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IX

TIGELLINUS

Es hatte, von einigen Gewittern abgesehen, lange nicht geregnet. Ganz Rom litt unter Hitze, Schmutz, üblen Gerüchen und Staub. In meinem Garten auf dem Aventin war das Laub der Bäume mit einer dicken Staubschicht bedeckt, und das Gras raschelte vor Dürre. Allein Tante Laelia genoß die Hitze. Sie, die vor Alter ständig fror, ließ sich aus den kühlen inneren Räumen in den Garten hinaustragen, sog schnuppernd die Luft ein und sagte: »Ein richtiges Brandwetter ist das.«

Sie schien für Augenblicke wieder klar im Kopf zu sein und berichtete zum hundertsten Male lebhaft von der Feuersbrunst, die vor vielen Jahren den ganzen Aventin verheert hatte. Der Bankier meines Vaters hatte damals die verwüsteten Grundstücke billig aufgekauft und Mietshäuser darauf errichten lassen, aus denen ich meine Einkünfte bezogen hatte, bis ich sie im vergangenen Winter vorteilhaft verkaufte.

Als ich eines Tages wieder in meinem Garten war, glaubte ich einen Rauchgeruch wahrzunehmen. Ich achtete jedoch weiter nicht darauf und redete mir sogar ein, ich müsse mich getäuscht haben, da ich wußte, daß in dieser Sommerhitze die Brandwachen in allen Stadtbezirken wachsam Ausschau hielten und daß es verboten war, ohne besondere Notwendigkeit Feuer anzuzünden. Es wehte auch kein Wind. Die Luft war vom frühen Morgen an sengend heiß und stickig gewesen.

Irgendwo in der Ferne hörte ich Hornsignale und ein seltsames Brausen, aber erst als ich mich in die Stadt begab, stellte ich erschrocken fest, daß die ganze dem Palatin zugekehrte Längsseite der großen Rennbahn in hellen Flammen stand. Ungeheure Rauchwolken stiegen von den Wachs-, Weihrauch- und Tuchläden auf. Diese leicht entzündlichen kleinen Buden hatten keinerlei Brandmauern, weshalb das Feuer mit Blitzesschnelle um sich griff.

Um die große Brandstätte herum wimmelten die Menschen durcheinander wie Ameisen, und ich glaubte die Löschmannschaften von mindestens drei Stadtbezirken zu erkennen, die breite Brandgassen schlugen, um das rasende Flammenmeer einzudämmen. Eine solche Feuersbrunst hatte ich nie zuvor gesehen. Es war ein beklemmender Anblick, aber noch machte ich mir keine allzu großen Sorgen. Im Gegenteil, ich fand, die Löschmannschaft unseres eigenen Stadtteils hätte sich nicht den anderen anschließen sollen, sondern bleiben, wo sie war, und den Hang des Aventins bewachen.

Ich schickte einen meiner Begleiter zurück, um Claudia und die Hausgenossen zu warnen. Auf dem Weg zum Tiergarten ging ich kurz bei der Präfektur vorbei, um mich zu erkundigen, wie der Brand entstanden war. Man hatte einen reitenden Eilboten ausgeschickt, der meinen ehemaligen Schwiegervater von seinem Landgut holen sollte, aber der Stellvertreter des Präfekten fühlte sich seiner Aufgabe durchaus gewachsen.

Er beschuldigte die jüdischen Kramhändler und die Zirkusleute in den Läden und am Capuanischen Tor, leichtsinnig mit dem Feuer umgegangen zu sein, meinte aber, daß diese Warenlager rasch ausgebrannt sein würden und keine weitere Gefahr bestünde. Im Grunde hielt er die Aufrechterhaltung der Ordnung für dringlicher als die Bekämpfung des Brandes, denn schon waren zahllose Sklaven und anderes Gesindel herbeigeströmt, um die günstige Gelegenheit zu nutzen und die Zirkusbuden zu plündern.

Nach einem Rundgang durch den Tiergarten, der schwer unter der Hitze litt, und einer Beratung mit dem Tierarzt wegen der Aufbewahrung der leicht verderblichen Fleischvorräte ordnete ich an, die Käfige mit frischem Wasser zu übergießen und den Tieren mehr Wasser als üblich zu geben. Mit Sabina unterhielt ich mich sehr freundschaftlich, denn seit der Scheidung verstanden wir uns viel besser als während der Zeit unserer Ehe.

