Nur halb überzeugt, rief ich weiter laut nach meinem Schwert und sagte: »Hier und jetzt fordere ich von dir eine Erklärung, was es mit den schändlichen Gerüchten auf sich hat, die über dich in Rom verbreitet werden. Morgen bitte ich den Kaiser um die Scheidung.«
Sabina erstarrte, warf Epaphroditus einen bedeutsamen Blick zu und sagte kalt: »Erwürge ihn. Wir rollen ihn in einen Teppich und werfen ihn in den Löwenkäfig. Es ist schon so mancher verunglückt, als er mit Raubtieren spielte.«
Epaphroditus kam auf mich zu und streckte seine riesigen Hände nach mir aus. Er war kräftig gebaut und um einen ganzen Kopf größer als ich. Trotz meinem begreiflichen Zorn begann ich für mein Leben zu fürchten und sagte hastig: »Versteh mich recht, Sabina. Warum sollte ich den Vater meines Sohnes beleidigen wollen! Epaphroditus ist römischer Bürger und mir dadurch ebenbürtig. Laß uns dies in Ruhe besprechen. Es will doch keiner von uns einen öffentlichen Skandal!«
Auch Epaphroditus sagte begütigend: »Hör auf ihn, Sabina. Ich bin ein harter Mann, aber ich möchte nur ungern deinen Gatten töten. Er hat beide Augen zugedrückt und uns tun lassen, was wir wollten. Wenn er jetzt die Scheidung verlangt, wird er wohl seine eigenen Gründe haben. Wie oft hast du nach deiner Freiheit geseufzt! Nimm Vernunft an, Sabina.«
Aber Sabina verhöhnte ihn und schrie so zornig wie zuvor: »Wirst du weich in den Knien, wenn du dieses glatte Narbengesicht siehst, du Riesenkerl! Beim Herkules, das Beste an dir ist größer als dein Mut. Begreifst du nicht, daß es klüger ist, ihn einfach zu erwürgen und zu erben, was er hat, als seinetwegen verspottet zu werden?«
Epaphroditus wich meinem Blick aus und legte mir mit einem so eisenharten Griff die Finger um den Hals, daß jeder Widerstand sinnlos war. Meine Stimme erstickte, und es wurde mir schwarz vor Augen, aber ich gab durch Zeichen zu verstehen, daß ich bereit war, um mein Leben zu handeln. Als Epaphroditus seinen Griff gelockert hatte, sagte ich röchelnd: »Es versteht sich von selbst, daß du dein Eigentum behältst und im Tiergarten bleibst, wenn wir wie vernünftige Menschen auseinandergehen. Verzeih mir meine ganz unnötige Erregung, liebe Sabina. Dein Sohn trägt selbstverständlich weiter meinen Namen und erbt nach mir, wenn einmal die Zeit gekommen ist. Um der Liebe willen, die uns einst verband, möchte ich nicht, daß du dich eines Verbrechens schuldig machst, das früher oder später doch entdeckt wird. Laß uns Wein trinken und ein Versöhnungsmahl halten, du und ich und mein Schwager, vor dessen Körperkräften ich die größte Achtung hege.«
Epaphroditus brach plötzlich in Tränen aus, umarmte mich und rief: »Nein, ich kann dich nicht erwürgen! Wir wollen Freunde sein, alle drei. Es ist eine Ehre für mich, wenn du wirklich am selben Tisch mit mir essen willst.«
Vor Schmerz und Erleichterung stiegen auch mir die Tränen in die Augen. »Das ist das mindeste, was ich tun kann«, sagte ich und legte meinen Arm um seine breiten Schultern. »Meine Gattin habe ich schon mit dir geteilt, daher ist deine Ehre auch meine Ehre.«
Als Sabina sah, wie wir uns umschlungen hielten, kam auch sie wieder zur Vernunft. Wir ließen das Beste auftragen, was das Haus zu bieten hatte, tranken Wein miteinander und riefen auch Lausus zu uns, damit Epaphroditus ihn auf den Schoß nehmen und mit ihm plaudern konnte. Ab und zu lief mir ein kalter Schauder über den Rücken, wenn ich bedachte, was beinahe durch meine Dummheit geschehen wäre, aber nach und nach beruhigte mich der gute Wein.
