Выбрать главу

Neros Auftreten als Orest erweckte Verwunderung und endlose Diskussionen, und ich geriet in den Ruf eines kühnen, rücksichtslosen Menschen. Zu jener Zeit begannen Neros Feinde boshafte Geschichten über ihn zu erfinden, indem sie den gleichen Grundsatz befolgten, den er selbst sich zu eigen gemacht hatte, als er beispielsweise Octavias Ehebruch bekanntgab: Je größer die Lüge, desto lieber wird sie geglaubt.

Diese Wahrheit kehrte sich nun gegen Nero selbst, denn das Volk glaubte die schamlosesten Lügen mit der größten Bereitwilligkeit. Dagegen wollte niemand von dem Guten hören, das man über ihn berichtete.

Daß die Herrscher Roms das Volk belogen, war freilich nichts Neues. Denken wir nur an den Gott Julius, der durch tägliche Bekanntmachungen seinem schlechten Ruf entgegenzuarbeiten versuchte, oder an den Gott Augustus, dessen Grabinschrift auf der Mauer des Mausoleums ungezählte Verbrechen verschweigt.

Ich hatte mir unter Einsatz meines Lebens die Scheidung verschafft, aber damit waren meine Schwierigkeiten noch nicht zu Ende. Zwar bedeutete die Scheidung an sich eine Erleichterung, denn sie befreite mich von der herrschsüchtigen Sabina, aber ich konnte natürlich nicht daran denken, mich mit Claudia zu vermählen, die der Tatsache, daß wir sozusagen aus reinem Zufall, der Verlockung des Augenblicks gehorchend wie in unserer Jugend Tagen, beieinandergelegen waren, eine übertriebene Bedeutung beimaß.

Ich sagte ihr offen ins Gesicht, daß ich nicht der Meinung war, ein Mann müsse jede Frau, die sich in seine Arme warf, gleich heiraten. Unter solchen Umständen wäre ja unter den Menschen kein vernünftiges Zusammenleben mehr möglich. In meinen Augen war das Geschehene weder eine Sünde noch eine Erniedrigung für Claudia.

Nicht einmal Christus selbst hatte, während er auf Erden lebte, eine Ehebrecherin verdammen wollen, weil er diejenigen, die sie anklagten, für nicht minder schuldig hielt. Diese Geschichte hatte ich selbst gehört. Aber Claudia erboste sich und sagte, sie wisse besser als ich, was Christus gesagt und getan habe, denn sie habe es aus Kephas’ eigenem Munde gehört. Nachdem sie gefallen sei und mit mir gesündigt habe, sei sie auch sündhaft und werde immer sündhafter, je öfter sie mich sehe.

Ich versuchte ihr daher nach Möglichkeit auszuweichen, damit sie mich nicht so oft zu sehen brauchte. Ich ließ mich auf neue große Geschäfte ein, um meine Stellung zu fördern und mich durch Arbeit abzulenken. Einer meiner Freigelassenen brachte mich zu der Einsicht, daß wirklich große Vermögen nur durch den Getreidehandel und die Einfuhr von Speiseöl zu verdienen waren. Der Handel mit Seide aus China, Gewürzen aus Indien und anderen Kostbarkeiten für die Reichen und Vornehmen war daneben eine ganz unbedeutende Erwerbsquelle. Dank meinen Tiereinkäufen hatte ich bereits gute Handelsverbindungen in Afrika und Iberien, und durch meine Freundschaft mit Fenius Rufus war es mir möglich, im Getreidehandel Fuß zu fassen. Mein Freigelassener reiste selbst nach Iberien, um Olivenöl aufzukaufen.

Ich hatte nun oft in Ostia zu tun und stellte fest, daß dort eine ganz neue, schön gebaute Stadt emporgewachsen war. Ich hatte mich schon lange über Claudias Vorwurf geärgert, ich verschaffte mir verbrecherische Einkünfte aus meinen Mietshäusern in Suburra und auf der dem Zirkus zugekehrten Seite des Aventins. Sie behauptete, meine Mieter wohnten unmenschlich eng, schmutzig und ungesund, aber ich wußte, daß es nur die armen Christen waren, die sich bei ihr beklagt hatten, weil ihnen die Mieten zu hoch waren.

Wenn ich aber die Mieten gesenkt hätte, würde der Andrang zu meinen Häusern noch größer geworden sein, und ich wäre überdies von allen anderen Hausherren des unlauteren Wettbewerbs bezichtigt worden. Daß die Häuser in schlechtem Zustand waren, sah ich selbst, aber an eine Instandsetzung war nicht zu denken, denn ich brauchte all mein Bargeld und mußte sogar noch Anleihen aufnehmen, um meine neuen Unternehmungen voranzubringen. Ich faßte daher einen raschen Entschluß, verkaufte mehrere Mietshäuser auf einmal und erwarb mit dem Erlös einige billige Baugründe an den Rändern Ostias.