Sabina bat mich, den Aufseher über die Aquädukte aufzusuchen und dafür zu sorgen, daß die Leitungen zum Tiergarten nicht wegen des Brandes gesperrt wurden. Ich versicherte ihr, daß wir uns deshalb nicht zu bemühen brauchten, da gewiß schon die Hausvorsteher aller vornehmen Familien in derselben Angelegenheit beim Aufseher vorgesprochen hatten, um die Bewässerung ihrer Gärten bei diesem heißen Wetter sicherzustellen.

Tatsächlich erhielt ich den Bescheid, daß die Absperrung der Leitungen nur durch Senatsbeschluß oder auf ausdrücklichen Befehl des Kaisers aufgehoben werden konnte. Die üblichen Sparmaßnahmen mußten streng eingehalten werden. Da der Senat im Sommer nur zusammentritt, wenn der Staat in Gefahr ist, waren die meisten Senatoren nicht erreichbar, und Nero hielt sich zufällig gerade in Antium auf.

Ich kehrte wieder zum Palatin zurück, ging an dem nun im Sommer leeren Palatium vorüber und mengte mich unter die Zuschauer, die sich auf dem Hang über der Rennbahn angesammelt hatten. Es waren zumeist Sklaven, Diener und kaiserliche Gärtner. Niemand schien ernstlich besorgt zu sein, obwohl das ganze Tal unter uns eine einzige glühende, rauchende Esse war.

Die Feuersbrunst war so gewaltig, daß sich in der Luft Wirbel bildeten. Ein heißer Wind fuhr uns ins Gesicht. Funken und schwelende Tuchfetzen segelten bis zu uns herauf. Einige der Sklaven traten gleichgültig die Glut im Grase aus, und irgendeiner fluchte, weil ihm ein Funke ein Loch in sein Untergewand gebrannt hatte. Sonst aber war in den Gesichtern der Zuschauer nur die Erregung über das gewaltige Schauspiel zu lesen.

Als ich durch die Rauchwirbel zum Aventin hinüberblickte, bemerkte ich, daß der Brand schon den Fuß des Hanges erreicht hatte und langsam gegen meinen eigenen Stadtteil vorrückte. Ich mußte mich beeilen. Daher entließ ich meine Begleiter und lieh mir ein Pferd aus Neros Ställen. Ein Eilbote galoppierte vor mir her die heilige Straße zum Forum hinunter.

Dort waren die Vorsichtigeren schon dabei, ihre Läden zu verrammeln. Nur in den großen Markthallen herrschte noch die übliche Geschäftigkeit. Ich ritt zum Tiberstrand hinunter, um auf einem Umweg mein Haus zu erreichen. Unterwegs sah ich viele Männer, die schwere Lasten trugen und entweder geplündertes Gut fortschleppten oder ihre eigene Habe zu retten versuchten.

In den engen Gassen drängte sich das Volk. Mütter riefen weinend nach ihren Kindern. Familienväter standen besorgt vor ihren Türen und fragten einander unentschlossen, was sie tun sollten. Niemand wollte sein Haus leer zurücklassen, da es bei einem so großen Brand unmöglich ist, die Ordnung aufrechtzuerhalten.

Viele riefen bereits, der Kaiser müsse aus Antium zurückkehren. Auch ich fand es an der Zeit, Notstandsmaßnahmen zu ergreifen. Zum Glück lag mein Tiergarten außerhalb der Stadt, jenseits des Marsfeldes.

Als ich nach Hause kam, befahl ich sofort den Trägern, sich mit den Sänften bereitzuhalten, und forderte Claudia und Tante Laelia auf, sich mit den Hausgenossen in den vierzehnten Stadtbezirk jenseits des Tibers zu begeben. Ein jeder sollte von seiner wertvollsten Habe so viel mitnehmen, wie er zu tragen vermochte, denn Fuhrwerke standen uns unter Tage nicht zur Verfügung.

Nur dem Türhüter und dem kräftigsten der Sklaven befahl ich, zu bleiben und das Haus vor Plünderern zu schützen. Ich gab ihnen sogar Waffen, was durch die besonderen Umstände gewiß gerechtfertigt war. Wir mußten uns beeilen, denn ich nahm an, daß andere unserem Beispiel folgen und daß die engen Gassen des Aventins bald mit Flüchtlingen verstopft sein würden.

Claudia wollte jedoch nicht fliehen. Sie sagte, sie müsse zuerst ihre Freunde unter den Christen warnen und den Alten und Schwachen helfen. Sie seien durch Christus erlöst und darum mehr wert als Gefäße aus Gold und Silber. Ich zeigte auf Tante Laelia und schrie: »Da hast du eine Alte, um die du dich kümmern kannst. Und denke wenigstens an unser ungeborenes Kind!«