Als wir eine Weile getrunken hatten, wurde mir recht traurig zumute. Ich erinnerte mich vergangener Zeiten und fragte Sabina: »Wie konnte es dahin mit uns kommen, da wir doch anfangs glücklich waren? Zumindest war ich blind verliebt in dich.«
Der Wein hatte auch Sabina weich gestimmt. »Du hast mich nie wirklich verstanden, Minutus«, sagte sie. »Ich mache es dir nicht zum Vorwurf, und ich bereue meine bösen Worte, damals, als ich deine Manneskraft anzweifelte. Wenn du mir wenigstens einmal ein blaues Auge geschlagen hättest wie bei unserer ersten Begegnung, oder wenn du mich ab und zu verprügelt hättest! Glaub mir, dann wäre alles anders gekommen. Erinnerst du dich noch, wie ich dich in der Hochzeitsnacht bat, mich zu vergewaltigen? Aber du bist nicht so ein herrlicher Mannskerl, der mit einem macht, was er will, soviel man auch zappelt und strampelt und schreit.«
Ich sagte verblüfft: »Bisher habe ich immer geglaubt, eine Frau verlange von der Liebe vor allem Zärtlichkeit und Geborgenheit.«
Sabina schüttelte mitleidig den Kopf und antwortete: »Das beweist nur, wie wenig du von den Frauen verstehst.«
Nachdem wir uns über die nötigen finanziellen Maßnahmen einig geworden waren, und ich Epaphroditus zu wiederholten Malen als einen Ehrenmann und den größten Künstler in seinem Fach gepriesen hatte, ging ich, gestärkt vom Wein, zu Flavius Sabinus, um ihn davon zu unterrichten, daß wir uns scheiden lassen wollten. Ich hatte, offen gestanden, beinahe mehr Angst vor seinem Zorn als vor Sabina. Zu meiner Verwunderung zeigte er sich jedoch sehr verständnisvoll.
»Ich habe längst bemerkt, daß es mit eurer Ehe nicht zum besten steht«, sagte er und vermied es, mir in die Augen zu sehen. »Ich hoffe aber von Herzen, daß die Scheidung an unserer Freundschaft und an der Achtung, die wir beide füreinander hegen, nichts ändern wird. Ich würde in eine üble Klemme geraten, wenn du mir beispielsweise die Anleihe kündigtest, die du mir zugesagt hast. Wir Flavier sind leider nicht so vermögend, wie es zu wünschen wäre. Mein Bruder Vespasian soll zur Zeit vom Maultierhandel leben. Als Prokonsul in Afrika ist er nur ärmer geworden, als er ohnehin schon war. Es heißt, die Leute hätten ihn mit Kohlrüben beworfen. Er wird, fürchte ich, den Senat verlassen müssen, wenn der Zensor merkt, daß er die finanziellen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.«
Nero war unerwartet nach Neapolis gereist, nachdem er es sich in den Kopf gesetzt hatte, daß dort sein erstes großes öffentliches Auftreten als Sänger stattfinden solle. Die Zuhörer dort sind griechischer Abstammung und kunstverständiger als die Römer. Nero fürchtete sich trotz seinem Selbstbewußtsein vor jedem Auftritt und zitterte und schwitzte so, daß er sich erst beruhigte, wenn er wußte, daß seine eigenen, bezahlten Leute sich unter die Zuschauer gemischt hatten, um diese durch stürmisches Klatschen zu den ersten befreienden Beifallsäußerungen hinzureißen.
Ich reiste ihm schleunigst nach, wozu ich allein schon durch mein Amt verpflichtet war. Das schöne Theater in Neapolis war gedrängt voll. Neros glanzvolle Stimme versetzte die Zuhörer in Ekstase. Einige Reisende aus Alexandria, die ihrem Entzücken nach der Sitte ihrer Heimat durch rhythmisches Klatschen Ausdruck verliehen, fielen besonders auf.
Während der Vorstellung wurde das Theater plötzlich durch ein Erdbeben erschüttert. Unter den Zuhörern drohte eine Panik auszubrechen, aber Nero sang weiter, als wäre nichts geschehen, und machte ihnen durch seine Unerschrockenheit Mut. Man pries ihn wegen seiner Selbstbeherrschung, er aber sagte später, er habe sich so in seine Rolle eingelebt, daß er von dem Erdbeben nichts bemerkte.
Von seinem Erfolg begeistert, trat er mehrere Tage hintereinander im Theater auf. Zuletzt mußte der Rat der Stadt seinen Gesangslehrer bestechen, damit dieser ihn warnte und seine unvergleichliche Stimme zu schonen bat, denn die täglichen Geschäfte der Stadt, der Handel und die Seefahrt kamen durch die Vorstellungen beinahe völlig zum Erliegen. Die Alexandriner belohnte Nero für ihren Kunstverstand, indem er sie zu römischen Bürgern machte und ihnen viele Geschenke gab. Auch beschloß er, so bald wie möglich nach Alexandria zu reisen, um dort vor einem Publikum aufzutreten, das seiner, wie er sagte, würdig war.