Claudia machte mir deshalb bittere Vorwürfe und behauptete, ich hätte meine Mieter in noch ärgere Bedrängnis gebracht, denn die neuen Hausherren dachten ebensowenig daran, die Häuser instand zu setzen, und erhöhten obendrein die Mieten, um die Riesensummen wieder hereinzubringen, die sie mir bezahlt hatten. Ich warf Claudia meinerseits vor, daß sie nicht hauszuhalten verstand und mein Geld für wohltätige Zwecke verschwendete, die mir nicht einmal die Gunst der Leute eintrugen, da es die Christen für selbstverständlich hielten, daß man den Armen half, und für die Hilfe, die sie bekamen, nur Christus dankten.

Daraufhin hielt mir Claudia wiederum vor, daß ich unvergleichlich größere Summen für gottlose Theatervorstellungen hinauswürfe. Sie machte keinen Unterschied zwischen Schauspielen und Tierkämpfen im Amphitheater und wollte nichts hören, als ich ihr zu erklären versuchte, daß ich nur einer Verpflichtung nachkam, weil ich Prätor gewesen war und mein Vater einen Sitz im Senat hatte. Ein Mann in meiner Stellung brauchte die Gunst der Bürger. Die Christen sind dagegen zum größten Teil ohnehin nur Sklaven und anderes Pack, das nicht das Bürgerrecht besitzt.

Ich konnte Claudia erst den Mund stopfen, als ich sagte, sie sei offenbar keine echte Claudierin. Ihr Vater hatte nämlich an den Vorstellungen im Amphitheater so großen Gefallen gefunden, daß er nicht einmal essen gehen wollte, während die Raubtiere die zum Tode Verurteilten in Stücke rissen. Anständige Menschen halten dann Mittagsruhe und verlassen das Amphitheater für eine Weile. Der menschliche Nero hatte gleich zu Beginn seiner Regierungszeit das Verbot erlassen die Verurteilten den Tieren vorzuwerfen, und duldete nicht einmal, daß die Berufsgladiatoren bis zum letzten Atemzug kämpften.

Ich gestehe, daß ich Claudias weibliche Schwachheit ausnützte, um sie wenigstens ab und zu einmal zum Schweigen zu bringen. Ich verschloß ihr den Mund mit Küssen und streichelte sie so lange, bis sie der Versuchung nicht mehr zu widerstehen vermochte und sich mir lachend in die Arme warf. Später war sie dann freilich noch finsterer und drohte mir sogar mit dem Zorn ihrer Halbschwester Antonia. Als ob Antonias Zorn damals noch“ irgendeine politische Bedeutung gehabt hätte!

Ich ließ, wenn wir auf diese Weise beisammen waren, jede Vorsicht außer acht, wußte ich doch, was Claudia in Misenum erlebt hatte. Im übrigen dachte ich daran nicht gern, denn in gewissem Sinne war ich an ihrem Schicksal schuld. Wie dem auch sei: ich vertraute auf die Richtigkeit des Sprichworts, daß auf öffentlichen Wegen kein Gras wächst.

Um so größer war meine Verwunderung, ja mein Entsetzen, als Claudia mich eines Tages, da ich eben aus Ostia zurückgekehrt war, mit geheimnisvoller Miene beiseite führte und mir strahlend vor Stolz ins Ohr flüsterte, daß sie von mir schwanger sei. Ich glaubte ihr nicht und nahm vielmehr an, sie sei ein Opfer ihrer Einbildungen oder leide an einer Frauenkrankheit. Ich ließ rasch einen griechischen Arzt kommen, der in Alexandria studiert hatte, glaubte aber auch ihm nicht, als er mir versicherte, Claudia sei vollkommen gesund. Ihr Harn hatte ein Haferkorn sofort zum Keimen gebracht, was ein sicheres und untrügliches Zeichen für Schwangerschaft ist.

Als ich eines Abends, gut gelaunt und nichts Böses ahnend, in mein Haus auf dem Aventin heimkehrte, erblickte ich im Gästezimmer Antonia mit ihrem feingeschnittenen Gesicht und dazu die alte Paulina, mit der ich seit meiner Abreise nach Achaia nicht mehr zusammengetroffen war. Sie war vom vielen Fasten ganz vom Fleisch gefallen und kleidete sich noch immer in Schwarz. In ihren alten Augen leuchtete ein überirdisches Licht.