Lust, ihn auf meinen Schoß zu setzen und mit ihm zu spielen. Sabina machte mir deshalb Vorwürfe und nannte mich einen entarteten Vater.
Ich antwortete darauf, daß Lausus unter den Tierbändigern genug Väter zu haben schien, die mit ihm spielten, und ich hatte leider recht. Jedesmal, wenn ich meinen Sohn sehen wollte, war auch gleich Epaphroditus da und drängte sich zwischen ihn und mich, um mir zu zeigen, wie gut er sich mit ihm verstand. Sabina wurde bleich vor Zorn und verlangte, ich solle wenigstens in Gegenwart anderer solche unziemlichen Scherze unterlassen. Sie hatte viele Freundinnen unter den vornehmen Damen, die in den Tiergarten kamen, um ihren Kindern die Tiere zu zeigen und selbst die waghalsigen Kunststücke der Tierbändiger mit begehrlichen Blicken zu bewundern. Es war damals in den vornehmen Häusern Mode, Gazellen und Geparde zu halten, und ich hatte viel Ärger mit gewissenlosen Betrügern, die mein Alleinrecht verletzten und diese Tiere selbst einführten, um sie zu einem niedrigen Preis zu verkaufen. Sogar wilde Bluthunde aus Britannien wurden eingeführt. Ich erzielte gute Preise für die Welpen.
Poppaea kam endlich mit einer wohlgestalteten Tochter nieder. Nero war ebenso entzückt, wie wenn sie ihm einen Sohn geboren hätte. Er überhäufte Poppaea mit Geschenken und benahm sich in jeder Hinsicht wie ein junger Vater, der vor Freude den Verstand verloren hat.
Der ganze Senat reiste nach Antium, um seine Glückwünsche auszusprechen, und mit dem Senat ein jeder, der in Rom jemand zu sein glaubte. Die Flußboote und die von Ostia auslaufenden Schiffe waren überfüllt, und auf dem ziemlich schlechten Landweg von Aricia nach Antium stauten sich die Wagen und Sänften, daß kein Weiterkommen war. Einer meiner Freigelassenen verdiente sich ein Vermögen, indem er entlang des Weges Behelfsherbergen und Garküchen einrichtete.